Entscheidungsstichwort (Thema)

Bekanntgabe eines Bescheides an eine durch Verschmelzung erloschene Personengesellschaft

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Vollbeendigung der Personengesellschaft führt notwendig zum Wegfall der Vertretungsbefugnis ihrer geschäftsführenden Gesellschafter.

2. Bei einer Verschmelzung ist der Rechtsnachfolger mit Eintritt der Rechtsnachfolge Inhalts- und Bekanntgabeadressat des Bescheides über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen.

3. Zwar sind Steuerbescheide auch bezüglich der Bezeichnung des Inhaltsadressaten auslegungsfähig. Eine derartige Auslegung setzt jedoch voraus, dass die Bescheide objektiv (auch für außenstehende Dritte erkennbar) mehrdeutig und daher auslegungsbedürftig sind.

4. Ein Steuerbescheid ist wegen fehlender inhaltlicher Bestimmtheit nichtig, wenn er sich gegen eine Person oder eine Personenvereinigung als Inhaltsadressaten richtet, die offensichtlich nicht oder -insbesondere wegen Rechtsnachfolge – nicht mehr als Steuerschuldner in Betracht kommt.

 

Normenkette

AO § 124 Abs. 1, §§ 122, 125, 183; BGB § 133

 

Tenor

1. Es wird gegenüber dem Kläger zu 2) festgestellt, dass der geänderte Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für das Jahr 2013 vom 26. Januar 2018 betreffend die Firma … in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20. November 2018 nichtig ist. Gegenüber der Klägerin zu 1) wird die Klage abgewiesen.

2. Die Gerichtskosten tragen der Beklagte und die Klägerin zu 1) jeweils zur Hälfte. Von den außergerichtlichen Kosten tragen der Beklagte die des Klägers zu 2) vollumfänglich und die Klägerin zu 1) die des Beklagten zur Hälfte.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für den Kläger zu 2) vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten des Klägers zu 2) die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger zu 2) vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Nichtigkeit eines Feststellungsbescheides für das Jahr 2013 betreffend die Firma … GmbH & Co. KG (KG) mit Sitz in Y.

Komplementärin der KG war die Firma … Verwaltungs-GmbH. Einziger Kommanditist war Herr Z, der Kläger zu 2). Die KG erzielte Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Der Kläger zu 2) war seit Oktober 1999 als Empfangsbevollmächtigter im Feststellungsverfahren benannt worden. Der Kläger zu 2) war auch alleiniger einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Firma … Verwaltungs-GmbH.

Durch notariellen Einbringungs- und Abtretungsvertrag vom 27. Dezember 2016 übertrug der Kläger zu 2) seine Kommanditbeteiligung sowie seinen Geschäftsanteil an der Komplementär-GmbH auf die Firma O GmbH & Co. KG, die Klägerin zu 1), gegen die Gewährung von Gesellschaftsrechten. Nach dem Ausscheiden der Komplementärin übernahm die Firma O GmbH & Co. KG als einzige verbleibende Gesellschafterin das Vermögen der KG im Wege der Anwachsung mit allen Aktiven und Passiven ohne Liquidation zum 31. Dezember 2016. Die KG wurde Anfang Januar 2017 im Handelsregister gelöscht. Komplementärin der Klägerin zu 1) ist die Firma O Verwaltungs-GmbH mit Sitz in Y. Als Kommanditisten sind Herr Z, Frau A, Herr B und Herr C beteiligt.

Am 30. Januar 2017 ging der vom Kläger zu 2) übersandte notarielle Einbringungs- und Abtretungsvertrag beim Beklagten (das Finanzamt – FA –) ein. Am 17. Oktober 2017 stellte der Kläger zu 2) einen Antrag auf Ansatz des eingebrachten Betriebsvermögens mit dem Buchwert nach § 24 Abs. 2 Satz 2 des Umwandlungssteuergesetzes (UmwStG). Der Antrag wurde von ihm als Geschäftsführer der Firma O GmbH & Co. KG unterzeichnet.

Aufgrund einer Außenprüfung erging am 26. Januar 2018 für das Jahr 2013 ein geänderter Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen betreffend die Firma … GmbH & Co. KG, der an den Kläger zu 2) bekannt gegeben wurde. In diesem Bescheid wurde der Gewinn um eine aus einem Grundstücksverkauf gebildete Rücklage nach § 6b des Einkommensteuergesetzes (EStG) erhöht. Unterhalb des Adressfeldes wurde die Firma … GmbH & Co. KG genannt. Außerdem wurde festgehalten, dass der Bescheid an Herrn Z als Empfangsbevollmächtigten mit Wirkung für und gegen alle Feststellungsbeteiligten ergeht.

Dagegen legte der steuerliche Vertreter der KG im Namen der KG mit Schriftsatz vom 2. Februar 2018 Einspruch ein, der in der Einspruchsentscheidung vom 20. November 2018 als unbegründet zurückgewiesen wurde und dem steuerlichen Vertreter bekannt gegeben wurde. Eine dagegen namens und im Auftrag der KG zum Finanzgericht München erhobene Klage wurde durch Urteil vom 10. Oktober 2019 (Aktenzeichen 11 K 3049/18) als unzulässig verworfen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass es der KG nach der am 3. Januar 2017 erfolgten Löschung im Handelsregister an der Beteiligtenfähigkeit gefehlt habe; zudem sei sie auch nicht ordnungsgemäß vertreten worden, da die Vertretungsbefugnis der Komplementär-GmbH infolge ihres Ausscheidens aus der KG ...

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