Entscheidungsstichwort (Thema)
Ermittlung des Pro-rata-Satzes für Vorsteueraufteilung
Leitsatz (redaktionell)
Verwendet der Unternehmer zur Ermittlung des Pro-rata-Satzes der abzugsfähigen Vorsteuerbeträge statt des Umsatzschlüssels den präziseren Schlüssel der "wirtschaftlichen Zuordnung" in Form des Margenschlüssels, ist der Pro-rata-Satz unter Berücksichtigung von 2 Nachkommastellen zu bestimmen und nicht nach der Rundungsregel des Art. 175 Abs. 1 der MwStSystRL.
Normenkette
MwStSystRL Art. 175; AO § 162; UStG § 15 Abs. 4
Tatbestand
Streitig ist, ob die Rundungsregel des Art. 175 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem vom 28.11.2006 – Mehrwertsteuersystemrichtlinie – MwStSystRL (ABL EU Nr. L 347 S.1) bei der Ermittlung des Pro-rata-Satzes anzuwenden ist, wenn der Pro-rata-Satz nicht gemäß Art. 173 Abs. 1 Unterabs. 2 der MwStSystRL nach der Gesamtheit der vom Steuerpflichtigen bewirkten Umsätze festgelegt wird, und ob eine Rundung des Pro-rata-Satzes auf 2 Nachkommastellen beschränkt ist, sofern die Rundungsregel des Art. 175 Abs. 1 der MwStSystRL nicht anzuwenden ist.
Die Klägerin (Klin.) betreibt ein Kreditinstitut. Für ihre Umsätze im gewerblichen Kundengeschäft (Darlehen, Kontoführung, Avale, usw.) verzichtete sie ab dem 01.01.2008 auf die in § 4 Nr. 8 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) normierte Steuerfreiheit und tätigte in den Streitjahren 2009 und 2010 in diesem Geschäftsbereich steuerpflichtige Umsätze. Darüber hinaus führte sie andere steuerpflichtige, aber auch steuerfreie Umsätze aus. Auf der Basis von Margen ermittelte die Klin. die abzugsfähigen Vorsteuerbeträge für 2009 mit 13,55 % und für 2010 mit 13,18 %, die sie in den Umsatzsteuer(USt)-Erklärungen für 2009 und 2010 jeweils auf 14,00 % aufrundete. Die durch den Verzicht auf die Steuerfreiheit ihrer Umsätze an gewerbliche Kunden nach § 15a UStG ausgeführten Korrekturen der in den Vorjahren zu ihren Umsätzen an gewerbliche Kunden erklärten Vorsteuerbeträge rundete die Klin. zu ihren Gunsten auf 14,00 % auf.
Eine für die Streitjahre durchgeführte Außenprüfung (Ap, Bericht des Finanzamtes für Groß- und Konzernbetriebsprüfung C vom 21.11.2011) stellte fest: Soweit angesichts des Verzichts der Klin. auf die Steuerbefreiung ihrer Umsätze im gewerblichen Kundengeschäft eine direkte Zuordnung der Vorbezüge zu bestimmten Ausgangsumsätzen nicht möglich sei, bestehe eine mittels sachgerechter Schätzung zu ermittelnde Abzugsmöglichkeit. Nach dem von der Klin. verwendeten, an das BMF-Schreiben vom 12.04.2004 IV A5 – S 7306a – 3/05 „neues Konzept für die Vorsteueraufteilung bei Kreditinstituten”, UR 2005, 574) angelehnte Berechnungsschema des sog. Margenschlüssels betrage die abzugsfähige Vorsteuer für 2009 13,55 % und für 2010 13,18 % der Umsätze. Bei der Ermittlung des Vorsteuerabzugs habe die Klin. unter Hinweis auf Art. 175 Abs. 1 der MwStSystRL einen auf 14,00 % aufgerundeten Prozentsatz angesetzt. Laut dem Urteil des FG Berlin-Brandenburg vom 24.09.2009 2 K 1061/06 (EFG 2010, 89) bestehe kein Anspruch auf Aufrundung des für den Vorsteuerabzug errechneten Pro-rata-Satzes auf einen vollen Prozentsatz. Gemäß einer Vergleichsrechnung mit einem nicht gerundeten Margenschlüssel seien im Verhältnis zu einer Vorsteuerberechnung mit dem gerundeten Margenschlüssel die für 2009 und 2010 erklärten Vorsteuerbeträge aus den laufenden Kosten um xxx € und um xxx € sowie aus den Anschaffungs- und Herstellungskosten um xxx € und um xxx € zu kürzen und die Vorsteuerbeträge für 2009 um xxx € und für 2010 um xxx € zu mindern (Tz. 2.2). Aufgrund des Verzichtes der Klin. auf die Steuerfreiheit ihrer Umsätze an Gewerbekunden seien für die Streitjahre Vorsteuerkorrekturen nach § 15a UStG erforderlich. Für die Vorsteuerkorrektur nach § 15a UStG sei der von der Klin. angewandte gerundete Schlüssel nicht zu berücksichtigen, so dass zusätzliche Vorsteuerkorrekturen für 2009 von xxx € bzw. für 2010 von xxx € geboten seien (Tz. 2.3).
Gemäß diesen Feststellungen erließ der Beklagte (Bekl.) am 03.01.2012 geänderte USt-Bescheide für 2009 und für 2010. Gegen die Bescheide legte die Klin. Einspruch ein, den der Bekl. durch Einspruchsentscheidung (EE) vom 13.06.2012 als unbegründet zurückwies.
Mit ihrer hiergegen am 16.07.2012 erhobenen Klage begehrt die Klin. in den Streitpunkten erklärungsgemäße Veranlagungen: Vorab ordne sie die Vorbezüge den voll steuerpflichtigen bzw. den voll steuerfreien Ausgangsumsätzen zu. Vom verbleibenden Restbetrag sei nur der Teil der USt als Vorsteuer abzugsfähig, der wirtschaftlich den steuerpflichtigen Ausgangsumsätzen zuzurechnen sei. Diesen Teil ermittle sie mit einer sachgerechten Schätzung über einen gerundeten Prozentsatz. Das UStG enthalte keine Rundungsregel. Es fehlten gesetzliche Vorschriften, wie bei Anwendung des Margenschlüssels zu runden und mit wie vielen Nachkommastellen zu rechnen sei. Der deutsche Gesetzgeber habe die Regelung des Art. 175 Abs. 1 der MwStSystRL nicht in das nationale Recht übernomme...