Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeldanspruch eines nicht freizügigkeitsberechtigten Ausländers

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Ein nicht freizügigkeitsberechtigter Ausländer hat nur für den Zeitraum Anspruch auf Kindergeld, für den er eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG besitzt. Während der Dauer eines solchen Aufenthaltstitels setzt der Kindergeldanspruch u.a. eine rechtmäßige Erwerbstätigkeit voraus.

2) Die Neufassung von § 62 Abs. 2 EStG sowie die zugehörige Anwendungsregelung in § 52 Abs. 61a S. 2 EStG sind verfassungsgemäß.

 

Normenkette

EStG § 62 Abs. 2 Nrn. 2c, 3; AufenthG § 25 Abs. 5; EStG § 52 Abs. 61a S. 2

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 21.10.2010; Aktenzeichen III R 4/09)

BFH (Urteil vom 21.10.2010; Aktenzeichen III R 4/09)

 

Tatbestand

Streitig ist der Kindergeldanspruch eines nicht freizügigkeitsberechtigten Ausländers für den Zeitraum Februar 2002 bis Oktober 2006.

Der Kläger (Kl.) ist ausländischer Staatsangehöriger. Er ist Vater der am 6.3.2000 geborenen Tochter T und des am 26.5.2002 geborenen Sohnes S. Nach seiner Einreise in die Bundesrepublik Deutschland im Jahr 2000 war er zunächst faktisch geduldet. Vom 16.7.2001 bis zum 15.7.2002 war er im Rahmen eines befristeten Arbeitsverhältnisses tätig. Seit dem 3.4.2006 besitzt er eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG). Am 1.11.2006 nahm er ein bis zum 30.6.2007 befristetes Arbeitsverhältnis auf.

Den Antrag des Kl. auf Gewährung von Kindergeld für seine Tochter T vom 11.10.2001 lehnte die Beklagte (Bekl.) durch Bescheid vom 25.1.2002 ab. Gegen diesen Bescheid wurde kein Einspruch eingelegt.

Am 19.5.2006 beantragte der Kl. erneut, nunmehr für beide Kinder, Kindergeld. Dieser Antrag wurde vom Bekl. am 23.5.2006 unter Verweis auf § 62 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung (a.F.) abgelehnt. Der hiergegen unter Bezugnahme auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 6.7.2004 (Az. 1 BvL 4/97) eingelegte Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 10.7.2006 zurückgewiesen. Zur Begründung führte die Bekl. aus, der Beschluss des BVerfG vom 6.7.2004 sei vorliegend nicht einschlägig.

Hiergegen hat der Kl. am 7.8.2006 Klage erhoben. Er ist der Ansicht, ihm stehe Kindergeld für seine beiden Kinder zu. Die durch Gesetz vom 13.12.2006 (BGBl. I 2006, 2915) eingeführte Neufassung des § 62 Abs. 2 EStG (n.F.) sei insoweit mit Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) unvereinbar, als sie geduldeten Ausländern mit langjährigem Aufenthalt einen Anspruch auf Kindergeld verweigere. Nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 6.7.2004 (Az. 1 BvL 4/97) sei nicht die tatsächliche Beschäftigung maßgeblich. Vielmehr sei die bloße Möglichkeit einer Erwerbstätigkeit ausreichend. Der Kl. bezieht sich im Übrigen auf die Gründe der Vorlagebeschlüsse des Finanzgerichts Köln vom 9.5.2007 (Az. 10 K 1689/07 / 10 K 1690/07).

Die Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 15.3.2007 (Az. III R 93/03), vom 22.11.2007 (Az. III R 54/02) und vom 21.2.2008 (Az. III R 79/03) stünden dieser Auffassung nicht entgegen, da die Kläger in diesen Verfahren nicht erwerbstätig gewesen seien. Über geduldete Ausländer mit langjährigem Aufenthalt und langjährigen Beschäftigungsverhältnissen habe der BFH bisher keine Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit der Neuregelung getroffen.

Die Bekl. hat durch Bescheid vom 27.8.2007 von November 2006 bis Juni 2007 Kindergeld für beide Kinder des Kl. gewährt.

Nachdem der Kl. die Klage hinsichtlich des von der bestandskräftig gewordenen Ablehnung vom 25.1.2002 erfassten Zeitraums nicht mehr weiter verfolgt, beantragt er nunmehr,

die Bekl. unter Aufhebung des Bescheids vom 23.5.2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11.7.2006 zu verpflichten, dem Kl. Kindergeld in gesetzlicher Höhe für das Kind T ab Februar 2002 sowie für das Kind S ab Juni 2002 jeweils bis einschließlich Oktober 2006 zu gewähren,

hilfsweise für den Unterliegensfall,

die Revision zuzulassen.

Die Bekl. beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise für den Unterliegensfall,

die Revision zuzulassen.

Sie ist der Ansicht, die Neuregelung des § 62 Abs. 2 EStG sei verfassungsgemäß.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Ablehnungsbescheid vom 23.5.2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11.7.2006 ist nicht rechtswidrig und verletzt den Kl. nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO). Ihm steht kein Kindergeld für den streitigen Zeitraum zu.

Für den Zeitraum ab Februar 2002 hat der Kl. nach § 62 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. Nr. 2 c) EStG n.F. keinen Anspruch auf Kindergeld. Nach dieser Vorschrift erhält ein nicht freizügigkeitsberechtigter Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG besitzt, nur dann Kindergeld, wenn er sich seit mindestens drei Jahren rechtmäßig, gestattet oder geduldet im Bundesgebiet aufhält und im Bundesgebiet berechtigt erwerbstätig ist, laufende Geldzahlungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (...

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