Entscheidungsstichwort (Thema)
Zweitwohnungssteuer für zweite Wohnung am Arbeitsort gesondert als Werbungskosten im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung abziehbar
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine Zweitwohnungssteuer (hier: der Stadt München) für das Unterhalten einer Wohnung am Ort der ersten Tätigkeitsstätte (im Streitfall: München) im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung gehört nicht zu den „Unterkunftskosten” im Sinne von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 4 EStG und ist daher zusätzlich zu dem in der Vorschrift genannten Höchstbetrag von 1.000 EUR monatlich als Werbungskosten abziehbar (gegen BMF, Schreiben v. 24.10.2014, IV C 5 – S 2353/14/10002, BStBl 2014 I S. 1412).
2. Zu den Unterkunftskosten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 4 EStG gehören nicht die (gesamten) Kosten des Zweithaushalts, sondern nur die Kaltmiete zuzüglich der Betriebskosten. Nicht darunter fallen aber Aufwendungen, die mittelbar oder gelegentlich im Zusammenhang mit der Anmietung einer Wohnung am Ort der ersten Tätigkeitsstätte entstehen, etwa durch melderechtliche Vorschriften wie der Anmeldung eines Nebenwohnsitzes und damit verbunden der Festsetzung einer Zweitwohnungssteuer.
Normenkette
EStG 2018 § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 Sätze 4, 1, S. 1
Nachgehend
Tenor
1. Die Einkommensteuerbescheide für 2018 vom 20. Dezember 2019 und für 2019 vom 29. März 2021 jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10. September 2021 werden dahingehend geändert, dass die Einkommensteuer für 2018 auf 20.098,00 EUR und für 2019 auf 20.617,00 EUR festgesetzt werden.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Strittig ist, ob im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung die Zweitwohnungssteuer zu den Unterkunftskosten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 4 Einkommensteuergesetz (EStG) gehört.
Die ledige Klägerin erzielte in den Streitjahren Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als Beamtin bei der X-Behörde in München. Sie bewohnt im M-weg 15 in K. ein eigenes Haus und hat dort – zwischen den Beteiligten unstreitig – ihren Haupthausstand und Lebensmittelpunkt. Seit dem Jahr 2012 hat die Klägerin eine Wohnung in München angemietet. Bis zum 28. Februar 2019 bewohnte sie eine Zweizimmerwohnung in der L-str. 3 in München für eine monatliche Nettokaltmiete in Höhe von 830 EUR. Am 01. März 2019 bezog die Klägerin in der M-str. 11 in München eine Wohnung für eine monatliche Nettokaltmiete in Höhe von 1.120 EUR.
In der am 28. November 2019 für 2018 abgegebenen Einkommensteuererklärung machte die Klägerin bei den Werbungskosten aus nichtselbständiger Arbeit Aufwendungen für die Unterkunft am Ort der ersten Tätigkeitsstätte in Höhe von 12.480 EUR sowie eine Zweitwohnungssteuer der Landeshauptstadt München in Höhe von 896 EUR bei den sonstigen Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung geltend. In der am 10. Februar 2021 für 2019 abgegebenen Einkommensteuererklärung begehrte sie neben den Kosten für die Unterkunft am Ort der ersten Tätigkeitsstätte in Höhe von 15.880 EUR ebenfalls die Berücksichtigung einer Zweitwohnungssteuer in Höhe von 1.157 EUR im Rahmen der doppelten Haushaltsführung bei den sonstigen Aufwendungen. Der Beklagte (das Finanzamt) erkannte in den Einkommensteuerbescheiden für 2018 vom 20. Dezember 2019 bzw. 29. März 2021 für 2019 die Kosten der Unterkunft am Ort der ersten Tätigkeitsstätte in München jeweils mit dem gesetzlichen Höchstbetrag von 12.000 EUR an. Die Zweitwohnungssteuer bei den sonstigen Aufwendungen im Rahmen der doppelten Haushaltsführung berücksichtigte es nicht, da diese nach seiner Rechtsauffassung zu den Kosten der Unterkunft am Ort der ersten Tätigkeitsstätte gehören und diese Aufwendungen nur mit einem Höchstbetrag von 1.000 EUR monatlich berücksichtigungsfähig sind.
Gegen die Einkommensteuerbescheide legte die Klägerin mit Schreiben vom 14. Januar 2020 (2018) bzw. 12. April 2021 (2019) Einspruch ein und begehrte die Berücksichtigung der Zweitwohnungssteuer nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 1. Halbsatz EStG. Das Finanzamt wies die Einsprüche mit Einspruchsentscheidung vom 10. September 2021 unter anderem unter Verweis auf das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 24. Oktober 2014 IV C 5-S 2353/14/10002, BStBl I 2014, 1412 zurück, da die Zweitwohnungssteuer zu den Unterkunftskosten gehöre. Der in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 4 EStG genannte Höchstbetrag umfasse auch die Zweitwohnungssteuer.
Mit der dagegen eingereichten Klage macht die Klägerin geltend, die Aufwendungen für die Zweitwohnungssteuer seien nicht als Kosten für die Unterkunft zu qualifizieren. Sie unterfalle daher nicht der Beschränkung auf den monatlichen Höchstbetrag von 1.000 EU...