Entscheidungsstichwort (Thema)
In Versendungsfällen ohne Vorlage von „weißen Speditionsbescheinigungen” oder ordnungsgemäß ausgefüllten CMR-Frachtbriefen grundsätzlich keine Steuerfreiheit für Ausfuhrlieferungen
Leitsatz (redaktionell)
1. Wurden in „Versendungsfällen” Waren von Spediteuren in das Drittlandsgebiet verbracht (hier: Versendung von Textilien durch rumänische Spediteure nach Rumänien), ist der Ausfuhrnachweis als Voraussetzung für steuerfreie Ausfuhrlieferungen nicht erbracht, wenn weder so genannte weiße Speditionsbescheinigungen (Muster der Anlage 1 zum BMF v. 17.1.2000, BStBl I 2000, 179) noch ordnungsgemäß ausgefüllte CMR-Frachtbriefe vorgelegt worden sind (im Streitfall: Vorlage von Durchschriften von CMR-Frachtbriefen, bei denen es u. a. an der in Feld 24 vorgesehenen Bestätigung des Warenempfängers mangelt) und wenn auch die Voraussetzungen für einen Ersatznachweis nach § 10 Abs. 2 i. V. m. § 9 UStDV nicht erfüllt sind, weil weder die nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 UStDV geforderte Ausfuhrbestätigungen der Grenzzollstelle noch die nach § 9 Abs. 2 UStDV für eine Ausfuhr im Carnet TIR-Verfahren erforderlichen Abfertigungsbestätigungen der Abgangsstelle vorliegen.
2. Ob auch ein Einfuhrabgabenbescheid eines Drittlandes als Ausfuhrnachweis i. S. v. § 6 UStG – ungeachtet der vom Verordnungsgeber in den §§ 9 und 10 UStDV angebotenen Nachweismöglichkeiten – dienen kann, blieb im Streitfall offen.
Normenkette
UStDV § 10 Abs. 1 Nrn. 1-2, Abs. 2, § 9 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2; UStG 2001 § 4 Nr. 1 Buchst. a, § 6 Abs. 1, 4 Sätze 1-2; EWGRL 388/77 Art. 15 Nrn. 1-2
Nachgehend
BFH (Beschluss vom 18.07.2012; Aktenzeichen V R 17/11) |
Tenor
1. Unter Änderung des Umsatzsteuerbescheids 2003 vom 27. September 2004 und der Einspruchsentscheidung vom 15. September 2006 wird die Umsatzsteuer 2003 auf einen Negativbetrag von 28.825,95 EUR festgesetzt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob Lieferungen des Klägers zu Recht vom Finanzamt (FA) als steuerpflichtig behandelt worden sind.
Der Kläger ist im Bereich Altkleidersammlung und Handelsvermittlung von Textilien unternehmerisch tätig.
Im Rahmen einer Umsatzsteuerprüfung gelangte das Finanzamt (FA) unter anderem zu der Erkenntnis, dass bisher als steuerfrei behandelte Ausfuhrlieferungen an die Firma M mit Sitz in Rumänien der Umsatzsteuer zu unterwerfen seien, da die erforderlichen Ausfuhrbelege nicht vorgelegt worden seien (Bericht vom 21. April 2004, Bl. 6 ff Umsatzsteuerakte FA).
Diesen Feststellungen folgend setzte das FA mit Bescheiden vom 27. Mai 2004 und 27. September 2004 die Umsatzsteuer 2001 auf einen Negativbetrag von 7.660,17 EUR, die Umsatzsteuer 2002 auf einen Negativbetrag von 2.438,99 EUR sowie die Umsatzsteuer 2003 auf einen Negativbetrag von 38.181,72 EUR fest.
Im dagegen gerichteten Einspruchsverfahren legte der Kläger unter anderem weitere Ausgangsrechnungen an die Firma M sowie Durchschriften von Zoll- bzw. Versandpapieren, die mit rumänischen Stempeln versehen sind, vor. Er führte an, dass er es aus Unwissenheit versäumt habe, das Exemplar Nr. 3 des Einheitspapiers von der Zollstelle an der EU-Außengrenze in Österreich zurückzuverlangen. Der Antrag auf Rückgabe des Exemplars Nr. 3 erfolge regelmäßig dadurch, dass in der Zeile 44 des Formulars „RET EX” vermerkt werde. Nach Rücksprache mit der Ausfuhrzollstelle in Regensburg sei er informiert worden, dass die Zollstelle der Außengrenze das Exemplar Nr. 3 vernichte, wenn es von der ausführenden Person nicht über den Antrag „RET EX” zurückverlangt werde, und somit nicht mehr beschafft werden könne. Im Rahmen der Umsatzsteuer-Sonderprüfung seien jedoch alle vorhandenen Ausfuhrnachweise der Abfertigungszollstellen vorgelegt worden. Die nunmehr beigefügten Kopien der Zolldeklarationspapiere des Einfuhrlandes Rumänien könnten den Formularen 722 Einheitspapier-Versendung/Ausfuhr ohne weiteres zugeordnet werden.
Nach Ansicht des FA erfüllten die nachgereichten Bestätigungen nur teilweise die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung der geltend gemachten Ausfuhrlieferungen. Mit Einspruchsentscheidung vom 15. September 2006 wurde die Umsatzsteuer 2001 auf einen Negativbetrag von 7.683,18 EUR, die Umsatzsteuer 2002 auf einen Negativbetrag von 2.835,47 EUR sowie die Umsatzsteuer 2003 auf einen Negativbetrag von 27.992,19 EUR festgesetzt und der Einspruch im Übrigen als unbegründet zurückgewiesen.
Mit der hiergegen eingelegten Klage verfolgt der Kläger sein Ziel weiter, dass die Lieferungen an die Firma M nicht der Umsatzsteuer zu unterwerfen seien. Es bestehe kein Zweifel daran, dass die von ihm gelieferten Waren das Gemeinschaftsgebiet verlassen hätten. Zu Unrecht habe das FA auf die Voraussetzungen für so genannte Beförderungsfälle abgestellt, da bei allen streitigen Lieferungen selbständig beauftragte Spediteure oder Frachtführer mit der Beförderung beauftragt waren und es sich daher um Versandfälle handle. Insoweit sehe das Gesetz eine eher schwächere N...