Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzung für eine öffentliche Zustellung von Steuerbescheiden. Einkommensteuer 1993, 1994 und 1995
Leitsatz (redaktionell)
Eine öffentliche Zustellung i.S.v. § 15 VwZG erfordert vorherige Ermittlungen zum Aufenthaltsort des Steuerpflichtigen. Das Finanzamt hat seiner Ermittlungspflicht genügt, wenn ihm von der Meldebehörde mitgeteilt wird, dass sich der Steuerpflichtige ohne Angabe einer Adresse in das Ausland abgemeldet hat.
Normenkette
VwZG § 15
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Der Kläger wurde erstmals im Veranlagungszeitraum 1992 durch den Beklagten (Finanzamt -FA-) zur Einkommensteuer veranlagt. In seiner Einkommensteuererklärung für den Veranlagungszeitraum (VZ) 1992 erklärte der Kläger Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit sowie Einkünfte aus Gewerbebetrieb aus einer Tätigkeit als …-Vertreter. Die gewerbliche Tätigkeit des Klägers wurde bei der Stadt G am 01. August 1992 angemeldet. Zum 01. Juni 1993 meldete der Kläger bei der Stadt G die Erweiterung seiner gewerblichen Tätigkeit für „Bauvorhaben als Baubetreuer und Bauvorhaben als Bauherr” an. Nach Mitteilung des Einwohnermeldeamtes der Stadt G vom 07. März 1996 ist der Kläger am 15. Dezember 1995 mit unbekanntem Aufenthalt ins Ausland verzogen. Die zuletzt beim Einwohnermeldeamt gemeldete Adresse des Klägers befand sich in der …- Str. 7, G.
Für die VZ 1993 bis 1995 (Streitjahre) ist der Kläger seiner Pflicht zur Abgabe der Einkommensteuererklärungen – bis heute – nicht nachgekommen. Das FA ging aufgrund der ihm bekannten Sachverhaltsumstände davon aus, dass der Kläger bis zu seinem Wegzug ins Ausland am 15. Dezember 1995 steuerlich relevante Einkünfte erzielt hatte. Wegen Nichtabgabe der Steuererklärungen erließ das FA dementsprechend Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre, in denen die Besteuerungsgrundlagen gem. § 162 der Abgabenordnung (AO) geschätzt wurden.
Der Schätzungsbescheid für 1993 vom 01. August 1995 wurde dem Kläger unter seiner dem FA zuletzt bekannten Anschrift – …- Str. 7 in G – bekannt gegeben. Rechtsmittel gegen den gem. § 164 Abs. 1 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Bescheid hat der Kläger nicht eingelegt. Die jeweils unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gem. § 164 Abs. 1 AO stehenden Schätzungsbescheide für 1994 vom 05. Juli 1996 und für 1995 vom 10. Dezember 1996 wurden, da der Aufenthaltsort des Klägers im Zeitpunkt des Erlasses unbekannt war, gem. § 15 des Verwaltungszustellungsgesetzes (VwZG) durch öffentliche Bekanntmachung zugestellt. Hierfür wurde der Einkommensteuerbescheid 1994 an der Stelle, die von dem FA hierfür allgemein bestimmt war, am 09. Juli 1996 angeheftet und am 30. Juli 1996 abgenommen, sowie für 1995 am 11. Dezember 1996 angeheftet und am 03. Januar 1997 abgenommen.
In der Folgezeit hat das FA Änderungsbescheide für 1993 am 16. Juli 1996, für 1994 am 10. Dezember 1996 und für 1995 am 10. September 1997 erlassen, in denen der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben wurde; im Übrigen blieb die Steuerfestsetzung unverändert. Die Änderungsbescheide wurden durch öffentliche Bekanntmachung zugestellt; hierfür wurde der Änderungsbescheid für 1993 vom 16. Juli 1996 am 30. Juli 1996 an der vom FA hierfür allgemein bestimmten Stelle angeheftet und am 26. August 1996 abgenommen; der Änderungsbescheid für 1994 vom 10. Dezember 1996 wurde am 11. Dezember 1996 angeheftet und am 03. Januar 1997 abgenommen; der Änderungsbescheid für 1995 vom 10. September 1997 wurde am 03. September 1997 angeheftet und am 19. September 1997 abgenommen.
Mit Schreiben vom 18. September 2002 wandte sich der Prozessbevollmächtigte des Klägers an das FA mit der Bitte, ihm zur Überprüfung einer Kirchensteuerschuld die Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre zu übermitteln. Ferner teilte der Prozessbevollmächtigte mit, dass der Kläger, welcher derzeit beruflich im Ausland tätig sei, von ihm, dem Prozessbevollmächtigten, „ständig anwaltlich vertreten” werde. Ferner wurde eine ordnungsgemäße Bevollmächtigung durch den Kläger anwaltlich versichert. Daraufhin übermittelte das FA mit Schreiben vom 23. September 2002 dem Prozessbevollmächtigten des Klägers Kopien der Einkommensteuer(änderungs)bescheide vom 16. Juli 1996, 10. Dezember 1996 und 10. September 1997.
Mit Schriftsatz vom 25. November 2002, eingegangen per Telefax am 26. November 2002, legte der Prozessbevollmächtigte des Klägers „rein vorsorglich Rechtsmittel” gegen die streitgegenständlichen Einkommensteuerbescheide ein. Zur Begründung trug er u.a. vor, dass der Kläger im Streitjahr 1993 lohnabhängig beschäftigt gewesen sei; nach seinem Ausscheiden aus der Firma des Arbeitgebers habe der Kläger zusammen mit Herrn P die Firma B & P gegründet, welche dem Kläger für seine Tätigkeit pro Monat etwa 3.000 DM netto ausbezahlt habe. Die Firma B & P sei Mitte 1994 aufgelöst worden. Danach sei der Kläger erwerbslos gewesen und lediglich von seinem Bruder unterstützt worden.
Nachdem das FA e...