Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerfreiheit für innergemeinschaftliche Lieferungen aus Vertrauensschutzgründen
Leitsatz (redaktionell)
1. Maßgeblich für Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 S. 1 UStG ist die formelle Vollständigkeit, nicht aber auch die inhaltliche Richtigkeit der Beleg- und Buchangaben, da § 6a Abs. 4 S. 1 UStG das Vertrauen auf unrichtige Abnehmerangaben schützt.
2. Ein gutgläubiger Lieferant kann auf sein Recht auf Befreiung von der Umsatzsteuer vertrauen, wenn sich die Belegnachweise aufgrund eines vom Abnehmer begangenen Betrugs nachträglich als falsch herausstellen. Er kann allerdings nur dann einen Vertrauensschutz beanspruchen, wenn er zuvor alle ihm zur Verfügung stehenden zumutbaren und von ihm vernünftigerweise zu erwartenden Maßnahmen ergriffen hat, um sicherzustellen, dass der von ihm getätigte Umsatz nicht zu einer Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt.
3. Werden die Kfz von den Abholern nicht unmittelbar in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert, sondern nach Kenntnis des Unternehmers zunächst zu Sammelplätzen in Deutschland verbracht und anschließend mittels Sammeltransport in einen anderer Mitgliedstaat weiter transportiert, handelt es sich bei den Kfz-Lieferungen nicht um Beförderungs-, sondern um Versendungsfälle, mit der Folge, dass keine Verbringungsnachweise nach § 17a Abs. 2 Nr. 4 UStDV, sondern Belege nach § 17a Abs. 4 Nr. 2 i.V.m. § 10 Abs. 1 UStDV vorzulegen sind.
4. Wenn ein unbekannter Vermittler auftritt und es sich um Geschäfte über hochwertige Wirtschaftsgüter handelt, muss der Unternehmer bei der Anbahnung einer erstmaligen Geschäftsbeziehung zu einem Abnehmer, wenn der Kontakt zu diesem ausschließlich über ein Mobiltelefon und ein Telefaxgerät erfolgt, zumindest auch den Kontakt über dessen Geschäftssitz im Mitgliedstaat suchen, um mit der für eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung erforderlichen Sorgfalt zu handeln.
Normenkette
UStG § 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6a Abs. 1, 4 S. 1; UStDV 2005 § 10 Abs. 1, § 17a Abs. 1-2, 4, § 17c
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob es sich bei Kfz-Lieferungen der Klägerin um steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen handelt bzw. ob diese aus Vertrauensschutzgründen als steuerfrei anzusehen sind.
Die Klägerin erzielt steuerpflichtige Umsätze aus dem Handel mit Kfz. Sie ist unter anderem umsatzsteuerlicher Organträger der A-GmbH.
In den Streitjahren erklärte sie u.a. steuerfreie innergemeinschaftliche Kfz-Lieferungen der A-GmbH an die Firmen M (sechs Kfz in 2007) und C (ein Kfz in 2007 und zwei Kfz in 2008), jeweils Palma de Mallorca, sowie P, Tschechien (drei Kfz in 2008).
Die Gültigkeit der Umsatzsteueridentifikationsnummern (USt-IdNrn.) dieser Firmen hatte sie sich im Rahmen qualifizierter Bestätigungsanfragen bestätigen lassen. Außerdem hatte sie sich Handelsregisterauszüge dieser Firmen beschafft.
Die Kfz-Geschäfte wurden ausschließlich über einen Vermittler namens G abgewickelt. Ein unmittelbarer Kontakt mit den Geschäftsführern der Abnehmerfirmen (C: AA, M: IS, P: ZD) bestand nicht. Der gesamte Schriftverkehr der A-GmbH mit C, M und P wurde per Fax über die spanische Nummer 0034 … abgewickelt. Diese Faxnummer ist auf AP angemeldet und einem Anschluss in dessen Ferienimmobilie auf Mallorca und seiner Privatanschrift in R/Deutschland zuzuordnen. Sie ist auf allen Schriftstücken der Abnehmerfirmen aufgeführt (vgl. S. 9 der Feststellungen der Steuerfahndungsstelle).
Die Fahrzeuge wurden von verschiedenen Abholern (D, F, K und JD) bei der A-GmbH abgeholt. Sie hinterlegten dabei Ausweiskopien der Geschäftsführer sowie von diesen unterzeichnete Abholvollmachten. Die doppelt vorgelegten Empfangsbestätigungen und Verbringungsnachweise waren jeweils mit den Unterschriften sowohl der Geschäftsführer als auch der beauftragten Abholer unterzeichnet. In diesen war als Bestimmungsort jeweils Spanien bzw. Tschechien angegeben. In zwei Fällen liegen zwar Abholvollmachten für D vor, Empfangsbestätigung und Verbringungsnachweis sind aber jeweils nicht von D, sondern nur vom Geschäftsführer ZD unterschrieben.
Die Fahrzeugpapiere und -schlüssel sollen nach den Empfangs- und Übernahmebestätigungen den Abholern mitgegeben worden sein. Sie wurden aber an die Anschrift des Abholers D nach M/Deutschland oder an die Anschrift des AP alias G in R versendet.
Im Rahmen einer Steuerfahndungsprüfung bei der Fa. AP in R wurde festgestellt, dass es sich bei den Firmen C, M und P um sog. Scheinunternehmen handelte und die streitgegenständlichen Fahrzeuge nicht im Rahmen der erklärten innergemeinschaftlichen Lieferungen an die Firmen C, M und P ins europäische Ausland verbracht worden sind. Bei den auf den Papieren angebrachten Unterschriften von IS und ZD handelt es sich, mit einer Ausnahme, um gescannte oder aufgedruckte Signaturen. Diese wurden im Rahmen der Durchsuchung bei AP auf dessen EDV sichergestellt.
Di...