Entscheidungsstichwort (Thema)

Formwirksamkeit eines Antrags auf Veranlagung für vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erzielten Arbeitslohn des Insolvenzschuldners bei alleiniger Unterzeichnung der Einkommensteuererklärung durch den Insolvenzverwalter. - Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH: VI R 5/23)

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Im Erstattungsfall steht die Befugnis, eine Einkommensteuererklärung zu unterzeichnen, allein dem Insolvenzverwalter zu, da das Veranlagungsverfahren durch Erlass eines Erstattungsbescheids abgeschlossen werden wird und die sich ergebende Erstattungsforderung in vollem Umfang allein in den Verantwortungsbereich des Insolvenzverwalters bzw. in vollem Umfang in die Insolvenzmasse fällt. Eine Mitunterzeichnung der Steuererklärung durch den Insolvenzschuldner ist für einen formell wirksamen Antrag auf Veranlagung iSv § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG nicht notwendig.

2. Bei Bestellung eines neuen Insolvenzverwalters im Todesfall des bisherigen Verwalters übernimmt der neu bestellte Insolvenzverwalter das Insolvenzverfahren in dem Verfahrensstand zum Zeitpunkt des Todes seines Amtsvorgängers. Verfahrenshandlungen des verstorbenen Insolvenzverwalters bleiben auch über dessen Tod hinaus wirksam und sind dem neuen Verwalter wie eigene zuzurechnen.

 

Normenkette

EStG § 46 Abs. 2 Nr. 8; AO § 34 Abs. 1, 3; InsO § 35 Abs. 1; EStG § 25 Abs. 3

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Beklagte die Durchführung einer Einkommensteuerveranlagung des Insolvenzschuldners für das Jahr der Insolvenzeröffnung bei einer sich voraussichtlich ergebenden Lohnsteuererstattung zu Recht abgelehnt hat, da die Einkommensteuererklärung nur durch den einreichenden Insolvenzverwalter unterschrieben worden war.

Über das Vermögen des Insolvenzschuldners wurde mit Beschluss des Amtsgerichts C-Stadt vom xx.10.2019 wegen Zahlungsunfähigkeit das Insolvenzverfahren eröffnet und Rechtsanwalt O zum Insolvenzverwalter bestellt (Az. xx IK xx/19).

Der Insolvenzverwalter reichte am 17.07.2020 beim Beklagten für den einzeln zur Einkommensteuer zu veranlagenden Insolvenzschuldner eine Einkommensteuererklärung für den Veranlagungszeitraum 2019 ein. In Anlage N zur Einkommensteuererklärung 2019 wurde ein Bruttoarbeitslohn i.H.v. xxxx €, vorausgezahlte Lohnsteuer i. H. v. xxx € sowie Solidaritätszuschlag i.H.v. xx € erklärt. Das Arbeitseinkommen wurde vom Insolvenzschuldner in den Monaten Juli bis Dezember 2019 erzielt. Des Weiteren wurden mit Anlage Vorsorgeaufwendungen im Wesentlichen die Arbeitnehmeranteile zu den gesetzlichen Sozialabgaben erklärt. Im Begleitschreiben zur Einkommensteuererklärung teilte der Insolvenzverwalter mit, dass der Insolvenzschuldner ihm gegenüber keine Angaben dazu gemacht habe, wovon er seinen Lebensunterhalt vor Insolvenzeröffnung in der Zeit vom 05.02.2019 bis zum 07.07.2019 bestritten habe. Er regte an, etwaige ihm unbekannten Einkünfte von Amts wegen zu berücksichtigen. Die Einkommensteuererklärung war auf dem Mantelbogen allein vom Insolvenzverwalter unterschrieben worden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Einkommensteuererklärung 2019 verwiesen (Bl. 10 ff., 48 ff. der Gerichtsakte).

Mit als „Ablehnungsbescheid zur Einkommensteuer 2019” überschriebenem Bescheid vom 27.07.2020 (Bl. 20 f. der Gerichtsakte) teilte der Beklagte mit, dass die ausschließlich vom Insolvenzverwalter unterzeichnete Einkommensteuererklärung keine wirksame Steuererklärung sei und daher eine Nichtabgabe gleichstehe. Der Erklärungseingang sei daher gelöscht worden. Zur weiteren Begründung verwies der Beklagte darauf, dass stets auch die eigenhändige Unterschrift des Insolvenzschuldners erforderlich sei. Im vorliegenden Fall sei denkbar, dass im insolvenzfreien Bereich steuerlich relevante Sachverhalte verwirklicht worden seien, die sich bei der Ermittlung der einheitlichen Einkommensteuerschuld auswirken könnten. Insoweit sei eine Erklärung auch des Insolvenzschuldners notwendig. Der Beklagte nahm auf das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 28.08.2014 Az. 8 K 3677/13 E Bezug. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 27.07.2020 verwiesen (Bl. 20 und 21 der Gerichtsakte).

Mit dem dagegen gerichteten Einspruch (Bl. 22 f. der Gerichtsakte) machte der Insolvenzverwalter unter Verweis auf § 80 InsO geltend, dass die Einkommensteuererklärung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausschließlich durch ihn als allein Verwaltungs- und Verfügungsberechtigtem zu unterzeichnen sei.

Mit Einspruchsentscheidung vom 28.08.2020 (Bl. 24 ff. der Gerichtsakte) wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Er begründete dies damit, dass es einer einheitlichen Erklärung über das insolvenzbehaftete und insolvenzfreie Vermögen bedürfe, um eine einheitliche Veranlagung durchführen zu können. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 28.08.2020 (Bl. 24 bis 28 der Gerichtsakte) verwiesen.

Mit der dagegen gerichteten Klage verfolgt der vertretene Kläger sein auf ...

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