Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit eines AdV-Antrags, im Inland beschäftigte Arbeitnehmer, Kabotagefahrten und grenzüberschreitende Beförderungen
Leitsatz (redaktionell)
1) Die nachträgliche Ablehnung des Aussetzungsantrags durch das FA führt nicht dazu, dass der Zulässigkeitsmangel eines bereits zuvor bei Gericht gestellten Aussetzungsantrags nachträglich geheilt wird.
2) Hat das FA zwar über einen Einspruch, ohne Angabe von Gründen aber nicht innerhalb angemessener Frist über den gleichzeitig gestellten Aussetzungsantrag entschieden, ist ein beim Finanzgericht gestellter Aussetzungsantrag regelmäßig als zulässig anzusehen.
3) Die Anordnung einer Prüfung i.S.d. § 15 Abs. 1 MiLoG i.V.m. § 2 SchwarzArbG ist ermessensgerecht, wenn sie der Kontrolle der Einhaltung der Vorschriften des MiLoG dient. Dies gilt nur dann nicht, wenn Anhaltspunkte für ein unverhältnismäßiges, sachwidriges oder willkürliches Verhalten der Finanzbehörde vorliegen.
4) Der Rechtmäßigkeit einer Prüfungsanordnung und der Verpflichtung, die in § 17 MiLoG bezeichneten Dokumente zu erstellen und bereitzuhalten, steht gemäß § 20 MiLoG der Umstand nicht entgegen, dass der Arbeitgeber seinen Sitz nicht im Inland hat.
5) Eine Prüfungsanordnung ist nach der gebotenen summarischen Prüfung rechtmäßig, wenn nicht auszuschließen ist, dass es sich bei dem von der Prüfungsverfügung betroffenen Arbeitnehmer um einen „im Inland beschäftigten Arbeitnehmer” i.S.d. § 20 MiLoG handelt. Dies gilt ungeachtet verfassungs- oder europarechtlicher Bedenken jedenfalls dann, wenn der betroffene Arbeitnehmer Kabotagefahrten und grenzüberschreitende Beförderungen durchgeführt hat.
Normenkette
FGO § 69 Abs. 4 Sätze 1, 2 Nr. 1; MiLoG § 15 S. 1, §§ 17, 20; SchwarzArbG § 2; FGO § 69 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1
Tatbestand
I.
Streitig ist in der Hauptsache, ob eine an die Antragstellerin gerichtete Prüfungsverfügung nach dem Mindestlohngesetz (MiLoG) rechtmäßig ist.
Die Antragstellerin, eine nach tschechischem Recht errichtete Kapitalgesellschaft, betreibt ein Speditionsunternehmen.
Am ….7.2018 überprüften Mitarbeiter des Antragsgegners im Rahmen einer Standkontrolle an der Autobahn A …, Parkplatz …, einen Lkw der Antragstellerin. Fahrer dieses Lkw war Herr X. Er gab gegenüber den Mitarbeitern des Antragsgegners an, dass er seit ca. zwei Jahren als Fahrer für die Antragstellerin arbeite und einen Monatsfestlohn von 1.500 € netto erhalte. Seine in einem schriftlichen Arbeitsvertrag vereinbarte und tatsächlich geleistete Arbeitszeit beliefe sich auf 8 bis 10 Stunden pro Tag. Überstunden würden nicht berücksichtigt. Zur Sozialversicherung machte Herr X anscheinend keine Angaben; die Krankenkasse wurde von ihm nicht benannt. Im Rahmen der Überprüfung wurden Tageskontrollblätter und Internationale Frachtbriefe eingesehen, die in Kopie vorliegen (Bl. 5-17 der Verwaltungsakte). Aus diesen Unterlagen ergibt sich, dass Herr X auch Fahrten zu Empfängern mit Sitz in Deutschland (A und B) durchgeführt hatte. Die Tätigkeit des Herrn X in Deutschland hatte die Antragstellerin zuvor ordnungsgemäß gem. § 16 Abs. 1 MiLoG am 5.6.2018 für den Zeitraum vom 1.6.2018 bis 31.12.2018 gemeldet (Bl. 18-22 der Verwaltungsakte). Ort der Beschäftigung war danach C in Tschechien. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die bezeichneten Unterlagen Bezug genommen.
Mit „Prüfungsverfügung” vom 18.7.2018, adressiert an die Antragstellerin, ordnete der Antragsgegner eine Prüfung nach §§ 2 ff. des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes (SchwarzArbG) an. In der Verfügung legte der Antragsgegner in abstrakter Form den Gegenstand der Prüfung fest, wobei die dortigen Ausführungen in weiten Teilen dem Wortlaut des § 2 Abs. 1 SchwarzArbG entsprechen. Weiterhin enthält die Verfügung abstrakte Ausführungen zur Datenerhebung und -verarbeitung sowie eine Rechtsbehelfsbelehrung. In einem zugehörigen Anschreiben vom selben Tag (ohne Rechtsbehelfsbelehrung) konkretisierte der Antragsgegner den Gegenstand der Prüfung dahingehend, dass das Beschäftigungsverhältnis des X für den Prüfungszeitraum 1.6. bis 10.7.2018 überprüft werden sollte. Zugleich bat der Antragsgegner um Vorlage folgender Unterlagen in deutscher Sprache: Nachweis der Krankenversicherung, Arbeitszeitnachweise, Lohnabrechnungen, Nachweise über erfolgte Lohnzahlungen und Nachweis über erbrachte Touren. In diesem Anschreiben wird weiterhin ausgeführt, dass sich die Mitwirkungspflicht der Antragstellerin aus § 5 SchwarzArbG in Verbindung mit § 17 Abs. 2 MiLoG ergebe. Wegen der weiteren Einzelheiten beider Verfügungen vom 18.7.2019 wird auf diese Bezug genommen.
Gegen die „Prüfungsverfügung vom 18.7.2018” legte die Antragstellerin Einspruch ein und beantragte zugleich die Aussetzung der Vollziehung. Nach ihrer Auffassung ist die Prüfungsverfügung rechtswidrig, da das MiLoG nicht auf die Transportunternehmen aus anderen EU-Ländern anwendbar sei.
Der Antragsgegner wies den Einspruch als unbegründet zurück, ließ den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung allerdings zunächst unb...