Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirksamkeit einer Klagerücknahme

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Nach § 72 Abs. 2 FGO hat die Rücknahme der Klage bei Klagen, deren Erhebung an eine Frist gebunden ist, den Verlust der Klage zur Folge. Wird die Klage zurückgenommen, so stellt das Gericht das Verfahren durch Beschluss ein.

2. Besteht nach dem Ergehen des Einstellungsbeschlusses darüber Streit, ob die Klage wirksam zurückgenommen worden ist, kann der Kläger die Fortsetzung des Verfahrens beantragen.

3. Stellt der Kläger den Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens, muss das FG über die Wirksamkeit der Rücknahme und gegebenenfalls über die Sache selbst entscheiden.

4. Stellt das FG fest, dass die Klage wirksam zurückgenommen wurde und verfolgt der Kläger sein ursprüngliches Klagebegehren weiter, ist die Klage mangels Rechtsschutzinteresses als unzulässig abzuweisen.

 

Normenkette

FGO § 72 Abs. 2, § 56 Abs. 3; BGB § 133

 

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass die Klage wirksam zurückgenommen ist.

2. Die Klage wird abgewiesen.

3. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob das Klageverfahren beendet ist.

I.

Der Kläger ist der Vater des behinderten Kindes [… BB geboren … 1983]. Mit Bescheid vom 5. September 2007 setzte die Beklagte (die Familienkasse) gegenüber dem Kläger für BB ab Januar 2005 Kindergeld fest. Aus diesem Kindergeldanspruch zweigte die Familienkasse ab Januar 2005 einen Betrag in Höhe von 154 EUR monatlich an BB ab. Die Abzweigung begründete die Familienkasse damit, dass der Kläger BB keinen Unterhalt gewähre. Außerdem führte die Familienkasse aus, dass sich für den Zeitraum von Januar 2005 bis August 2007 ein Nachzahlungsbetrag in Höhe von insgesamt 4.928 EUR ergebe und dieser vollständig auf BB entfalle. In einem weiteren – an BB adressierten – Bescheid vom 5. September 2007 stellte die Familienkasse gegenüber BB fest, dass ihr Anspruch auf den Nachzahlungsbetrag in Höhe von 4.928 EUR durch Tilgung des Erstattungsanspruchs der Agentur für Arbeit [… AFA] erfüllt sei. Der Erstattungsanspruch der AFA ergebe sich daraus, dass diese in dem Zeitraum Arbeitslosengeld II an sie bezahlt habe.

Mit Schreiben vom 25. September 2007 erhob der Kläger gegen den Bescheid vom 5. September 2007 Einspruch und beantragte die Auszahlung des Nachzahlungsbetrages in Höhe von 4.928 EUR an sich selbst. Zur Begründung führte er aus, dass er der rückwirkenden Abzweigung des Kindergeldes widerspreche. Die für die Zahlung des Arbeitslosengeldes II zuständige AFA habe keinen rückwirkenden Erstattungsanspruch.

Mit Einspruchsentscheidung vom 2. Oktober 2008 wies die Familienkasse den Einspruch als unbegründet zurück. Eine Zahlung des Kindergeldes für den Zeitraum von Januar 2005 bis August 2007 an den Kläger käme nicht in Betracht, da das Kindergeld an BB abgezweigt werde. Die Voraussetzungen für eine Abzweigung lägen vor, da der Kläger seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht nachkomme. Der Erstattungsanspruch der AFA gehe aber im Streitfall der Abzweigung vor. Die Erfüllung des Erstattungsanspruchs habe zum Erlöschen des Auszahlungsanspruchs geführt.

Mit der unter dem Aktenzeichen (Az.) 10 K 3487/08 registrierten Klageschrift vom 24. Oktober 2008 erhob der Kläger Klage gegen den Bescheid vom 5. September 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 2. Oktober 2008. Der Kläger wandte sich gegen die Abzweigung des Kindergeldes. Zur Begründung trug er vor, dass die AFA über einen so langen Zeitraum keinen rückwirkenden Erstattungsanspruch habe. Einer rückwirkenden Abzweigung von Kindergeld für den Zeitraum von Januar 2005 bis August 2007 hätten er und seine Tochter BB ausführlich widersprochen. Der Einspruch vom 25. September 2007 sei von ihm gemeinsam mit der Tochter BB erhoben worden. Der gesetzlichen Unterhaltspflicht gegenüber BB sei er stets nachgekommen.

Im Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage am 17. Februar 2010 wies der Verhandlungsleiter den Kläger darauf hin, dass nach der Klage vom 24. Oktober 2008 Streitgegenstand ausschließlich die Frage ist, ob der an den Kläger adressierte Abzweigungsbescheid vom 5. September 2007 rechtmäßig ist. Streitgegenstand ist nicht der Bescheid vom 18. September 2007 und auch nicht der Bescheid vom 5. September 2007 gegenüber BB. Auf den Hinweis des Verhandlungsleiters nahm der Kläger seine Klage zurück. Das Verfahren wurde in der Sitzung durch Beschluss eingestellt (wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen; […]).

Mit einer an BB adressierten Einspruchsentscheidung vom 9. März 2010 wies die Familienkasse deren Einspruch gegen den Bescheid vom 5. September 2007, mit dem ihr mitgeteilt wurde, dass der abgezweigte Kindergeldanspruch durch die Überweisung zur Erfüllung des Erstattungsanspruchs der AFA erloschen sei (Abrechnungsbescheid), als unbegründet zurück.

Mit Schreiben vom 22. November 2010 an das Finanzgericht (FG) trug der Kläger vor, dass sich der Verhandlungsleiter im Gerichtstermin am 17. Februar 2010 nicht mit der Abzweigung des Kinderg...

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