Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Abzugsfähigkeit von Einkommensteuerschulden infolge einer von den Erben erklärten Betriebsaufgabe als Nachlassverbindlichkeit im Sinne des § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Abzug von Nachlassverbindlichkeiten nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG setzt voraus, dass die Verbindlichkeiten rechtlich bestehen und den Erblasser im Todeszeitpunkt wirtschaftlich belastet haben. Haben erst die Erben nach dem Tod des Erblassers rückwirkend die Betriebsaufgabe erklärt, fehlt hinsichtlich der aus der Betriebsaufgabe herrührenden Einkommensteuer (sowie des Solidaritätszuschlags und der Kirchensteuer) die wirtschaftliche Belastung des Erblassers im Zeitpunkt des Erbfalls, sodass eine Abzugsfähigkeit nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG ausscheidet.
2. Maßgeblich für die Berücksichtigung der Steuerschulden als Nachlassverbindlichkeit nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG ist unter anderem auch, dass der Erblasser bis zu seinem Ableben selbst Steuertatbestände verwirklicht und damit das spätere Entstehen der Steuerschuld begründet hat; auch daran fehlt es, wenn erst durch die Betriebsaufgabeerklärung der Erben der Steuertatbestand ausgelöst worden ist.
3. Es gibt auch keinen Verfassungsrechtssatz des Inhalts, dass alle Steuern zur Vermeidung von Lücken oder von Mehrfachbelastung aufeinander abgestimmt werden müssten.
Normenkette
ErbStG § 10 Abs. 5 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1; BGB § 1922 Abs. 1, § 1942 Abs. 1; AO §§ 38, 45 Abs. 1; EStG § 36 Abs. 1
Nachgehend
Tenor
1. Die Klagen werden abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision zum Bundesfinanzhof wird nicht zugelassen.
Tatbestand
I.
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob Einkommensteuer(ESt-)schulden infolge einer von den Erben erklärten Betriebsaufgabe als Nachlassverbindlichkeit i.S. des § 10 Abs. 5 Nr. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) abzugsfähig sind.
Die Kläger sind ausweislich des Erbscheins des Amtsgerichts X vom 27. Dezember 2016, auf den wegen der näheren Einzelheiten Bezug genommen wird, gesetzliche Erben des am … 2016 verstorbenen Erblassers. Der Erblasser war Inhaber eines (verpachteten) land- und forstwirtschaftlichen Betriebs (…).
Nach dem Tod des Erblassers erklärten die Kläger rückwirkend für einen Zeitpunkt vor dem Tod des Erblassers im Jahr 2016 die Betriebsaufgabe. Aufgrund der (von den Klägern erklärten) Betriebsaufgabe des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs des Erblassers entstand ein ertragsteuerlicher Veräußerungsgewinn i.H.v. 1.997.250 EUR und die darauf entfallende ESt betrug 494.425 EUR. Ausgehend von dem Veräußerungsgewinn i.H.v. 1.997.250 EUR sowie Einkünften aus Land- und Fortwirtschaft (darauf entfallende ESt: 2.995 EUR) setzte das FA Y mit ESt-Bescheid vom 30. August 2018, auf den wegen der näheren Einzelheiten verwiesen wird, ESt für 2016 i.H.v. 497.380 EUR sowie Solidaritätszuschlag i.H.v. 27.335,90 EUR fest.
Ausgehend von der am 27. April 2019 eingegangenen Erbschaftsteuererklärung setzte das beklagte Finanzamt (im Folgenden: FA) mit Bescheiden (jeweils) vom 14. Januar 2019, die mit einem Vorläufigkeitsvermerk nach § 165 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) versehen waren, Erbschaftsteuer wie folgt fest:
Erwerber |
Festgesetzte Steuer |
A (Kläger zu 1.) |
19.260 EUR |
B (Kläger zu 2.) |
19.260 EUR |
C (Kläger zu 3.) |
5.715 EUR |
D (Kläger zu 4.) |
5.715 EUR |
E (Klägerin zu 5.) |
19.260 EUR |
F (Klägerin zu 6.) |
19.260 EUR |
Hierbei lies das FA die geltenden gemachten ESt-Schulden, den Solidaritätszuschlag sowie die Kirchensteuer betreffend den Veranlagungszeitraum (im Folgenden: VZ) 2015 zum Abzug als Nachlassverbindlichkeiten steuermindernd (wie beantragt, jeweils anteilig bei den Klägern) zum Abzug zu. Die auf den VZ 2016 entfallende ESt, den Solidaritätszuschlag sowie die Kirchensteuer lies das FA i.H.v. insgesamt 3.353,93 EUR (davon ESt: 2.955 EUR, Solidaritätszuschlag: 162,53 EUR sowie Kirchensteuer: 236,40 EUR) jeweils anteilig bei den Klägern zum Abzug als Nachlassverbindlichkeiten steuermindernd zu; die die Betriebsaufgabe betreffenden Steuern (ESt: i.H.v. 494.425 EUR, Solidaritätszuschlag sowie Kirchensteuer) berücksichtigte das FA nicht und lies sie dementsprechend auch nicht zum Abzug als Nachlassverbindlichkeiten steuermindernd zu.
Gegen die o.g. Erbschaftsteuerbescheide vom 14. Januar 2019 legten die Kläger (mit Schreiben jeweils vom 21. Januar 2019) Einspruch ein, die das FA mit (gesonderten) Einspruchsentscheidungen (jeweils) vom 18. Oktober 2019, auf die ebenfalls wegen der näheren Einzelheiten verwiesen wird, als unbegründet zurückwies. Hiergegen richten sich (…) Klagen (…). Zur Begründung tragen die Kläger im Wesentlichen Folgendes vor: Zu den abzugsfähigen Nachlassverbindlichkeiten gehörten die privaten Steuerverbindlichkeiten des Erblassers, selbst wenn sie am Todestag rechtlich noch nicht entstanden seien. Die ESt-Schuld für 2016 sei auf die Kläger als Gesamtrechtsnachfolger des Erblassers übergegangen. Auch würde...