Entscheidungsstichwort (Thema)
Anwendung der sog. Nullregelung bei zweifelhafter Identität des Rechnungsausstellers und Leistenden
Leitsatz (redaktionell)
1) Der Leistungsempfänger ist von der Verpflichtung zur Einbehaltung der Steuer nach § 52 Abs. 2 UStDV auch dann befreit, wenn der leistende Unternehmer anhand der Angaben in der Rechnung nicht eindeutig und leicht nachprüfbar bestimmt und ermittelt werden kann.
2) Das Finanzamt trägt die Beweislast für die Behauptung, die abgerechnete Leistung sei nicht von der rechnungsausstellenden Domizilgesellschaft erbracht worden.
Normenkette
UStDV § 51 Abs. 1, § 52 Abs. 2
Nachgehend
BFH (Beschluss vom 30.11.2004; Aktenzeichen V R 61/02) |
Tatbestand
I.
Streitig ist die Anwendung der so genannten Nullregelung gemäß § 52 Abs. 2 UStDV bzw. die Haftung des Leistungsempfängers gemäß § 55 UStDV bei zweifelhafter Identität des Rechnungsausstellers und des Leistenden.
Die Klägerin (Klin.), deren Firma früher E. GmbH & Co. KG lautete, betreibt ein Bauunternehmen. Am 27.06.1994 schloss sie mit einer Firma K., …, einen schriftlichen Vertrag zur Ausführung von Maurerarbeiten. K. stellte in 1994 mehrere Rechnungen an die Klin., in denen die Umsatzsteuer (USt) nicht offen ausgewiesen war. Die Rechnungen enthielten einen Hinweis auf die Nullregelung. Die Klin. behielt die USt nicht ein, führte sie nicht ab und machte auch keinen Vorsteuerabzug geltend.
Im Januar 1998 begann bei der Klin. eine Betriebsprüfung (Bp). Der Prüfer und der Beklagte (Bekl.) waren einer Mitteilung des Bundesamts für Finanzen (BfF) folgend der Auffassung, bei der Firma K. habe es sich um eine nicht existente Scheinfirma bzw. um eine Domizilgesellschaft gehandelt, die keinen eigenen Geschäftsbetrieb unterhalten habe. Es wird auf Tz. 9 des Bp-Berichts vom 19.03.1998 und das Schreiben des Bekl. vom 26.01.1999 Bezug genommen. Der Kl. benannte mit Schreiben vom 01.03.1999, auf das Bezug genommen wird, die Namen und Adressen der auf der Baustelle für K. tätigen Handwerker und den Namen und die Adresse derjenigen Person, die für die Firma K. die Verrechnungsschecks der Klin. entgegengenommen haben soll.
Der Bekl. erließ am 31.03.1999 einen Haftungsbescheid gemäß § 55 UStDV gegen die Klin., auf den Bezug genommen wird. Der dagegen eingelegte Einspruch war erfolglos. In der Einspruchsentscheidung (EE) vom 19.07.1999, auf die wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen wird, führte der Bekl. aus, die Klin. habe Geschäftsbeziehungen mit der Firma K. unterhalten und diese sei im Rahmen von Werkverträgen für die Klin. tätig gewesen. Hinsichtlich der streitbefangenen Rechnungen bestünden aber nach den Ermittlungen des BfF erhebliche Zweifel an der Identität zwischen leistendem Unternehmer und Rechnungsaussteller. Bei K. habe es sich um eine Briefkastenfirma (Sitz- oder Domizilgesellschaft) gehandelt. Es sei nicht ausgeschlossen, dass die in den Rechnungen ausgeführten Leistungen nicht von K., sondern von Dritten erbracht worden seien. Für den Vorsteuerabzug trage die Klin. die Feststellungslast.
Dagegen richtet sich die Klage.
Die Klin. wiederholt und vertieft ihr Vorbringen aus dem Vorverfahren.
Sie beantragt,
den Haftungsbescheid über USt 1994 i. H. v. 6.382,50 DM aufzuheben.
Der Bekl. beantragt,
die Klage abzuweisen, hilfsweise für den Unterliegensfall, die Revision zuzulassen.
Er trägt vor, bei der Firma K. handele es sich um eine rechtlich existente, aber in H. wirtschaftlich inaktive Briefkastenfirma. Es bestünden Zweifel, ob die Firma K. Empfänger der von der Klin. veranlassten Zahlung war. In Wirklichkeit seien hinter der Firma K. stehende Personen Unternehmer gewesen. Die Klin. habe schon deshalb keinen Vorsteuerabzug aus den streitbefangenen Rechnungen ziehen dürfen, weil der in den Rechnungen angegebene Sitz des Rechnungsausstellers nicht bestanden habe. Es werde das Ruhen des Verfahrens bis zur Entscheidung des BFH über die dort anhängigen Verfahren zur selben Rechtsfrage beantragt.
Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.
Entscheidungsgründe
II.
Ein Ruhen des Verfahrens kommt nicht in Betracht, weil die Klin. dem Ruhen nicht zugestimmt hat (§ 155 FGO, § 251 ZPO).
Die Klage ist begründet.
Der angefochtene Haftungsbescheid in Gestalt der EE ist rechtswidrig und verletzt die Klin. in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 FGO).
Der Bekl. hat nicht nachgewiesen, dass die Voraussetzungen für eine Haftung gemäß § 55 UStDV vorliegen. Es fehlt der Nachweis, dass nicht K., sondern in Wirklichkeit ein anderer an die Klin. geleistet hat.
Der Leistungsempfänger haftet u. a. für nicht einbehaltene und abgeführte USt, wenn die Voraussetzungen für eine Nullregelung nach § 52 Abs. 2 UStDV nicht vorliegen (BFH in BStBl II 1998, 521). Gemäß § 52 Abs. 2 UStDV kann der Leistungsempfänger das Abzugsverfahren vermeiden, wenn der leistende Unternehmer keine Rechnung mit gesondertem Ausweis der Steuer erteilt hat und der Leistungsempfänger im Falle des gesonderten Ausweises der Steuer den Vorsteuerabzug hinsichtlich dieser Steuer voll in Anspruch ...