Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewerblicher Goldhandel einer General Partnership englischen Rechts. Progressionsvorbehalt. Betriebsstätte. Buchführungspflicht. freiwillige Buchführung
Leitsatz (redaktionell)
1. Wird kurzfristig in erheblichen Umfang Gold umgeschlagen, liegt ein gewerblicher Goldhandel vor.
2. Der Betriebsstättenbegriff des DBA-Großbritannien 1964/1970 knüpft vor allem an die feste Geschäftseinrichtung an und ist insoweit mit dem entsprechenden Begriff des § 12 Satz 1 AO identisch. Ist Personal zur Durchführung der Tätigkeit erforderlich, kann eine Betriebsstätte dort angenommen werden, wo diese Personen regelmäßig tätig werden, selbst wenn in der Betriebsstätte nur nebensächliche, unwesentliche oder Hilfstätigkeiten entfaltet werden.
3. Jedes gewerbliche Unternehmen hat – zumindest – eine, am Ort der Geschäftsleitung zu lokalisierende Betriebsstätte, welcher im Zweifel und bei Fehlen einer anderweitigen zusätzlichen Betriebsstätte der gesamte Unternehmensgewinn zuzurechnen ist. Geschäftsleitungsbetriebsstätte ist eine Einrichtung, an der sich der Geschäftsführer mit einer gewissen Regelmäßigkeit aufhält und der Maßnahmen der Geschäftsführung zuzuordnen sind, weil sie entweder dort getroffen werden oder weil der Geschäftsführer mit einer gewissen Regelmäßigkeit von dort aus agiert.
4. Eine Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG kann nur dann erfolgen, wenn diese Gewinnermittlungsmethode zulässig ist und bewusst gewählt wird. Ist nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens davon auszugehen, dass freiwillig Bücher geführt und nach ausländischem Recht Abschlüsse gemacht wurden, hat die Gewinnermittlung für Zwecke des Progressionsvorbehalts gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG durch Betriebsvermögensvergleich zu erfolgen.
5. Zumindest im Streitfall bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Anknüpfung an ausländische Jahresabschlüsse für die nationale Gewinnermittlung.
6. Eine Verpflichtung zum Bestandsvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG tritt automatisch ein, wenn ein Jahresabschluss erstellt wird und dieser objektiv erkennbar als endgültig angesehen werden soll. Auch ein allein aufgrund gesellschaftsvertraglicher Vereinbarungen erstellter Abschluss kann Tatbestandswirkung im Rahmen des § 4 Abs. 3 EStG entfalten. Eine steuerliche Intention muss der Erstellung des Jahresabschlusses nicht innewohnen, um das Wahlrecht zur Gewinnermittlung durch Überschussrechnung entfallen zu lassen.
Normenkette
AO § 180 Abs. 5 Nr. 1, Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Buchst. a, § 12; EStG § 4 Abs. 1, 3, § 32b; DBA-Großbritannien 1964/1970 Art. II Abs. 1 Buchst. l; DBA-Großbritannien 1964/1970 Art. III; DBA-Großbritannien 1964/1970 Art. XVIII Abs. 2 Buchst. a
Tenor
1. Unter Aufhebung des negativen Feststellungsbescheids vom 14. Dezember 2010 und der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 8. Mai 2012 wird das Finanzamt verpflichtet, negative und nach dem DBA Großbritannien unter Progressionsvorbehalt freizustellende Einkünfte in Höhe von 4.033 EUR gesondert und gegenüber den Klägern zu 1. bis 3. einheitlich festzustellen und diese Einkünfte mit einem Anteil von 98 % auf die Klägerin zu 1. sowie mit einem Anteil von jeweils 1% auf die Kläger zu 2. und 3. zu verteilen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des gesamten Verfahrens tragen die Kläger.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Das Verfahren befindet sich im 2. Rechtsgang.
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob und ggfls. in welcher Höhe negative, unter Progressionsvorbehalt freizustellende Einkünfte aus einem Goldhandel in Großbritannien für das Streitjahr 2007 gesondert und einheitlich festzustellen sind.
Im Streitjahr 2007 wurde im Dezember die mittlerweile beendete … (Partnership), eine Personengesellschaft englischen Rechts in der Rechtsform der General Partnership, von der (inländischen) … OHG (OHG; mittlerweile umgewandelt in die Klägerin zu 1.) mit einer Beteiligungsquote von 98 % sowie den im Inland wohnhaften Eheleuten … (RB; Kläger zu 2.) und … (AB; Klägerin zu 3.) mit einer Beteiligungsquote von jeweils 1 % gegründet. RB war alleiniger Geschäftsführer der Partnership. RB und AB waren auch die alleinigen Gesellschafter der OHG.
Das Geschäftsfeld (business) der Partnership sollte lt. Gesellschaftsvertrag (partnership agreement) im Bereich der Vermögensverwaltung (asset management) und Vermögensanlage (investment) u.a. in Rohstoffe (raw materials) liegen.
Lt. Nr. 5.1 des Gesellschaftsvertrags vom 11. Dezember 2007 war u.a. Folgendes vereinbart:
”The Partner shall procure that a profit and loss account is prepared for each Accounting Period and a balance sheet which shall not attribute any value to goodwill is prepared as at each Accounts Date so as to give a true and fair view of the Business for such period and as at such date in accordance with the Accounting Standards.”
Wegen der weiteren gesellschaftsvertraglichen Vereinbarungen wird auf den Gesellschaftsvertrag vom 11. Dezember 2007 Bezug genommen.
Noch im Streitjahr wurde von der Partnership ein Bürorau...