rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Kollision von strafprozessualem Schweigerecht und Mitwirkungspflichten bei eidesstattlicher Versicherung. Abgabe eines Vermögensverzeichnisses und der eidesstattlichen Versicherung nach § 284 Abs. 1 und 2 AO

 

Leitsatz (amtlich)

Trotz Einleitung eines Strafverfahrens (u. a. wegen Steuerhinterziehung) und des sich daraus ergebenden strafprozessualen Schweigerechts kann das FA einen Steuerpflichtigen zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung gem. § 284 AO auffordern. Eine derartige Verfügung lässt sich allerdings nicht mit Zwangsmitteln durchsetzen.

 

Normenkette

AO §§ 284, 328, 393 Abs. 1; StPO § 136 Abs. 1 S. 2

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

I.

Streitig ist, ob der Kläger zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung aufgefordert werden durfte.

Der Kläger (Kl) ist nach den Angaben des Beklagten (… –FA–) derzeit als Buchhalter tätig. Er wird vom Finanzamt M. zur Einkommen- und Umsatzsteuer veranlagt. Die steuerlichen Rückstände des Kl resultieren aus früheren gewerblichen Tätigkeiten (u. a. Kurierfahrten und Leichttransporte) und aus nichtselbständiger Arbeit (Taxifahrer). Mit dem Steuerfall ist das FA als Vollstreckungsbehörde bereits seit dem Jahr 1991 befasst.

Vom FA seitdem ausgebrachte Vollstreckungsmaßnahmen blieben im Wesentlichen erfolgslos, so auch eine am 16.7.2001 ausgebrachte Lohnpfändung bei der Fa. E. GmbH.

Auf Veranlassung des FA hatte der Kl am 29.7.1998 in den Amtsräumen des FA eine eidesstattliche Versicherung über seine Vermögensverhältnisse abgegeben.

Am 12.7.2001 blieb ein weiterer Vollstreckungsversuch in der Wohnung des Kl (…) erfolglos. Nach den Angaben im Pfandabstandsprotokoll verweigerte die allein anwesende Lebensgefährtin (Frau …) Angaben zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Kl. Die Abgabenschulden des Kl betrugen zu diesem Zeitpunkt 193.374,09 DM. Eine ebenfalls am 12.7.2001 erfolgte Pfändung im Rahmen einer Razzia (im …, einem Bordell …) war insoweit erfolgreich, als beim Kl Bargeld in Höhe von 1.900 DM gepfändet wurde.

Auf Anfrage des FA teilte das Amtsgericht München im Schreiben vom 17.7.2001 mit, dass eine Eintragung im Schuldnerverzeichnis zurzeit nicht vorliege.

Mit Verfügung vom 20.9.2001 forderte das FA den Kl wegen eines Rückstands von Abgaben in Höhe von 192.813,09 DM (Einkommen- und Umsatzsteuerschulden der Jahre 1989–1996 in Höhe von 99.709,09 DM und Säumniszuschläge in Höhe von 93.104 DM) gem. § 284 AO auf, am 29.10.2001 in den Räumen des FA zu erscheinen, ein Vermögensverzeichnis vorzulegen und zu Protokoll an Eides Statt die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben zu versichern.

Mit Schreiben vom 26.10.2001 legte der Kl gegen die Verfügung vom 20.9.2001 Einspruch ein und teilte mit, dass zurzeit bei der Staatsanwaltschaft … unter dem Aktenzeichen … ein Ermittlungsverfahren gegen ihn geführt werde, in dem ihm u. a. Steuerhinterziehung vorgeworfen werde. In dem Ermittlungsverfahren habe er bislang keine Erklärungen abgegeben. Die vom FA verlangten Angaben über seine Vermögensverhältnisse seien auch in dem Strafverfahren relevant. Die Aufforderung des FA, ein Vermögensverzeichnis vorzulegen und eine entsprechende eidesstattliche Versicherung abzugeben, unterlaufe sein Schweigerecht im Strafverfahren. Sie verstoße somit gegen die §§ 393 Abs. 1 Satz 2, 385 Abs. 1 AO i.V. mit § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO.

Aus einem Haftbefehl des Amtsgerichts … vom 9.7.2001 (Vollstreckungs-Akte Bl 230 ff), auf den Bezug genommen wird, ergibt sich, dass dem Kl neben 20 anderen Personen ein Vergehen der Bildung einer kriminellen Vereinigung (§ 129 Abs. 1 StGB) vorgeworfen wurde, die seit 1990 im Rotlicht-Milieu von 8 … Bordellen Straftaten (Förderung der Prostitution, dirigierende Zuhälterei und Steuerhinterziehung) begangen haben soll. Ferner ergibt sich daraus, dass die Fa. E.-GmbH die Buchführung von 4 der genannten Bordelle übernommen hatte.

Nach den Angaben des Kl (Telefonat mit dem FA am 24.10.2001) wurde er im Rahmen der Razzia am 12.7.2001 verhaftet und saß danach zwei Monate (12.7.–21.9.2001) in Untersuchungshaft. Bei der Fa. E. habe er nur ca. 15 Monate gegen ein monatliches Gehalt in Höhe von 1.600 DM gearbeitet.

Der Einspruch des Kl blieb ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung –EE– vom 22.4.2002). Zum Zeitpunkt des Ergehens der EE beliefen sich die Abgabenschulden des Kl auf 101.819,37 Euro (Computer-Abfrage des FA vom 17.4.2001).

Im Klageverfahren wird erneut auf das anhängige Ermittlungsverfahren hingewiesen. In diesem Verfahren werde dem Kl vorgeworfen, dass er diverse Bordellbetriebe kontrolliert, Einblick in deren Abrechnungen und die Verteilung der erzielten Gewinne gehabt und über den Verbleib der (eventuell hinterzogenen) Gelder Bescheid gewußt habe. Ob dies zu Gunsten Dritter oder auch zu seinem Vorteil geschehen sein soll, sei nach wie vor offen. Mittlerweile habe die 6. Strafkammer des Landgerichts … mit Beschluss vom 3.4.2002 (Aktenzeichen: …) den Haftbefehl für rechtswid...

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