Entscheidungsstichwort (Thema)
Zu- und Abschläge zum bzw. vom Bodenrichtwert des Gutachterausschusses bei der Ermittlung des Mindestwerts für unbebaute Grundstücke im Rahmen der Bedarfsbewertung. Zum Bodenrichtwert §§ 138 Abs. 3, 145 Abs. 3 BewG
Leitsatz (redaktionell)
1. Bei der Ermittlung des Mindestwerts für ein unbebautes Grundstücks ist von dem vom zuständigen Gutachterausschuss festgesetzten Bodenrichtwert auszugehen; ein Abschlag wegen einer niedrigeren Bebaubarkeit kommt nicht in Betracht, wenn nicht ersichtlich ist, warum die im Bebauungsplan ausdrücklich bestimmte, mit den Richtwertangaben übereinstimmende Geschossflächenzahl nicht genehmigungsfähig sein sollte.
2. Im Bodenrichtwert nicht berücksichtigte Erschließungskosten sind werterhöhend zu berücksichtigen, allerdings nur, soweit sie bereits entstanden und geleistet worden sind (gegen R 161 Abs. 6 S. 5 ErbStR 2003).
3. Für im Bebauungsplan ausgewiesene, bisher zum Grundstück gehörende Verkehrsflächen ist ein angemessener Abschlag zu machen (hier: Ansatz der ausgewiesenen Straßenflächen mit 50 % des Richtwerts).
4. Mängel in der Infrastruktur führen zu keinem Abschlag, wenn sie für das gesamte Gebiet bereits in den Richtwerten des Gutachterausschusses berücksichtigt sind; auch die Nachbarschaft des Grundstücks zu einem Baudenkmal rechtfertigt keinen Abschlag und ist zudem bereits durch den pauschalen Abschlag von 20 % (§ 145 Abs. 3 S. 1 BewG) abgegolten.
5. Die in R 163 ErbStR 2003 aufgestellten Anforderungen an den Nachweis eines unter dem Mindestwert liegenden gemeinen Werts des unbebauten Grundstücks –Gutachten des örtlich zuständigen Gutachterausschusses oder eines Sachverständigen– sind sachgerecht. (hier: keine Berücksichtigung eines in sich nicht schlüssigen Gutachtens eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen).
Normenkette
BewG 1997 § 138 Abs. 3, § 145 Abs. 3 Sätze 1-2; BewG 1991 § 145 Abs. 3 S. 3; ErbStR 2003 R 161 Abs. 5, 6 S. 5; ErbStR 2003 R 163
Tenor
1. Der Bescheid über die Feststellung des Grundstückswerts vom 3.8.1998 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20.1.2000 wird dahingehend geändert, dass der Grundstückswert auf 503.000 DM und der Wert des vom Kläger erworbenen Hälfteanteils auf 251.500 DM herabgesetzt wird.
2. Von den Verfahrenskosten haben der Kläger 4/5 und der Beklagte 1/5 zu tragen.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für den Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten des Klägers die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob der Beklagte (Finanzamt = FA) zu Recht den sog. Bedarfswert für ein unbebautes Grundstück anhand des vom Gutachterausschuss ermittelten Richtwerts angesetzt hat oder ob aufgrund eines vom Kläger vorgelegten Gutachtens ein niedrigerer Verkehrswert nachgewiesen ist.
Durch Erbschaft erwarb der Kläger am 6.5.1997 einen ½-Miteigentumsanteil an dem unbebauten Grundstück FlNr. … in der Gemarkung A. Mit Bescheid vom 3.8.1998 hat das FA den Grundstückswert für das 905 qm große Grundstück anhand des Richtwertes von 700 DM zuzüglich eines Zuschlags von 50 DM für Erschließung auf 543.000 DM und den Anteil des Klägers auf 271.500 DM festgestellt. Laut der vorgelegten Richtwertkarte (Bl. 68 FG-Akte) geht der Richtwert für den Ortsteil H. von einer zulässigen Geschossflächenzahl von 0,5 aus. Dies entspricht der im rechtskräftigen Bebauungsplan festgesetzten Geschossflächenzahl (vgl. Bl. 71 ff. FG-Akte). Das im Bebauungsplan eingetragene sog. Baufenster ist ca. 300 qm groß, die Grundflächenzahl beträgt 0,3, zulässig ist ein Vollgeschoss. Im Bebauungsplan eingetragen ist ferner eine Stichstraße, für die zur Abrundung zwei kleine Grundstücksteilflächen (ca. 30 qm) von dem streitbefangenen Grundstück benötigt werden. Nach einer Auskunft der Stadt … vom 28.4.2003 (Bl. 71 FG-Akte) sind von den Erschließungskosten bisher nur die Kanalherstellungskosten mit Bescheid vom 16.7.1991 in Höhe von 6.697 DM geltend gemacht worden. Die Geschossflächenzahl von 0,5 entspreche dem Bebauungsplan.
Im Einspruchsverfahren legte der Kläger ein Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen vor (Bl. 10 FA-Akte, vgl. auch Bl. 45 ff FG-Akte), in dem dieser den Verkehrswert des streitbefangenen Grundstücks auf den 1.9.1997 mit 220.0000 DM ermittelt. Der Gutachter geht gleichfalls vom Richtwert in Höhe von 700 DM/qm aus. Hiervon werden jedoch folgende Abschläge gemacht:
fehlende Infrastruktur |
./. 200 DM |
geringe Ausnutzung |
./. 150 DM |
Denkmal in unmittelbarer Nähe |
./. 80 DM |
eingeschränkte Ver- und Entsorgung im öffentlichen Bereich |
./. 25 DM |
Bodenwert |
245 DM. |
In einem Schreiben vom 28.6.1999 (Bl. 15 und 38 FA-Akte) erläutert der Sachverständige die von ihm gemachten Abschläge wie folgt:
„1. Zu Punkt 2, Blatt 5, 1 des GA „Abschlag wegen geringer Ausnutzungsmöglichkeit” Die zulässige Nutzung laut Bebauungsplan beträgt 0,5.
Das eingetragene Baufeld lässt je...