Entscheidungsstichwort (Thema)
Behinderungsbedingte Einrichtungen als außergewöhnliche Belastungen
Leitsatz (redaktionell)
Nachträglicher Einbau eines Behindertenfahrstuhls kann eine außergewöhnliche Belastung darstellen, da Aufwendung ohne Gegenwert getätigt wird (gegen BFH v. 6.2.1997 - III R 72/96, BStBl. II 1997, 607).
Normenkette
EStG § 33 Abs. 2, 1
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob der Beklagte (das Finanzamt – FA –) es zu Recht abgelehnt hat, Aufwendungen für die nachträgliche Errichtung eines Außenaufzuges bei der Einkommensteuer (ESt)-Veranlagung 1999 als außergewöhnliche Belastungen gemäß § 33 Abs. 1 EStG anzuerkennen.
Die Kläger (Kl.) werden zusammen zur ESt veranlagt. Der Kl. erzielte bis einschließlich 1999 als Augenarzt selbständige Einkünfte gemäß § 18 des Einkommensteuergesetzes (EStG) EStG.
Im Januar 1999 erlitt er im Alter von 57 Jahren einen Gehirnschlag. Dieser löste bei ihm den Grad einer 100 %-igen Schwerbehinderung aus. Seiner Erwerbsätigkeit konnte der Kl. seit diesem Zeitpunkt nicht mehr nachgehen. Deshalb wurde ihm seit dem 01.04.1999 eine Berufsunfähigkeitsrente von der Ärzteversorgung Westfalen-Lippe geleistet. Die Augenarztpraxis wurde zum 1. Juli 1999 veräußert.
Das bisher bewohnte Einfamilienhaus am D-Weg 7 in C war nicht behindertengerecht ausgestattet und aufgeteilt. Die anstehenden Umbaumaßnahmen gestalteten sich dahingehend als problematisch, als dass der Architekt L ausweislich des Schriftstückes vom 05.09.2001 feststellte, dass ein behindertengerechter Umbau des Erdgeschosses und der Treppe aus bautechnischer Sicht nicht möglich sei. Deshalb wurde durch den Einbau eines hausexternen, wetterfesten Fahrstuhls eine Zugangsmöglichkeit zum ersten behindertengerecht ausgestatteten Obergeschoss geschaffen. Der wetterfeste Zugang zum Fahrstuhl konnte lediglich durch einen integrierten Vorbau (Wintergarten) erreicht werden. Wegen der Einzelheiten wird auf das Schriftstück des Architekten L vom 05.09.2001 Bezug genommen.
Die Einhaltung der gebotenen Grundstücksgrenzen hinsichtlich der Grundstückbebauung war durch diese Baumaßnahme nicht möglich. Die Eigentümer des Nachbargrundstücks erteilten die Zustimmung zur weiteren Bebauung und duldeten die Verletzung des nachbarschaftlichen Grenzbebauungsgebots nicht ohne Vorbehalt. Diese Duldung war in einer gesonderten Vereinbarung vom 19.09.1999 an die Bedingung eines Rückbaus der Fahrstuhlanlage geknüpft. Die Bedingung war dahingehend konkretisiert, dass der Rückbau im Zeitpunkt der fehlenden Erforderlichkeit für den Kl. erfolgen musste. Die von den Kl. übernommenen Verpflichtungen zur vollständigen Beseitigung des Aufzugsanbaus und zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes sollten entfallen, sobald die Nachbar-Eheleute bzw. deren Erben das Nachbargrundstück an familienfremde Dritte rechtsgeschäftlich veräußern würden. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der schriftlichen Vereinbarung vom 19.09.1999 verwiesen.
Für die Erstellung des Außenaufzuges und des Wintergartens entstanden im Streitjahr 1999 und im Jahr 2000 insgesamt Aufwendungen in Höhe von 244.183,05 DM. Davon entfielen 168.398,38 DM auf den Außenaufzug und 75.784,67 DM auf den Wintergarten (vgl. dazu das Schreiben des Architekten L vom 05.09.2001).
Laut einer Aufstellung des Kl. waren im Streitjahr 1999 für die Erstellung des Außenaufzuges 99.762,80 DM und für die Errichtung des Wintergartens 40.818 DM angefallen. Die restlichen o. a. Aufwendungen waren im Jahr 2000 entstanden. In der ESt-Erklärung 1999 machten die Kl. neben Krankheitskosten von 33.381 DM und pauschalen Kfz-Kosten für eine gehbehinderte Person in Höhe von 1.560 DM weitere Kosten für die Umbaumaßnahmen in Höhe von insgesamt 134.579 DM, und zwar 99.762,80 DM für die Erstellung des Außenaufzuges und 34.817 DM anteilige Aufwendungen für die Errichtung des Wintergartens als außergewöhnliche Belastungen geltend.
Das FA berücksichtigte in dem ESt-Bescheid 1999 vom 06.08.2001 lediglich außergewöhnliche Belastungen in Höhe von 34.941 DM, nicht jedoch die geltend gemachten Aufwendungen für die Umbaumaßnahmen.
Es führte zur Erläuterung aus:
„Die außergewöhnlichen Belastungen wurden bzgl. der Fahrstuhlanlage nicht anerkannt, da der Fahrstuhl einen entsprechenden Gegenwert darstellt. In diesem Zusammenhang wird auf das BFH-Urteil vom 10.10.1996 BStBl II 1997, 491 verwiesen sowie auf die ESTR 186 bis 189. Die Vereinbarung mit den Nachbarn stellt eine aufschiebende Bedingung dar, deren Erfüllungszeitpunkt unbestimmt ist. Der Gegenwert greift zum maßgeblichen Zeitpunkt (1999) daher weiterhin.”
Mit dem hiergegen eingelegten Einspruch vom 06.09.2001 wandten sich die Kl. gegen die Nichtanerkennung der Aufwendungen für den Anbau des Fahrstuhls sowie der Aufwendungen, die teilweise im Zusammenhang stehen würden mit der Errichtung eines Wintergartens, soweit sie sich auf Maßnahmen beziehen würden, die unausweichlich erf...