Entscheidungsstichwort (Thema)
Leichtfertige Steuerverkürzung durch Auswanderer bei fortgesetztem Kindergeldbezug trotz Aufgabe des inländischen Wohnsitzes. Festsetzungsverjährung bei leichtfertiger Steuerverkürzung. monatliche Vollendung der Tat der leichtfertigen Verkürzung
Leitsatz (redaktionell)
1. Wird der Familienkasse zwar der Wegzug nach Spanien, aber nicht die drei Jahre später erfolgte Aufgabe des inländischen Wohnsitzes mitgeteilt, stellt der Verstoß gegen § 68 EStG eine leichtfertige Steuerverkürzung da.
2. Auch bei der konkludenten Bekanntgabe des Kindergeldbescheids gem. § 119 Abs. 2 S. 1 AO tritt entsprechend des im Kindergeldrecht geltenden Monatsprinzips nach § 66 Abs. 2 EStG der Tatbestand der Verkürzung nach Abschluss des jeweiligen Monats ein und auch die Tat i. S. d. § 78a StGB bzw. § 31 Abs. 3 OWiG ist mit jeder monatlichen Auszahlung beendet. Die Verjährung beginnt danach nicht erst mit der letzten Auszahlung des leichtfertig verkürzten Kindergelds, so dass die Ablaufhemmung des § 171 Abs. 7 AO nicht greift. Eine rechtliche Verklammerung der einzelnen leichtfertigen Taten ist nicht anzunehmen (entgegen Nr. 4.1 Sätze 4 und 5 DA-FamBuStra).
Normenkette
AO § 169 Abs. 2 S. 2, § 171 Abs. 7, § 370 Abs. 1, § 170 Abs. 2 Nr. 1, §§ 8, 119 Abs. 2 S. 1, § 377 Abs. 2, §§ 378, 384; StGB § 78 Abs. 3 Nr. 4, § 78a; EStG 2002 § 70 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, § 66 Abs. 2, § 62 Abs. 1, § 68; OWiG § 31 Abs. 3
Nachgehend
Tenor
1. Der Kindergeldaufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 19. Juli 2012 wird insoweit aufgehoben, als er den Zeitraum von Juni 2004 bis Dezember 2005 betrifft.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für den Kläger vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten des Klägers die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
Streitig ist, ob für den Zeitraum von Juni 2004 bis einschließlich Dezember 2005 die Verjährung eingetreten ist.
Mit Schreiben vom 19. und 26. Juli 2001 teilte der Kläger dem damaligen Arbeitsamt P – Familienkasse (Beklagte) mit, dass er nach Spanien ziehe, jedoch eine Wohnung in der A-Str. in M und damit seinen Wohnsitz in Deutschland beibehalte. Die Familienkasse verfügte daraufhin am 2. August 2001 die Weiterzahlung des Kindergeldes für die am 30. Dezember 1997 geborene Tochter des Klägers, L. Mieter der Wohnung war der Vater des Klägers. Aufgrund eines Datenabgleichs mit der Stadt M fand ausweislich eines Aktenvermerks vom 15. Februar 2011, auf den Bezug genommen wird, ein Telefongespräch zwischen der Familienkasse und dem Vater des Klägers statt. Dabei teilte er mit, dass dem Kläger in der angegebenen Wohnung kein Wohnraum zur Verfügung stehe und gab der Familienkasse die aktuelle Adresse in Spanien als Wohnort des Klägers an.
Die Familienkasse stellte daraufhin die Kindergeldzahlung mit Verfügung vom 16. Februar 2011 ab März 2011 ein, hob im weiteren Verlauf nach der Gewährung rechtlichen Gehörs die Kindergeldfestsetzung mit Bescheid vom 29. März 2011 ab August 2001 auf und forderte Kindergeld für die Zeit von August 2001 bis einschließlich Februar 2011 einschließlich des Kinderbonusses für 2009 i.H.v. insgesamt 18.270 EUR zurück.
Nachdem der Kläger im Rahmen einer Stellungnahme mit Schreiben vom 24. Oktober 2011 mitteilte, dass er den Bescheid vom 29. März 2011 nicht erhalten habe, gab die Familienkasse den Bescheid am 8. November 2011 erneut bekannt. Die dagegen beim Finanzgericht erhobene Klage unter dem Az. wurde mit Schreiben vom 17. Februar 2012 als Einspruch an die Familienkasse zurückgegeben, da die Voraussetzungen einer Sprungklage nicht gegeben waren. Die Familienkasse wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 13. März 2012 als unbegründet zurück.
Hiergegen richtet sich die Klage, mit der der Kläger zunächst begehrte, den Kindergeldaufhebungs- und Rückforderungsbescheid aufzuheben. Im Klageverfahren schränkte die Familienkasse den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 29. März 2011 unter dem Datum vom 19. Juli 2012 auf den Zeitraum Juni 2004 bis einschließlich Februar 2011 ein und reduzierte die Rückforderung auf 13.114 EUR, sodass die Klage für den Zeitraum von August 2001 bis Mai 2004 für erledigt erklärt wurde. Der Kostenbeschluss datiert vom 14. August 2012. Hinsichtlich des Zeitraums Januar 2006 bis einschließlich Februar 2011 nahm der Kläger die Klage mit Schreiben vom 23. September 2011 zurück. Das Verfahren wurde daraufhin mit Beschluss vom 24. September 2012 eingestellt. Der Kläger wendet sich nunmehr nur noch gegen die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung und die Rückforderung von Kindergeld für die Zeit von Juni 2004 bis einschließlich Dezember 2005. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, die Verjährungsfrist betrage in dieser Angelegenheit vier Jahre, da er nicht vorsätzlich ihm nicht zustehende Leistungen in Anspruch...