Entscheidungsstichwort (Thema)
Bekleidungs- und Perückenkosten eines Transsexuellen keine außergewöhnlichen Belastungen
Leitsatz (redaktionell)
1. Transsexualität ist eine einer Krankheit vergleichbare Disposition des Menschen, so dass dadurch veranlasste Aufwendungen bei den außergewöhnlichen Belastungen abgesetzt werden können, wenn es sich um unmittelbare Krankheitskosten handelt.
2. Aufwendungen des Transsexuellen für im Zuge der Geschlechtsumwandlung angeschaffte Bekleidung (weibliche Kleidung und Schuhe) sind dagegen nicht als außergewöhnliche Belastungen abziehbar. Auch die Aufwendungen für die Anschaffung von weiblichen Perücken können nur dann als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden, wenn das natürliche Haupthaar einen entstellenden Charakter hat und dies durch ein vorab erstelltes amts- oder vertrauensärztliches medizinisches Gutachten nachgewiesen wird.
Normenkette
EStG § 33 Abs. 1-2
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt bis zur Einschränkung des Klageantrags zu 17 % der Beklagte und zu 83 % die Klägerin. Die Kosten des Verfahrens nach Einschränkung des Klageantrags trägt die Klägerin.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
Streitig ist, ob Aufwendungen für Kleidung, Schuhe und Perücken wegen des Rollenwechsels einer Transsexuellen als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen sind.
I.
Die Klägerin (Klin) ist transsexuell. Zur Vorbereitung auf die Vornamensänderung und Geschlechtsumwandlung vom Mann zur Frau führte die Klin beginnend in der ersten Jahreshälfte 1998 im privaten und seit Anfang 1999 auch im beruflichen Bereich einen Alltagstest durch. Hierzu wandelte sie ihr äußeres Erscheinungsbild schrittweise zur Frau, um das Leben in der neuen Rolle zu erproben. Begleitend fand eine Hormontherapie statt. Bereits im Jahr 1998 erwarb die Klin im Rahmen des privaten Alltagstests eine Perücke und weibliche Kleidung. Im Streitjahr 1999 stimmte das Vormundschaftsgericht X mit Beschluss vom …November 1999 im Verfahren nach dem Transsexuellengesetz (TSG) der Änderung des Vornamens zu. Mit Beschluss vom … Februar 2000 stellte das Vormundschaftsgericht, nachdem die Klin eine operative Geschlechtsumwandlung nachgewiesen hatte, die Zugehörigkeit zum weiblichen Geschlecht fest. In ihrer Einkommensteuer(ESt)-Erklärung 1999 machte die Klin im Zusammenhang mit der Transsexualität und dem Alttagstest außergewöhnliche Belastungen in Höhe von insgesamt 31.134 DM (Arztkosten zzgl. Fahrtkosten, Bekleidung, Epilationsbehandlungen zzgl. Fahrtkosten, Perücken, Schuhe) geltend. Der Beklagte (das Finanzamt –FA–) berücksichtigte zunächst durch ESt-Bescheid vom 05. Juni 2000 nur Aufwendungen in Höhe von 6.292 DM (Arzt- und Fahrtkosten). Hiergegen erhob die Klin fristgerecht Einspruch. Mit Einspruchsentscheidung vom 07. Februar 2003 erkannte das FA weitere Aufwendungen an, berücksichtigte außergewöhnliche Belastungen in Höhe von insgesamt 12.991 DM (insbesondere nun auch Rechtsberatungskosten und einen Teil der nach Abzug der Erstattung durch die Krankenkasse verbleibenden Epilationskosten) und wies den Einspruch im Übrigen als unbegründet zurück. Die Steuer wurde auf 10.065,80 EUR festgesetzt.
Mit der hiergegen fristgerecht eingereichten Klage begehrt die Klin die Anerkennung bisher vom FA nicht als außergewöhnliche Belastungen eingestufter Aufwendungen für Bekleidung in Höhe von 7.598,10 DM, für 4 Perücken in Höhe von 4.110 DM und für Schuhe in Höhe von 3.405,35 DM. Zur Begründung verweist sie darauf, dass der Zwang im „falschen” Geschlecht zu leben nach dem TSG als Krankheit behandelt werden müsse. Die entsprechende, eine Geschlechtsumwandlung rechtfertigende Diagnose müsse durch mindestens zwei Ärzte getroffen werden, was hier nach den vorgelegten Gutachten geschehen sei. Durch den Alltagstest sei ein Totalverlust hinsichtlich der nicht mehr nutzbaren Herrenkleidung eingetreten. Das erfolgreiche Bestehen des sich über zwei Jahre erstreckenden Alltagstests sei Voraussetzung für den medizinischen Eingriff. Im Rahmen des TSG-Verfahrens hätten sowohl das psychiatrische Sachverständigengutachten vom … 1999 als auch das nervenärztliche Gutachten vom … 1999 die Annäherung des äußerlichen Erscheinungsbilds der Klin an das weibliche Geschlecht herausgestellt. Die Anschaffung weiblicher Perücken und Kleidung sei daher zwingend erforderlich. Nicht maßgeblich sei, dass die Klin für ihre Aufwendungen einen Gegenwert erhalten habe. Denn der Bundesfinanzhof –BFH–habe die Gegenwerttheorie mit Urteilen vom 23. Mai 2002 III R 52/99 BFHE 199, 287, BStBl II 2002, 592 und vom 09. August 2001 III R 6/01, BFHE 196, 492, BStBl II 2002, 240 au...