Entscheidungsstichwort (Thema)
Schuldzinsenabzug bei Spekulationsgeschäften. Einkommensteuer 1997
Leitsatz (redaktionell)
1. Erwirbt die Mutter in einem Zwangsversteigerungsverfahren das der Tochter gehörende Haus, lässt sie diese darin unentgeltlich weiter wohnen und verkauft sie die Immobilie innerhalb der Spekulationsfrist an die Tochter, so darf die Mutter bei der Ermittlung des Spekulationsgewinns die bei ihr infolge des Immobilienerwerbs angefallenen Finanzierungskosten als Werbungskosten abziehen.
2. Wurde ein Spekulationsobjekt vor der Veräußerung im Rahmen einer vorrangigen Einkunftsart (z.B. Vermietung und Verpachtung) genutzt, führen Aufwendungen in der Zeit zwischen der Anschaffung und der Veräußerung vorrangig zu Werbungskosten bei dieser Einkunftsart.
3. Ohne eine derartige Nutzung im Rahmen einer Einkunftsart wandeln sich –die zunächst steuerlich irrelevanten– Aufwendungen, die durch die Anschaffung eines Spekulationsobjekts veranlasst sind, nachträglich durch den Verkauf des Objekts innerhalb der Spekulationsfrist in Werbungskosten bei den Einkünften aus Spekulationsgeschäften um. Abweichend vom Zuflussprinzip wirkt sich die nachträgliche Umqualifikation erst in dem Jahr aus, in dem der Veräußerungspreis zufließt.
Normenkette
EStG 1997 § 23 Abs. 3 S. 1, § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 1, § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Buchst. a; EStG §§ 12, 11 Abs. 1, § 9 Abs. 1 S. 1
Nachgehend
Tenor
1. In Abänderung des Einkommensteuerbescheids 1997 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30.8.2001 wird die Einkommensteuer 1997 auf 93.026,49 Euro (entspricht 181.944 DM) herabgesetzt.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung abwenden durch Leistung einer Sicherheit in Höhe der Klägerin zu erstattenden Aufwendungen, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Klägerin (Klin) ist die Mutter von Frau A. Sie erwarb am 6.7.1995 in einem Zwangsversteigerungsverfahren das ihrer Tochter gehörende Anwesen … in München zum Preis von 3.230.000 DM. Der Schätzpreis hatte sich auf 5.500.000 DM belaufen. Die Klin finanzierte den Grundstückserwerb durch Kredite. An Finanzierungskosten entstanden ihr Aufwendungen von 300.057 DM. Die Familie der Tochter wohnte auch nach dem Grundstückserwerb durch die Klin unentgeltlich in dem Haus. Durch notarielle Urkunde vom 21.12.1995 bot sie das Haus ihrer Tochter zum Kauf an. Durch Vertrag vom 6.7.1996 veräußerte sie es an die Tochter, die zwischenzeitlich einen Käufer gefunden hatte, zum Preis von 3.600.000 DM. Ein Teilbetrag von 3.200.000 DM floss der Klin im Jahre 1996 zu, der Rest von 400.000 DM im Jahre 1997. Der Beklagte (das Finanzamt –FA–) beurteilte den Vorgang als Spekulationsgeschäft, das im Jahre 1996 steuerlich zu erfassen sei. Später kam das FA zu dem Ergebnis, im Hinblick auf den Zufluss des Restbetrages im Jahre 1997 seien die steuerlichen Konsequenzen in diesem Jahr zu ziehen. Es erließ unter dem Datum des 3.11.2000 einen nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung geänderten Einkommensteuerbescheid 1997, in dem ein Spekulationsgewinn von 324.797 DM angesetzt wurde. Hiergegen wandte sich die Klin mit Einspruch.
Ein beim Finanzgericht gestellter Antrag auf Aussetzung der Vollziehung hatte Erfolg (Beschluss vom 10.4.2001 6 V 5822/00).
Der Einspruch der Klin hatte nur zum Teil Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 30.8.2001).
Das FA berechnete nunmehr den Spekulationsgewinn wie folgt:
Veräußerungspreis |
|
3.600.000 DM |
Anschaffungskosten |
./. |
3.230.000 DM |
Anschaffungsnebenkosten |
./. |
54.111 DM |
Verkaufskosten |
./. |
21.038 DM |
Spekulationsgewinn |
|
294.851 DM |
|
|
|
Insbesondere die mit der Finanzierung des Kaufs zusammenhängenden Aufwendungen ließ das FA weiterhin unberücksichtigt. Es führte aus, grundsätzlich seien zwar Schuldzinsen für die Finanzierung eines Objektes, das Gegenstand eines Spekulationsgeschäftes sei, als Werbungskosten bei den sonstigen Einkünften abziehbar. Dies gelte jedoch nicht, wenn das Objekt im Rahmen einer vorrangigen Einkunftsart oder zu privaten Zwecken genutzt werde. Als eine solche Privatnutzung, die den Werbungskostenabzug ausschließe, sei die unentgeltliche Nutzungsüberlassung an die Tochter anzusehen. Im Hinblick auf das Verkaufsangebot bestünden erhebliche Zweifel, dass die Klin sich bemüht habe, einen anderweitigen Käufer zu finden. Aber auch dann, wenn von vornherein ein Verkauf des Objekts beabsichtigt gewesen wäre, schiede nach dem Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 8.12.1994 8 K 162/93 (EFG 1995, 621) ein Abzug der Finanzierungskosten aus, da auch eine Verkaufsabsicht eine Eigennutzung, zu der die Nutzungsüberlassung an die Tochter gehöre, nicht völlig in den Hintergrund treten lasse.
Zur Begründung der anschließend erhobenen Klage wird ...