Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsmäßigkeit des Familienlastenausgleichs in den Veranlagungszeiträumen von 1990 bis 1997. Einkommensteuer 1990–1997
Leitsatz (redaktionell)
1. Dass der Gesetzgeber durch den mit dem 1. Familienförderungsgesetz eingefügten § 53 EStG Unterhaltsleistungen für Kinder in den Jahren 1990 bis 1995 nicht durch Kinderfreibeträge in der Höhe des bürgerlich-rechtlichen Unterhaltsanspruchs der Kinder, sondern entsprechend den Vorgaben des BVerfG nur in Höhe des sozialhilferechtlichen Existenzminimums der Kinder von der Besteuerung freigestellt hat, ist verfassungskonform.
2. Die Höhe des Kinderfreibetrags für 1996 (6264 DM) ist nicht verfassungswidrig, obwohl er geringfügig unter dem von der Bundesregierung ermittelten sächlichen Existenzminimum eines Kindes im Jahr 1996 (6288 DM) liegt. Die Höhe des Kinderfreibetrags für 1997 (6912 DM) ist verfassungskonform. Der Gesetzgeber musste in den Jahren 1996 und 1997 noch keinen über das sächliche Existenzminimum hinausgehenden Betreuungs- und Erziehungsbedarf berücksichtigen.
Normenkette
EStG § 53 S. 1, § 32 Abs. 6; BGB § 1612; GG Art. 6 Abs. 1; BGB § 1610 Abs. 1, § 1612a; GG Art. 2 Abs. 1
Nachgehend
BFH (Rücknahme vom 20.09.2004; Aktenzeichen VIII B 279/03) |
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Angemessenheit der steuerlichen Berücksichtigung von Aufwendungen für den Unterhalt von Kindern.
I.
Die mittlerweile geschiedenen Kläger (Kl.) waren in den Streitjahren verheiratet und wurden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Sie haben drei gemeinsame Kinder, die am 1982, 1984 und 1987 geboren wurden. Die Einkommensteuerbescheide 1990 bis 1997 ergingen – teilweise unter Bezugnahme auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 12. Juni 1990 (1 BvL 72/86)– vorläufig hinsichtlich der Höhe der Kinderfreibeträge. Das zu versteuernde Einkommen betrug:
1990 |
1991 |
1992 |
1993 |
1994 |
1995 |
92.152 DM |
99.109 DM |
92.156 DM |
112.723 DM |
115.941 DM |
123.190 DM |
Mit Änderungsbescheiden vom 17. November 2000 erklärte der Beklagte (das Finanzamt – FA–) die Bescheide hinsichtlich der Höhe der Kinderfreibeträge für endgültig. Hiergegen erhoben die Kl. fristgerecht Einspruch mit der Begründung, dass alle Bescheide einen zu niedrigen Kinderfreibetrag zugrunde legten. Zur Begründung führten sie im Wesentlichen aus, dass Aufwendungen für den Kindesunterhalt als Minderung der steuerlichen Leistungsfähigkeit berücksichtigt werden müssten. Aus Art. 6 Abs. 1 Grundgesetz (GG) folge, dass Aufwendungen für Kinder und Aufwendungen für die private Bedürfnisbefriedigung – wie etwa Kraftfahrzeugkosten, Versicherungs- und Bausparbeiträge – nicht auf eine Stufe gestellt werden dürften. Eine Gleichbehandlung gegenüber Kinderlosen sei nur dann gewährleistet, wenn nicht nur das Existenzminimum der Kinder berücksichtigt werde, sondern die effektive Ausgabenbelastung beim Steuerpflichtigen zum Ansatz komme. Wenn nach bürgerlichem Recht eine über das Existenzminimum der Kinder hinausgehende Unterhaltspflicht bestehe, deren Einhaltung zudem strafbewehrt sei, könne das Steuerrecht solche Aufwendungen nicht als privat veranlasst unberücksichtigt lassen.
Ausgehend von den Ansätzen der Düsseldorfer Unterhaltstabelle zuzüglich 5 % für Sonderbedarf müssten nach Ansicht der Kl. folgende Beträge berücksichtigt werden:
Jahr |
1990 |
1991 |
1992 |
1993 |
1994 |
1995 |
1996 |
1997 |
Kinderunterhalt in DM |
23.378 |
23.499 |
24.728 |
26.639 |
28.959 |
29.232 |
33.810 |
33.957 |
./. Kinderuntergeld in DM |
3.120 |
3.120 |
3.360 |
3.360 |
3.360 |
3.360 |
8.400 |
8.880 |
Summe |
20.258 |
20.379 |
21.368 |
23.279 |
25.599 |
25.872 |
25.410 |
25.077 |
Das FA wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 12. Dezember 2000 unter Verweis darauf, dass die berücksichtigten Aufwendungen für Kindesunterhalt den Vorgaben des BVerfG (Beschlüsse vom 10. November 1998 2 BvL 42/93, BStBl II 1999, 174; 2 BvR 1852–53/97, BStBl II 1999, 194 und 2 BvR 1220/93, BStBl II 1999, 193) entsprächen, zurück.
Hiergegen erhoben die Kl. fristgerecht Klage. Ergänzend zu den Ausführungen im Einspruchsschreiben weisen sie darauf hin, dass die vom FA zitierten Entscheidungen des BVerfG sich nicht mit der Frage befassten, ob über das Existenzminimum hinaus Aufwendungen in Höhe der gesetzlichen Unterhaltspflicht als leistungsfähigkeitsmindernd berücksichtigt werden müssten. Die steuerliche Berücksichtigung der gesetzlichen Unterhaltspflicht bedeute nur deren Hinnahme, nicht dagegen einen Schutz bzw. eine Förderung der Familie.
Die Kl. beantragen sinngemäß,
die Einkommensteuerbescheide 1990–1997 vom 17. November 2000 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12. Dezember 2000 dahingehend abzuändern, dass für 1990 Kinderfreibeträge in Höhe von 20.258 DM, für 1991 in Höhe von 20.379 DM, für 1992 in Höhe von 21.368 DM, für 1993 in Höhe von 23.279 DM, für 1994 in Höhe von 25.599 DM, für 1995 in Höhe von 25.872 DM, für 1996 in Höhe von 25.410 DM und für 1997 in Höhe von 25.077 DM berücksichtigt werden.
Das FA beantragt
Kl...