Entscheidungsstichwort (Thema)
Abweichende Festsetzung aus Billigkeitsgründen. Billigkeitserlass. Rechtskraft
Leitsatz (redaktionell)
Die Rechtskraft einer Entscheidung über einen Erlass nach § 227 AO steht bei identischem Sachverhalt einer erneuten Entscheidung über eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen (§ 163 AO) entgegen.
Normenkette
AO §§ 163, 227, 155 Abs. 4; FGO § 110 Abs. 1 Nr. 1
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Streitig ist, ob ein Antrag auf Änderung eines Aufhebungsbescheids über Kindergeld zu Recht abgelehnt wurde.
I.
Der Kläger (Kl) bezog Kindergeld für folgende Kinder und Zeiträume:
- • Sohn H, geb. … Dezember 1980, Kindergeld von März 1997 – Mai 1997
- • Sohn S, geb. … November 1982, Kindergeld von März 1997 – März 2000
- • Sohn E, geb. … August 1989, Kindergeld von März 1997 – März 2000
Gegen Ende des Jahres 1999 forderte die Beklagte (die Familienkasse –FK–) den Kl mittels eines Fragebogens zu Angaben für die Überprüfung der Anspruchsvoraussetzungen auf. Nachdem der Kl diesen Fragebogen auch auf das Erinnerungsschreiben vom 14. Februar 2000 nicht übersandte, drohte die FK mit Schreiben vom 03. April 2000 die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung und die Rückforderung der ausgezahlten Beträge an und gab dem Kl erneut Gelegenheit zur Stellungnahme. Da der Kl auch hierauf nicht reagierte, hob die FK durch Bescheid vom 24. Mai 2000 die Kindergeldfestsetzung für alle drei Kinder ab März 1997 auf und forderte die Rückzahlung der ab März 1997 ausgezahlten Beträge in Höhe von 18.200 DM. Mangels eines in der Rechtsbehelfsfrist eingelegten Einspruchs wurde der Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid bestandskräftig.
Am 14. August 2000 ging ein ausgefüllter Fragebogen bei der FK ein. Diese gewährte daraufhin mit Bescheid vom 21. August 2000 ab September 2000 für die Kinder S und E erneut Kindergeld. Den ausgefüllten Fragebogen wertete die FK zugleich als Antrag auf Korrektur des Bescheids vom 24. Mai 2000, lehnte eine solche aber im Bescheid vom 21. August 2000 ab. Hiergegen wurde erneut kein Rechtsbehelf innerhalb der Einspruchsfrist eingelegt.
Nachdem zur Durchsetzung des Rückforderungsanspruches Vollstreckungsmaßnahmen eingeleitet wurden, beantragte der anwaltliche Vertreter des Kl mit Schreiben vom 19. August 2002 die Aufhebung des Rückforderungsbescheids, „ggf. im Gnadenwege”.
Mit Bescheid vom 22. August 2002 lehnte die FK eine Korrektur des Aufhebungsbescheids vom 24. Mai 2000 ab. Den hiergegen fristgerecht eingelegten Einspruch wies die FK mit Einspruchsentscheidung vom 11. März 2003 als unbegründet zurück. Mit Bescheid vom 30. Mai 2003 lehnte die FK auch einen Billigkeitserlass der Forderung nach § 227 Abgabenordnung (AO) ab. Nachdem der hiergegen gerichtete Einspruch durch Einspruchsentscheidung vom 19. Dezember 2003 als unbegründet zurückgewiesen wurde, erhob der Kl unter dem Aktenzeichen … Klage zum Finanzgericht Nürnberg. Zur Begründung verwies der Kl darauf, dass ihm das Kindergeld materiell-rechtlich zugestanden habe, er auf den Bestand der erfolgten Auszahlung vertrauen habe können und er derzeit zahlungsunfähig sei. Das Finanzgericht Nürnberg wies die Klage mit inzwischen rechtskräftigem Urteil vom … als unbegründet zurück.
Mit seiner am 04. April 2003 eingegangenen Klage macht der Kl im Wesentlichen geltend, dass die FK trotz nicht rechtzeitiger Übersendung des Fragebogens weiterhin Kindergeld gewährt habe, so dass der Kl vom Fortbestand der Kindergeldberechtigung ausgehen habe müssen. Zudem hätten die materiell-rechtlichen Voraussetzungen des Kindergeldbezugs für den Rückforderungszeitraum vorgelegen, da alle drei Kinder im fraglichen Zeitraum bei ihren Eltern gelebt hätten.
Der Kl beantragt,
die Bescheide vom 24. Mai 2000 und 22. August 2002 sowie die Einspruchsentscheidung vom 11. März 2003 aufzuheben.
hilfsweise
die Forderung auf Rückzahlung von Kindergeld in Höhe von 18.200 DM zu erlassen.
Die FK beantragt,
die Klage abzuweisen.
Insoweit verweist sie darauf, dass der Kl zuletzt im März 1997 einen Antragsvordruck ausgefüllt habe, so dass es der FK mangels Mitwirkung des Kl unmöglich gewesen sei, die Antragsvoraussetzungen zu überprüfen. Der Kl habe den Aufhebungsbescheid vom 24. Mai 2000 und den Festsetzungsbescheid vom 21. August 2000 bestandskräftig werden lassen, so dass eine Kindergeldfestsetzung erst ab September 2000 wieder möglich gewesen sei. Es sei auf grobes Verschulden des Kl zurückzuführen, dass Tatsachen und Beweismittel erst verspätet bekannt geworden seien.
Mit Beschluss vom 12. September 2005 hat der Senat die Gerichtsakte des Verfahrens beim Finanzgericht Nürnberg … zum Verfahren beigezogen.
Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet (Schreiben des Klägers vom 10. April 2003, Schreiben der FK vom 11. Juni 2003).
Entscheidungsgründe
II.
1. Die Klage gegen den Aufhebungsbescheid vom 24. Mai 2000 ist unbegründet, da dieser vor Klageeinreichung bereits bestandskräftig geworden ist. Der mit einer ordnungs...