Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine AdV eines Rückforderungsbescheids von im Lastschriftverfahren gezahlten Lohnsteuern im Insolvenzverfahren
Leitsatz (redaktionell)
Ficht der Insolvenzverwalter die Abführung von Lohnsteuerbeträgen gem. § 130 Abs. 1 Nr. 2 InsO an und zahlt dieses dann die durch regelmäßiges Lastschriftverfahren abgebuchten Steuern zurück, kann es die Rückzahlung nach § 37 Abs. 2 AO wieder zurückfordern, wenn es die Insolvenz des Insolvenzschuldners im Zeitpunkt der Abbuchungen nicht kannte.
Normenkette
InsO § 130 Abs. 1 Nr. 2; AO § 37 Abs. 2
Nachgehend
Tatbestand
I.
Zu entscheiden ist, ob ein Rückforderungsbescheid von der Vollziehung auszusetzen ist.
Der Antragsteller (Ast.) wurde mit Beschluss des Amtsgerichts A vom 15.06.2010 – 21 IN /10 in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Q GmbH zum Insolvenzverwalter bestellt. Zuvor war er als sog. schwacher vorläufiger Insolvenzverwalter tätig (Beschluss vom 23.04.2010). Der Insolvenzantrag wurde am 16.04.2010 gestellt.
Mit Schreiben vom 03.05.2010 informierte der Ast. den Antragsgegner (Ag.) über die Einleitung des Insolvenzeröffnungsverfahrens und kündigte unter Hinweis darauf, dass von der GmbH in der Vergangenheit Zahlungen per Lastschrift im Einzugsermächtigungsverfahren geleistet worden seien, eine Insolvenzanfechtung an. Mit Schreiben vom 30.06.2010 wurde sodann unter Verweis auf § 130 Abs. 1 Nr. 2 InsO die Insolvenzanfechtung erklärt und der Ag. zur Rückzahlung von 22.342,84 EUR aufgefordert. Die angefochtenen Zahlungen betreffen u.a. die Lohnsteuer für Februar und März i.H.v. 9.559,94 EUR (einschließlich Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag). Gezahlt waren die Steuern von einem Bankkonto der GmbH.
Der Ag. überwies die o.g. Lohnsteuerbeträge auf das Insolvenzanderkonto.
Mit Schreiben vom 31.05.2011 kündigte der Ag. an, die von der Insolvenzanfechtung erfassten und bereits zurückgezahlten Lohnsteuerbeträge für Februar und März 2010 von insgesamt 9.559,94 EUR vom Ast. nach § 37 Abs. 2 AO zurückzufordern. Ein entsprechender Rückforderungsbescheid erging am 04.07.2011. Zur Begründung gab der Ag. an, dass die Anfechtungsvoraussetzungen nicht vorgelegen hätten und die Auszahlung auf das Insolvenzanderkonto deshalb ohne rechtlichen Grund erfolgt sei. Nach der Rechtsprechung des BGH (Verweis auf Urteil vom 20.07.2010 – XI ZR 236/07) könne in bestimmten Fällen – insbesondere bei Einzug von wiederkehrenden Steuervorauszahlungen – eine konkludente Genehmigung der Lastschrift durch den Kontoinhaber vorliegen. So verhalte es sich auch hier, da die eingereichte Einzugsermächtigung schon vor Jahren erteilt worden sei und Lohnsteuern immer fristgerecht zum jeweiligen Fälligkeitstermin im Lastschriftverfahren eingezogen worden seien, ohne dass ein Widerruf erfolgt sei. Die hier streitigen Lastschriften seien am 10.03.2010 und 12.04.2010 erfolgt und würden nach drei Bankarbeitstagen als konkludent genehmigt gelten. Da die Lohnsteuerforderungen des Finanzamts im Zahlungszeitpunkt fällig gewesen seien, liege eine kongruente Deckung vor. Anhaltspunkte dafür, dass das Finanzamt von der Zahlungsunfähigkeit des Insolvenzschuldners positiv Kenntnis gehabt habe, seien nicht gegeben, weshalb eine Anfechtung ausscheide.
Der Ast. legte hiergegen Einspruch ein und beantragte Aussetzung der Vollziehung. Der Aussetzungsantrag wurde mit Schreiben vom 12.07.2011 zurückgewiesen.
Der Ast. begehrt nunmehr Aussetzung der Vollziehung durch das Gericht. Er ist der Auffassung, dass die Voraussetzungen des § 37 Abs. 2 AO nicht vorlägen.
Die vom Ag. zitierte Rechtsprechung zur konkludenten Genehmigung stamme vom 11. Zivilsenat des BGH, der für Bankrecht zuständig sei. Der für das Insolvenzrecht zuständige 9. Zivilsenat habe dieser Auffassung zunächst ausdrücklich widersprochen, später ein gewisses Umschwenken signalisiert. Eine Rechtsprechung des 9. Zivilsenats darüber, dass bei einer Anfechtungsmaßnahme des Insolvenzverwalters gegen einen Gläubiger von einer konkludenten Genehmigung der Belastungsbuchung auszugehen sei, liege für die konkrete Fallkonstellation bisher aber nicht vor. Im Zeitpunkt der Insolvenzanfechtung habe folglich noch die bisherige Rechtsprechung des 9. Zivilsenats gegolten, wonach eine konkludente Genehmigung einer Belastungsbuchung nicht möglich sei, sondern diese vielmehr erst wirksam werde, wenn der Kontoinhaber nicht binnen sechs Wochen nach Zugang des Rechnungsabschlusses Widerspruch erhoben habe. Wegen dieser eindeutigen höchstrichterlichen Rechtsprechung im Zeitpunkt des Aussprechens der Anfechtungserklärung habe der Ag. den Anfechtungsbetrag von 9.559,94 EUR am 01.09.2010 auch vorbehaltlos an die Insolvenzmasse gezahlt.
Diese Zahlung sei folglich mit Rechtsgrund erfolgt. Dies ergebe sich schon daraus, dass einer Klage gegen den Ag. nach der damaligen höchstrichterlichen Rechtsprechung stattgegeben worden wäre. Auch führe eine zwischenzeitliche Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht...