Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtmäßigkeit der Besteuerung von Biermischgetränken, die mit gezuckerter Limonade hergestellt werden. Biersteuer
Leitsatz (redaktionell)
1. Die durch die Besteuerung nach „Grad Plato” bedingte „mittelbare Besteuerung der Limonade” hat zur Folge, dass die Biersteuer für ein industriell unter Verwendung gezuckerter Limonade hergestelltes Biermischgetränk höher ist als die Besteuerung von Bier und dessen Mischung mit der Limonade durch den Gastwirt oder den Verbraucher selbst.
2. Diese Besteuerung industriell hergestellter Biermischgetränke verstößt nicht gegen die EWG-Richtlinie Nr. 92/83 (Struktur-RL). Das deutsche BierStG steht auch im Einklang mit der EWG-Richtlinie Nr. 92/84 (Steuersatz-RL). Beide Richtlinien widersprechen nicht Art. 93 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV), denn zur Erreichung der in den Artikeln 93 i.V.m. 14 EGV genannten Ziele ist nicht erforderlich, dass Biermischgetränke in allen Mitgliedstaaten nach dem gleichen Besteuerungssystem zum gleichen Steuersatz besteuert werden.
3. Der Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG gebietet es nicht, für unter Verwendung gezuckerter Limonade industriell hergestellte Biermischgetränke die gleiche Besteuerung vorzusehen wie für Biermischgetränke, bei deren Herstellung mit Süßstoff hergestellte Limonade verwendet wird. Die Anknüpfung der Biersteuer an den Stammwürzegehalt des Fertigerzeugnisses ist eine zulässige typisierende Regelung, die den Gesetzgeber davon entbindet, jeden Einzelfall darauf zu untersuchen, wie sich die Beschaffenheit des jeweils eingesetzten nichtalkoholischen Getränks auf die Besteuerung auswirkt.
Normenkette
BierStG § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, § 2 Abs. 1; EWGRL 83/92 Art. 2; EWGRL 84/92 Art. 2; EG Art. 93, 14; KN Pos. 2203; KN Pos. 2206; GG Art. 3 Abs. 1
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Streitig ist die Besteuerung von Biermischgetränken.
Die Klägerin stellt das Biermischgetränk „S-Radler” her, das der Position 2206 der Kombinierten Nomenklatur (KN) zuzuordnen ist. Hierzu verwendet sie 50 % Bier mit einem Stammwürzegehalt von ca. 13,2 Grad Plato und 50 % Limonade mit einem Zuckergehalt von ca. 7,5 %.
In den Streitjahren 1997 und 1998 gab die Klägerin in ihren Steuererklärungen hierfür den Stammwürzegehalt P 6 an. Probenuntersuchungen im Jahre 1999 ergaben jedoch einen Stammwürzegehalt P 10.
Das Hauptzollamt –HZA– Stuttgart – Zentralstelle Biersteuer – forderte deshalb für den Beklagten jeweils mit Änderungsbescheid vom 3. August 1999 unter Zugrundelegung des Regelsteuersatzes von 1,54 DM/hl von der Klägerin für das Jahr 1997 1.373,73 DM und für das Jahr 1998 3.466,01 DM Biersteuer nach.
Der dagegen eingelegte Einspruch wurde durch Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 19. Dezember 2001 als unbegründet zurückgewiesen.
Mit der dagegen erhobenen Klage bringt die Klägerin im Wesentlichen Folgendes vor:
Die streitgegenständlichen Steuerbescheide seien rechtswidrig, weil ihre Rechtsgrundlagen im deutschen Biersteuergesetz und im europäischen Verbrauchsteuerrecht gegen den Gleichheitssatz und gegen steuerliche Binnenmarktpostulate des EG-Vertrages verstießen. Bei der Besteuerung von Biermischgetränken nach Grad Plato werde auch der in der Limonade enthaltene Zucker besteuert, obwohl er in keinerlei Zusammenhang mit alkoholischen Gärungsprozessen stehe. Die große Ballingsche Formel sei nicht geeignet, nur die vergorene Stammwürze zu ermitteln. Darin liege eine Ungleichbehandlung von Zucker und Süßstoffen, die von der Ballingschen Formel nicht erfasst würden. Die Besteuerung nach Grad Plato sei deshalb, jedenfalls soweit sie Biermischungen erfasst, untauglich für eine Alkoholbesteuerung, wie sie sowohl nach der Alkoholstrukturrichtlinie als auch nach dem Biersteuergesetz bezweckt sei, denn nur die durch Gärung zu Alkohol entstandene Stammwürze dürfe der Alkoholbesteuerung zugrundegelegt werden. Anderenfalls entstehe eine nicht zu rechtfertigende Schieflage zu dem anderen Besteuerungssystem „Grad vorhandener Alkoholgehalt”. Sie sei auch willkürlich, weil von Gastwirten hergestellte Biermischungen steuerlich nicht, nicht genau, jedenfalls aber anders als industriell erzeugte Biermischgetränke versteuert würden.
Das deutsche Biersteuerrecht entspreche zwar der System- und der Strukturrichtlinie, die Alkoholstrukturrichtlinie widerspreche jedoch dem sich aus Art. 93 des EG-Vertrages ergebenden Ziel der Steuerharmonisierung, da den Mitgliedstaaten zwei Besteuerungssysteme zur Verfügung gestellt würden, die unterschiedlich funktionierten und nicht zu gleichen Ergebnissen führten. Darin sei auch ein Hindernis für den freien Warenverkehr zu sehen.
Die Klägerin beantragt,
die Biersteueränderungsbescheide vom 3. August 1999 Nr. 9909 und 9910 in Gestalt der Einspruchsentscheidung aufzuheben...