Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Nichtigkeit eines Schätzungsbescheids. Einkommensteuer 1998. Solidaritätszuschlag zur Einkommensteuer 1998
Leitsatz (redaktionell)
In Schätzungsfällen kann von einer Nichtigkeit des Steuerbescheids nur ausgegangen werden, wenn über eine unrichtige Rechtsanwendungen hinaus ein willkürliches, bewusst zum Nachteil des Steuerpflichtigen gereichendes Verhalten des Finanzamtes erkennbar ist. Selbst bei Vorliegen grober Schätzungsfehler ist der Bescheid noch nicht als nichtig zu beurteilen.
Normenkette
AO § 125 Abs. 1, § 162 Abs. 1
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob ein bestandskräftiger Steuerbescheid geändert werden kann.
Der Kläger (Kl) ist von Beruf Kellner. Daneben ist er auch Außendienstmitarbeiter der … … – Versicherung. Da er zunächst keine Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1998 abgab, schätzte der Beklagte (Finanzamt –FA–) die Besteuerungsgrundlagen (Einkünfte aus Gewerbebetrieb: 5.000 DM und Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit: 12.000 DM) und setzte die Einkommensteuer 1998 mit Bescheid vom 11.8.2001 auf 464 DM fest.
Im Rahmen des Einkommensteueränderungsbescheids 1998 vom 5.7.2001 hob das FA den bisher bestehenden Vorbehalt der Nachprüfung auf und schätzte die Besteuerungsgrundlagen erneut. Hierbei legte es Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 20.000 DM und Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 23.000 DM zugrunde. Die Einkommensteuer betrug danach 7.292 DM.
Gegen diesen Bescheid erhob der Kl mit Schreiben ohne Datum (eingegangen beim FA lt. Eingangsstempel am 20.8.2001) Einspruch. Mit Schreiben vom 21.8.2001 teilte das FA mit, dass der Einspruch verspätet eingegangen sei. Ferner wurde auf die Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 110 AO hingewiesen.
Daraufhin wurde vom Kl eine Steuerberatungsgesellschaft zur Wahrnehmung seiner Interessen eingeschaltet. Mit Schreiben vom 13.12.2001 übersandte diese die Einkommensteuererklärung für das Streitjahr. In dieser wurde ein Verlust aus Gewerbebetrieb (Außendienstmitarbeiter der …) in Höhe von 876 DM und Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 15.890 DM erklärt. Mit Schreiben vom 27.12.2001 teilte die steuerliche Vertreterin mit, dass die Schätzung vollkommen überzogen sei. Ein Wiedereinsetzungsantrag wurde nicht gestellt.
Der Einspruch blieb ohne Erfolg. In der Einspruchsentscheidung (–EE–) vom 8.1.2002 wurde der Einspruch wegen Fristüberschreitung als unzulässig verworfen.
Zudem beantragte der Kl mit Schreiben vom 13.12.2001 die Änderung des Einkommensteuerbescheids 1998 vom 5.7.2001 entsprechend der abgegebenen Steuererklärung. Dies wurde vom FA mit Bescheid vom 21.12.2001 abgelehnt. Auch der dagegen eingelegte Einspruch blieb ohne Erfolg (EE vom 16.4.2002).
Mit der Klage wendet sich der Kl gegen die EE vom 8.1.2002. Mit dieser wird weiterhin vorgetragen, dass es sich um eine überzogene Schätzung gehandelt habe. Die Schätzung trage deshalb den Charakter einer Strafsteuer. Der angefochtene Steuerbescheid sei somit als nichtig aufzuheben.
Mit Beschluss des Senats vom 4.12.2002 wurde der Rechtsstreit dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.
Der Kl beantragt,
den Einkommensteuerbescheid 1998 vom 5.7.2001 unter Aufhebung der EE in der Weise zu ändern, dass die Einkommensteuer entsprechend der abgegebenen Einkommensteuererklärung festgesetzt wird.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
II.
Die Klage ist unbegründet. Das FA hat den Einspruch des Kl zu Recht als unzulässig verworfen.
Unstreitig ist der Einspruch gegen den angefochtenen Einkommensteuerbescheid 1998 vom 5.7.2001 verspätet beim FA eingegangen. Da er nicht innerhalb eines Monats (vgl. § 355 Abs. 1 AO) seit Bekanntgabe des Bescheids – gem. § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO gilt der Bescheid am 8.7.2001 als bekanntgegeben – beim FA einging, durfte er nicht mehr als zulässig berücksichtigt werden.
Wiedereinsetzungsgründe sind weder vorgetragen noch sonst wie ersichtlich.
Entgegen der Ansicht des Kl ist der Einkommensteuerbescheid vom 5.7.2001 auch nicht als nichtig zu beurteilen. Eine Berücksichtigung der Nichtigkeit dieses Bescheids im Rahmen der Anfechtungsklage oder eine Feststellung der Nichtigkeit dieses Bescheids ist deshalb nicht möglich.
Ein Steuerbescheid ist nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist. (§ 125 Abs. 1 AO). Nichtigkeit kann nicht bereits deshalb angenommen werden, weil der Bescheid der gesetzlichen Grundlage entbehrt oder weil die in Frage kommenden Rechtsvorschriften unrichtig angewandt worden sind. Er verdient nur dann keine Beachtung und ist deshalb als nichtig zu beurteilen, wenn er die an eine ordnungsmäßige Verwaltung zustellenden Anforderungen in einem so erheblichen Maße verletzt, dass von niemand er...