rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückforderung von nach Insolvenzeröffnung gezahltem Kindergeld
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Kindergeldanspruch des Insolvenzschuldners gehört zum insolvenzfreien Vermögen und fällt nicht in die Insolvenzmasse. Die Festsetzung hat auch während eines laufenden Insolvenzverfahrens gegenüber dem Insolvenzschuldner zu erfolgen.
2. Ein Rückforderungsanspruch wegen zu Unrecht ausgezahlten Kindergelds stellt keine Insolvenzforderung dar, wenn der Insolvenzschuldner das streitige Kindergeld für einen nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens liegenden Zeitraum bezogen hat.
3. Von einer Leistung des Kindergeldes in die Insolvenzmasse kann nur dann ausgegangen werden, wenn die Leistung der Familienkasse aufgrund einer an den Insolvenzverwalter adressierten Festsetzung erfolgt. Andernfalls erfolgt die Leistung in das insolvenzfreie Vermögen.
4. Ist der Rückforderungsanspruch weder Insolvenzforderung noch Masseverbindlichkeit, sondern gegen das insolvenzfreie Vermögen gerichtet, so ist der Rückforderungsbescheid an den Insolvenzschuldner und nicht an den Insolvenzverwalter zu richten.
5. Die Familienkasse ist nicht deshalb nach dem Grundsatz von Treu und Glauben an der Rückforderung von Kindergeld gehindert, weil sie nach dem Wegzug des Berechtigten in das Ausland – von dem die Familienkasse bis zum Erlass des Rückforderungsbescheids keine Kenntnis hatte – weiterhin auf ein Konto geleistet hat, über das der Berechtigte aufgrund der Eröffnung des Involvenzverfahrens nicht mehr verfügen konnte.
Normenkette
InsO § 36 Abs. 1, §§ 38, 87, 55 Abs. 1 Nrn. 1, 3; AO § 37 Abs. 2; EStG 2002 § 62 Abs. 1, § 76 S. 1
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte (die Familienkasse) berechtigt war, das in der Zeit eines laufenden Insolvenzverfahrens zu Unrecht ausgezahlte Kindergeld von der Klägerin zurückzufordern.
Die Klägerin bezog für ihre am … 1999 geborene Tochter … (N) Kindergeld ab November 1999. Gemäß ihrem Kindergeldantrag vom 22. April 2000, wurde das Kindergeld auf das auf ihren Namen lautende Konto … bei der Kreissparkasse X ausbezahlt.
Aufgrund eines Ende 2004 erfolgten Datenabgleichs mit der Meldebehörde wurde zunächst der Wohnsitzwechsel der Klägerin nach Y bekannt. Nachdem ein an die Klägerin gerichtetes Schreiben der dadurch zuständig gewordenen beklagten Familienkasse als unzustellbar zurückgekommen war, wurde der Familienkasse aufgrund der daraufhin angestellten Ermittlungen Anfang August 2005 bekannt, dass die Klägerin am 27. August 2004 von Y aus nach W (Österreich) verzogen war.
Mit Beschluss des Amtsgerichts M vom 1. Juni 2004 wurde über das Vermögen der Klägerin das Insolvenzverfahren eröffnet. Lt. Mitteilung des Insolvenzverwalters, …, wurde das Guthaben auf dem Konto bei der Kreissparkasse X in Höhe von … EUR am 27. März 2006 zur Masse gezogen.
Mit Bescheid vom 22. August 2006 hob die Familienkasse die Kindergeldfestsetzung für N ab September 2004 auf und forderte Kindergeld für den Zeitraum September 2004 bis einschließlich August 2005 in Höhe von 1.848 EUR zurück. Der hiergegen erhobene Einspruch hatte keinen Erfolg.
Mit der vorliegenden Klage wendet sich die Klägerin hiergegen. Zur Begründung verweist sie darauf, dass sie auf das Konto bei der Kreissparkasse X, auf das die Familienkasse das Kindergeld für den streitigen Zeitraum überwiesen habe, aufgrund ihrer Privatinsolvenz seit März 2004 keinen Zugriff mehr gehabt habe. Das Konto sei vom Insolvenzverwalter übernommen und das darauf eingegangene Kindergeld zur Rückzahlung ihrer Schulden gepfändet worden. Empfänger der Kindergeldleistungen sei daher nicht sie, sondern der Insolvenzverwalter gewesen. Dies habe sie der Familienkasse im Einspruchsschreiben auch mitgeteilt. Es wäre daher Sache der Familienkasse gewesen, den tatsächlichen Empfänger des unrechtmäßig ausgezahlten Kindergelds zu ermitteln und es von diesem zurückzufordern. Außerdem sei nicht nachvollziehbar, weshalb die Familienkasse trotz Kenntnis ihres Wegzugs aus Deutschland das Kindergeld weiterbezahlt habe. Des Weiteren sei der Insolvenzverwalter mit Schreiben des Rechtsanwalts … vom 13. April 2005 aufgefordert worden, das Konto freizugeben. Auf dieses Schreiben sei aber keine Reaktion von Seiten des Insolvenzverwalters erfolgt.
Die Klägerin beantragt (sinngemäß),
den Bescheid vom 22. August 2006 und die Einspruchsentscheidung vom 22. September 2006 aufzuheben.
Die Familienkasse beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist sie darauf, dass das Kindergeld auf das von der Klägerin bestimmte Konto überwiesen worden und mit Eingang des Geldes auf dem Konto Erfüllungswirkung eingetreten sei. Die Klägerin müsse daher als Empfängerin der Leistung gemäß § 37 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) das ohne Rechtsgrund gezahlte Kindergeld zurückerstatten.
Wegen des weiteren Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Einspruchse...