Entscheidungsstichwort (Thema)
Besteuerung von Einkünften mit Kapitalanlagecharakter aus ausländischer Betriebsstätte nach § 20 AStG
Leitsatz (redaktionell)
1) §§ 7 ff. AStG i.d.F. des Missbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetzes v. 21.12.1993 verstoßen nicht gegen die Niederlassungsfreiheit i.S. des Art. 43 EGV.
2) Aus der EuGH-Entscheidung "Avoir Fiscal" ergibt sich nicht, dass die Niederlassungsfreiheit generell auch ausländische Betriebsstätten umfasst.
3) Im Rahmen der Besteuerung unter Anrechnung nach § 20 Abs. 2 AStG sind auch Zwischeneinkünfte mit Konzernfinanzierungscharakter i.S. des § 10 Abs. 6 Satz 3 AStG 1993 zu erfassen.
4) Diese Rechtsfolge verstößt weder gegen Gemeinschaftsrecht, noch gegen Abkommensrecht in Form des Art. 23 Abs. 1 Nr. 1 DBA Belgien.
5) § 20 Abs. 2 AStG ist verfassungsgemäß.
Normenkette
AStG § 20 Abs. 3, §§ 7 ff, 10 Abs. 6 S. 3; DBA Belgien Art. 23 Abs. 1 Nr. 1; GG Art. 20 Abs. 3, Art. 25, 3; AStG § 20 Abs. 2
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist die Rechtmäßigkeit der gesonderten und einheitlichen Gewinnfeststellung für 1996 sowie der Festsetzung des Einheitswertes des Betriebsvermögens auf den 01.01.1996 gemäß § 20 Abs. 2 und Abs. 3 des Außensteuergesetzes (AStG) in der Fassung des Missbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetzes vom 21.12.1993 (BGBl 1993 I, S. 2310).
Die Klägerin (Klin.) wurde am 28.04.1989 laut Art. 1 des Gesellschaftsvertrages in Form einer Kommanditgesellschaft unter der Firma „E B.V.B.A. & Co Comm.V.” gegründet und als „Commanditaire Vennootschap” (nachfolgend Comm.V.) ins Handelsregister B eingetragen und 1991 in „D B.V.B.A. & Co Comm.V.” umbenannt. Beteiligte der laut Art. 5 des Gesellschaftsvertrages mit einem Kapital von 3 Milliarden 150 Millionen Belgische Franken ausgestatteten Klin. waren in 1996 als Komplementärin die in B ansässige I B.V.B.A. mit einem Kapitalanteil von 0 % und als Kommanditisten die im Inland ansässige J KG mit einem Anteil von 20 % sowie jeweils mit einem Anteil von 10 % Frau E, Frau T, Herr BP, Herr DP, Herr SP, Herr CP, Herr EP und Frau KP. Laut Art. 3 des Gesellschaftsvertrages ist Geschäftszweck der Klin. die Koordination der Aktivitäten der P-Gruppe und umfasst die Zentralisierung der finanziellen Transaktionen und die Finanzierung der Liquidität der Tochtergesellschaften oder der Zweigniederlassungen, die Zentralisierung und Koordination der Buchführung sowie von Verwaltungsaufgaben und der elektronischen Datenverarbeitung, das Sammeln und Verteilen der Informationen, den Kontakt mit nationalen und internationalen Organisationen und die Zentralisierung sowie Koordination der Werbe- und Marketingaktivitäten. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Gesellschaftsvertrag verwiesen. Ab Gründung unterhielt die Klin. in B Geschäftsräume von rund 200 qm, in denen 1996 mindestens zehn Vollzeitmitarbeiter die der Klin. in Art. 3 ihres Gesellschaftsvertrages zugewiesenen Aufgaben ausführten.
Die belgische Steuerverwaltung behandelte die Klin. für ertragsteuerliche Zwecke als Kapitalgesellschaft im Sinne des belgischen Rechts und darüber hinaus als „Coordination Centre” im Sinne des Königlichen Erlasses Nr. 187 vom 30.12.1982 (Arrete Royal 187, veröffentlicht in Moniteur Belge vom 13.01.1983). Nach diesem Erlass bildete für die Ertragsbesteuerung in Belgien nicht der vom „Coordination Centre” tatsächlich erwirtschaftete Gewinn im Sinne des deutschen Steuerrechts, sondern ein nach der Kostenaufschlagmethode ermittelter Gewinn die steuerliche Bemessungsgrundlage, so dass die Klin. im Streitjahr 1996 in Belgien mit weniger als 30 % des tatsächlich erzielten Gewinns besteuert wurde. Das beklagte Finanzamt (FA) behandelte die Klin. als Personengesellschaft. Unter Bezug auf § 20 Abs. 2 AStG in der Fassung des Missbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetzes stellte es für die Gesellschafter der Klin. in einem nach § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden, gesonderten und einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheid für 1996 vom 08.06.1998 von der Klin. in Belgien erzielte Einkünfte aus Gewerbebetrieb und sonstige Einkünfte fest. Darin qualifizierte es letztere als steuerfrei, aber dem Progressionsvorbehalt unterliegend. Dagegen besteuerte es den Gewinn aus Gewerbebetrieb voll, allerdings unter Anrechnung der darauf in Belgien entfallenden Steuer. Durch ebenfalls unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Bescheid vom 16.06.1998 stellte das FA nach § 20 Abs. 3 AStG den Einheitswert des Betriebsvermögens der Klin. auf den 01.01.1996 fest. In den Vorjahren hatte das FA die von der Klin. in Belgien erzielten Einkünfte nach dem zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Belgien abgeschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) vom 11.04.1967 (BGBl 1969 II, S. 18) (im folgenden DBA-Belgien) unter Progressionsvorbehalt in vollem Umfang von der inländischen Besteuerung freigestellt.
Die gegen beide Bescheide eingelegten ...