Entscheidungsstichwort (Thema)
Verlustausgleichsverbot nach § 15b EStG - Anlaufverluste, Darlegungs- und Beweislast, Anscheinsbeweis
Leitsatz (redaktionell)
1) Typische Anlaufverluste in der Existenzgründungsphase fallen nicht unter das Verlustausgleichsverbot des § 15b EStG.
2) Die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen des § 15b EStG trägt das Finanzamt.
3) Es besteht kein Anscheinsbeweis dahingehend, dass bei Gründung einer Vielzahl gleichartiger Gesellschaften mit nur einem oder wenigen Kommanditisten nach der allgemeinen Lebenserfahrung davon auszugehen ist, dass die Investition zur Erlangung steuerlicher Vorteile getätigt worden ist.
Normenkette
EStG § 15b Abs. 1
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Frage, ob die Verluste der Klägerin (Klin.) dem Verlustausgleichsverbot nach § 15b Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) unterliegen.
Die Klin. wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 13.11.2006 gegründet. Einziger Kommanditist ist seit der Gründung der Beigeladene (Beigel.) mit einem Kommanditanteil in Höhe von 135.000,– EUR. Die ursprüngliche Komplementärin, die J Geschäftsführungs-GmbH (im Folgenden: GmbH), war nicht am Kapital der Klin. beteiligt. Der GmbH oblag gemäß § 4 Abs. 1 des Gesellschafsvertrages (im Folgenden: GV) die Geschäftsführung der Klin. Der Zustimmung der Gesellschafterversammlung bedurfte es nach § 4 Abs. 2 GV nur für Rechtshandlungen, die über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb hinausgehen, darunter Investitionen, die den Betrag von 25.000,– EUR pro Wirtschaftsgut übersteigen (§ 4 Abs. 2 Buchst. g) GV). Gegenstand des Unternehmens der Klin. ist laut § 2 Abs. 1 GV der Handel, die Vermietung und das Leasing von beweglichen und unbeweglichen Wirtschaftsgütern. Die GmbH erhielt für Vorlaufkosten gemäß Investitionsplan eine einmalige Zahlung in Höhe von 15.000,– EUR, eine jährliche Haftungsvergütung von 4.000,– EUR sowie Ersatz ihrer Aufwendungen (§ 9 Abs. 2 GV). Nach § 15 GV ist die GmbH zuständig für die Aufnahme neuer Gesellschafter. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den GV Bezug genommen.
Der Gesellschaftsgründung lag ein „Konzeptionspapier zur Gründung einer Leasinggesellschaft” zugrunde, das seitens der Initiatoren der Komplementärin für J-Rendite-Leasinggesellschaften herausgegeben worden war. Das Konzeptpapier enthält Investitions- und Finanzierungsplanungen sowie eine Ertragsplanung, die bei einer Investition in Höhe von 320.000,– EUR in einem Zeitraum von acht Jahren (Jahre 1 bis 8 bzw. 2007 bis 2014) zu einem Gesamtüberschuss in Höhe von 71.038,– EUR führt. Bereits ab dem Investitionsjahr (Jahr 1) sollen danach positive Jahresergebnisse erzielt werden. Die Berechnung enthält die Ergebnisse vor Steuern. Steuerliche Hinweise enthält das Konzeptpapier nicht. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das in den Steuerakten (Vertragsakte) befindliche Konzeptpapier Bezug genommen. Aufgrund dieses Konzeptpapiers wurden neben der Klin. auch weitere Kommanditgesellschaften gegründet.
Die Klin. reichte am 24.8.2007 eine Feststellungserklärung und am 6.9.2007 eine berichtigte Feststellungserklärung für das Streitjahr 2006 ein. In der berichtigten Erklärung gab sie einen Verlust aus Gewerbebetrieb in Höhe von 115.284,25 EUR an, wobei ein Gewinnanteil in Höhe von 20.000,– EUR auf die GmbH und ein Verlustanteil in Höhe von 135.284,25 EUR auf den (Beigel.) entfallen sollte.
Der Beklagte (Bekl.) erließ am 3.4.2008 einen Bescheid für 2006 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen, den er mit einem Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung des verrechenbaren Verlustes nach § 15b Abs. 4 EStG auf den 31.12.2006 verband. Die Einkünfte der Klin. aus Gewerbebetrieb stellte er mit -1.284,25 EUR fest. Dabei versagte er die Anerkennung der Ansparrücklage nach § 7g Abs. 3 EStG in Höhe von 114.000,– EUR, die die Klin. in ihrer Gewinnermittlung gebildet hatte. Die Einkünfte wurden in Höhe von +20.000,– EUR der GmbH und in Höhe von -21.284,25 EUR dem Beigel. zugerechnet. In gleicher Höhe wurde ein verrechenbarer Verlust nach § 15b EStG festgestellt, da es sich bei der Klin. um ein Steuerstundungsmodell i. S. v. § 15b Abs. 2 Satz 1 EStG handele.
Gegen beide Bescheide legte die Klin. am 10.4.2008 Einsprüche ein. Im Hinblick auf die Feststellung nach § 15b Abs. 4 EStG vertrat sie die Ansicht, dass sie kein Steuerstundungsmodell betreibe, da der Beigel. die Geschäftsführung maßgeblich beeinflusse, während die Funktion der GmbH im Wesentlichen auf die formelle Verwaltung begrenzt sei. Eine modellhafte Gestaltung liege nicht vor, weil keine Zusatz- und Nebenleistungen angeboten würden, die zu sofort abziehbarem Aufwand führten. Die Erzielung steuerlicher Vorteile in Form von negativen Einkünften sei nicht Gegenstand des Konzepts. Überdies sei die Vorschrift des § 15b EStG offenkundig verfassungswidrig, da sie gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes, ...