Entscheidungsstichwort (Thema)
Lohnsteuerhaftung des Verfügungsberechtigten eines portugiesischen Bauunternehmers
Leitsatz (redaktionell)
Eine portugiesische Baufirma, die mit einem Büro eine inländische Betriebsstätte unterhält, ist unabhängig von der Dauer der jeweiligen Bauausführung verpflichtet, von den - überwiegend im Ausland - ausgezahlten Löhnen Lohnsteuer einzubehalten, anzumelden und abzuführen.
Der Verfügungsberechtigte des Unternehmens haftet für die nicht angemeldete und abgeführte Lohnsteuer.
Normenkette
EStG §§ 38, 41a; AO 1977 § 69; DBA PRT Art. 5 Abs. 1, Art. 15 Abs. 1-2, Art. 5 Abs. 3, 2
Tatbestand
Der Kläger war in den Jahren 1994 und 1995 für die ... Firma A in Deutschland tätig. Im Rahmen einer Steuerfahndungsprüfung bei drei im Inland tätigen portugiesischen Firmen, die Bauleistungen erbrachten, wurde festgestellt, dass diese trotz erheblicher Umsätze und Beschäftigung von überwiegend portugiesischen Bauarbeitern keine Steuererklärungen, insbesondere keine Lohnsteueranmeldungen abgegeben hatten.
Hinsichtlich der A traf die Steuerfahndung folgende Feststellungen:
Für verschiedene Auftraggeber seien im Zeitraum ... 1994 bis ... 1995 15 Bauvorhaben durchgeführt worden, deren Dauer zwischen drei und 13 Monaten betragen habe. Die Rechnungssumme habe sich auf insgesamt ... DM belaufen. Hinsichtlich der einzelnen Bauvorhaben wird auf Tz. 3.2.1 des Fahndungsberichts vom ... Bezug genommen.
Zur Abwicklung der Aufträge habe die A Büroräume in B angemietet. Bei der Durchsuchung der Räume seien wichtige Geschäftsunterlagen der A sichergestellt worden: ca. 80 Leitzordner mit Werkverträgen, Schriftverkehr mit den Auftraggebern, Umsatzberechnungen, Kostenaufstellungen, Aufzeichnungen über ausgezahlte Lohnvorschüsse, Mietverträge, Leasingverträge, Vertragsangebote, sonstiger Schriftverkehr von und an die A sowie ca. 350 Hängeordner zum Teil mit Arbeitsverträgen bzw. Sozialversicherungsunterlagen. Ferner hätten sich in den Räumen mehrere Schreibtische, Stühle, Aktenschränke, Telefone, ein Computer sowie Faxgerät und Kopierer befunden. Nach den Aussagen der Angestellten ... und aufgrund der weiteren Ermittlungen habe sich ergeben, dass in den Büroräumen seit ... 1994 verschiedene Tätigkeiten für die A ausgeübt worden seien. Auf Tz. 4.7.1 des Fahndungsberichtes wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen.
Die Steuerfahndung ging davon aus, dass durch dieses Büro eine Betriebsstätte sowohl i. S. d. § 12 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) als auch des Art. 5 des Doppelbesteuerungsabkommens (DBA) mit Portugal begründet worden sei. Die A sei daher verpflichtet gewesen als inländischer Arbeitgeber demgemäß Art. 15 DBA sowie §§ 38 Abs. 1 Nr. 1 und 41 a Einkommensteuergesetz (EStG) - unabhängig von der Dauer der jeweiligen Bauausführung - von den (größtenteils in Portugal) ausgezahlten und auf die inländischen Bauausführungen entfallenden Löhnen Lohnsteuer einzubehalten, anzumelden und abzuführen.
Mangels Unterlagen über Höhe und Empfänger der einzelnen Lohnzahlungen schätzte der Prüfer die Summe der Lohnzahlungen auf 60 % der Umsätze, da die A ihre Tätigkeit durch bloße Überlassung von Arbeitskräften ausgeübt habe. Ab Juli 1995 wurden jedoch nur 50 % der ermittelten Lohnsumme der Versteuerung unterworfen, da für diese Zeiträume die volle Auszahlung nicht nachgewiesen werden konnte. Es ergaben sich insgesamt Löhne in Höhe von ... DM für 1995 und ... DM für 1994. Da weder Lohnsteuerkarten noch Bescheinigungen nach § 39d EStG vorlagen, wurde ein Bruttosteuersatz von 19 % (Eingangssteuersatz Steuerklasse VI) zugrunde gelegt. Dies ergab Mehrsteuern in Höhe von ... DM (Lohnsteuer) und ... DM (Solidaritätszuschlag). Steuerfreie Auslösen wurden nicht berücksichtigt, da die A sämtliche Kosten übernommen habe. Auf Tz. 4.10 des Fahndungsberichtes wird ergänzend Bezug genommen.
Hinsichtlich der Verantwortlichkeit des Klägers für die Erfüllung der steuerlichen Verpflichtungen traf die Fahndung folgende Feststellungen:
Nach dem Dienstvertrag vom ... 1994, auf den Bezug genommen wird, sei der Kläger zum Geschäftsführer der A-Deutschland bestellt worden und für die Organisation des Baubüros in B für Personal, Verwaltung und Kostenkontrolle verantwortlich gewesen. Er habe zusammen mit einer weiteren Person Kontovollmacht gehabt und eine jährliche Tätigkeitsvergütung in Höhe von ... DM erhalten. Zwar sei der Vertrag nicht vom Kläger unterschrieben, doch sei er hinsichtlich der vereinbarten Tätigkeit und der Vergütung tatsächlich durchgeführt worden. Der Kläger habe folgende Tätigkeiten ausgeführt:
- Erstellung von Angeboten
- Vertragsverhandlungen mit Auftraggebern
- Abschluss von Werkverträgen
- Änderungen bzw. Nachträge zu Werkverträgen
- Anforderungen von Abschlagszahlungen
- Unterzeichnen von Rechnungen
- Verhandlungen bzgl. des Arbeitseinsatzes von Arbeitern sowie sonstige Verhandlungen bzgl. der Abwicklung der Werkverträge
- Lohnzahlungen
- Abschluss von sonstigen Verträgen
- Barabhebungen vom Konto A bei der ... Bank.
Die von der Fahndung befragten Auftraggeb...