Entscheidungsstichwort (Thema)
Feststellung des gemeinen Werts der Anteile zum 31.12.1988 und 31.12.1989
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
Tatbestand
I.
Streitig ist bei der Feststellung des gemeinen Werts der Anteile an einer GmbH, wie die Ertragsaussichten zu beurteilen sind.
Die Klägerin ist eine GmbH, die eine Werbeagentur betreibt. Am Stammkapital von 50.000 DM sind der Geschäftsführer Herr H. W. mit 40.000 DM sowie die beiden anderen Gesellschafter A. und G. W. zu je 5.000 DM beteiligt. Für seine Tätigkeit erhielt der Geschäftsführer eine Vergütung von jährlich 190.000 DM sowie eine Gewinntantieme von 30 v. H. des Gewinns vor Steuern.
Der Beklagte (das Finanzamt – FA–) stellte den gemeinen Wert der Anteile zum 31.12.1988 auf 1.484 DM bzw. zum 31.12.1989 auf 2.052 DM, jeweils je 100 DM des Stammkapitals, fest. Den gemeinen Wert schätzte das FA unter Anwendung des sog. Stuttgarter Verfahrens. Dabei ermittelte es den Ertragshundertsatz nach dem (um 30 v.H.) gekürzten Durchschnittsertrag der letzten drei Jahre vor dem jeweiligen Bewertungsstichtag.
Gegen die entsprechenden Bescheide vom 25.6.1990 bzw. vom 2.7.1991 wandte sich die Klägerin mit ihrem Einspruch, mit dem sie einen „wesentlichen Abschlag” vom Ertragshundertsatz begehrte. Zur Begründung verwies sie darauf, daß sie nur einen wesentlichen Großkunden habe. Die Vertragslauf zeit der Auftrage betrage jeweils nur ein halbes Jahr bis maximal ein Jahr. Dadurch sei eine Hochrechnung auf zukünftige Jahre nicht möglich. Gerade bei Werbeagenturen bestehe größtes Risiko für einen Kundenverlust.
Der Einspruch hatte keinen Erfolg (s. die Einspruchsentscheidung vom 19.6.1992). Zur Begründung führte das FA aus, das Risiko, den einzigen Großkunden zu verlieren, habe sich zum Feststellungszeitpunkt nicht hinreichend konkretisiert. Die Unsicherheiten, die die kurzen Vertragslaufzeiten und die Abhängigkeit von einem Großkunden mit sich brächten, würden bereits durch den Abschlag vom Durchschnittsertrag in Höhe von 30 v.H. berücksichtigt.
Mit der Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Ergänzend zu ihrem bisherigen Vorbringen trägt sie noch vor, als Beratungsunternehmen hänge der Erfolg ausschließlich vom Gesellschafter-Geschäftsführer Herrn H. W. und seinem „Geistpotential” ab. Es dürfte bei keiner Veräußerung einer Werbeagentur ein Verkaufserlös erzielt worden sein, der dem Ergebnis der Bewertung nach dem Stuttgarter Verfahren entspreche.
Die Klägerin beantragt,
bei der Bemessung des gemeinen Werts der Anteile den Ertragswert vollständig außer Ansatz zu lassen und damit den gemeinen Wert der Anteile entsprechend festzusetzen.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 15.7.1992 Bezug genommen.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Mit Beschluß vom 22.12.1993 hat der Senat die Gesellschafter der Klägerin zum Verfahren beigeladen.
Während des Klageverfahrens sind die Änderungsbescheide vom 6.12.1994 ergangen. Einen Hinweis auf § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) enthielt die beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung nicht. Mit Schriftsatz vom 15.3.1995 hat die Klägerin beantragt, die Änderungsbescheide zum Gegenstand des Verfahrens zu machen.
Am 17.2.1997 hat eine mündliche Verhandlung stattgefunden. Wegen der Ausführungen und der Anträge der Beteiligten wird auf die Niederschrift sowie den in der Sitzung übergebenen Schriftsatz der Klägerin vom 16.2.1997 verwiesen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Klage ist zulässig. Dazu gehen die Beteiligten zutreffend davon aus, daß die Klägerin den Antrag nach § 68 FGO rechtzeitig gestellt hat (BFH-Urteil vom 24.1.1995 IX R 22/94, BStBl II 1995, 328).
Die Klage ist aber nicht begründet.
Gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 des Bewertungsgesetzes (BewG) ist für die Bewertung nicht notierter GmbH-Anteile der gemeine Wert maßgebend. Läßt sich dieser – wie im Streitfall – nicht aus Verkäufen ableiten, so ist er unter Berücksichtigung des Vermögens und der Ertragsaussichten der Gesellschaft zu schätzen. Das FA hat den gemeinen Wert zutreffend nach den Grundsätzen des Stuttgarter Verfahrens ermittelt. Dieses in den Vermögensteuer-Richtlinien niedergelegte Verfahren wurde von der Finanzverwaltung entwickelt, um die Gleichmäßigkeit der Besteuerung durch Anwendung einfacher und für alle Unternehmen im wesentlichen gleicher Schätzungsmethoden zu gewährleisten. Die Rechtsprechung hat es stets als brauchbares und für die Einheitlichkeit der Bewertung geeignetes Verfahren anerkannt.
Bei der – hier allein streitigen – Berechnung des Ertragshundertsatzes ist das FA von dem voraussichtlichen künftigen Jahresertrag ausgegangen (Abschn. 78 Abs. 1 Satz 1 der Vermögensteuer-Richtlinien in der für die streitigen Stichtage anzuwendenden Fassung – VStR–). Zu Recht hat es der Schätzung des Jahresertrags den Durchschnittsertrag der drei vorangegangenen Jahre zugrunde gelegt. In Abschn. 78 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 VStR ist bestimmt, daß für die Schätzung des voraussichtlichen künftigen Jahresertrags der bisher tatsächlich erzielte...