Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufwendungen für Besuchsfahrten als außergewöhnliche Belastung. Einkommensteuer 2000
Leitsatz (amtlich)
Aufwendungen für Besuchsfahrten zu einem erkrankten Angehörigen können nur dann als außergewöhnliche Belastung abgezogen werden, wenn aus einem Attest des behandelnden Arztes hervorgeht, dass die Angehörigenbesuche zur Heilung oder Linderung der Krankheit entscheidend beitragen können.
Normenkette
EStG § 33 Abs. 1-2
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Die in A wohnhaften Kläger (Kl) sind Ehegatten und wurden für das Jahr 2000 (Streitjahr) gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt. In der Einkommensteuererklärung machten sie als außergewöhnliche Belastung u.a. Aufwendungen i. H. von 5.468 DM für elf Besuchsfahrten zu der pflegebedürftigen Mutter der Klägerin (Klin) geltend. Die an seniler Demenz (Alzheimer und Parkinsonsyndrom) erkrankte K. wohnt in einem Pflegeheim in B/Österreich. Auf Grund ihres Gesundheitszustandes bezieht sie seit dem 1.10.1998 ein Pflegegeld der Stufe 5 (mehr als 180 Stunden monatlicher Pflegeaufwand und außergewöhnliche Pflegeaufwand – dauernde Bereitschaft einer Pflegeperson).
Der Beklagte (das Finanzamt – FA –) lehnte eine steuerliche Berücksichtigung der Aufwendungen ab (Einkommensteuerbescheid 2002 vom 21.3.2001). Der hiergegen gerichtete Einspruch hatte keinen Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 7.5.2001).
Im anschließenden Klageverfahren legten die Kl ein fachärztliches Gutachten des Dr. S. (Facharzt für Psychiatrie und Neurologie, Arzt für Allgemeinmedizin, Psychotherapeut) vom 3.8.2001 vor. Hiernach hätten die pflegenden Schwestern berichtet, dass die Patientin bei Besuchen der Klin deutlich auflebe, körperliche Zeichen von Freude zeige und sogar einige Worte spreche. Der regelmäßige Kontakt zu den Töchtern, die sich auch abhängig von ihrem Wohnort unterschiedlich häufig, aber in liebevoll vorbildlicher Weise um ihre Mutter kümmerten, habe einen positiven (= verzögernden) Einfluss auf den Krankheitsverlauf von Frau K.
Zur Begründung der Klage wird im Wesentlichen vorgetragen: Besuchsfahrten seien nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) den unmittelbaren Krankheitskosten zuzurechnen, wenn die Aufwendungen ausschließlich zum Zwecke der Heilung oder Linderung einer Krankheit oder eines Leidens getätigt würden oder sie den Zweck verfolgten, die Krankheit oder das Leiden erträglich zu machen. Diese Voraussetzungen seien aufgrund des vorgelegten ärztlichen Zeugnisses zu bejahen. Durch die Besuche würden die Leiden der Mutter zumindest erträglicher gemacht. Es lägen daher unmittelbare Krankheitskosten vor. Das vom FA angeführte BFH-Urteil vom 22.10.1996 III R 265/94 (BStBl II 1997, 558) sei im Streitfall nicht einschlägig, dieser ähnele vielmehr dem Sachverhalt, der dem BFH-Urteil vom 6.4.1990 III R 60/88 (BStBl 1990, 958) zugrunde gelegen habe. Es sei eine sittliche Verpflichtung zu bejahen, weil eine Forderung oder Erwartung der Gesellschaft bestehe, auch die Leistungen für Angehörige zu erbringen, die nach dem genannten Urteil erforderlich gewesen seien.
Die Kl beantragen,
den Einkommensteuerbescheid 2000 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 7.5.2001 dahin abzuändern, dass die Einkommensteuer unter Anerkennung weiterer Aufwendungen in Höhe von 5.468 DM als außergewöhnliche Belastung herabgesetzt wird.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden (§ 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung – FGO –).
Entscheidungsgründe
II.
Die Klage ist unbegründet. Das FA hat es zu Recht abgelehnt, die geltend gemachten Aufwendungen für die Besuchsfahrten als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen.
Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes (außergewöhnliche Belastungen) so wird auf Antrag die Einkommensteuer dahingehend ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird (§ 33 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes – EStG –). Zwangsläufig sind die Aufwendungen, wenn sich der Steuerpflichtige ihnen aus tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann, die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 EStG).
Aufwendungen für Besuchsreisen zu Angehörigen gehören i.d.R. zu den typischen Aufwendungen der Lebensführung, die aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen und durch die allgemeinen Freibeträge abgegolten sind (z.B. BFH-Urteil vom 24.5.1991 III R 28/89, BFH/NV 1992, 96). Eine Ausnahme gilt zum einen dann, wenn die Aufwendungen als Krankheitskosten zu beurteilen sind (BFH-Urteil vom 2.3.1984 VI R 158/80, BStBl II 1984, 484), zum anderen, wenn ein Steuerpflichtiger Besuchsfahrten zu ei...