Entscheidungsstichwort (Thema)

Umsatzsteuersatz von Imbissbetrieben auf Volksfesten und Jahrmärkten

 

Leitsatz (redaktionell)

1) § 3 Abs. 9 Satz 4 UStG ist nicht in vollem Umfang richtlinienkonform. Eine Umqualifizierung von Lieferungen in sonstige Leistungen ist unzulässig.

2) Umsätze von Imbissbetrieben auf Volksfesten und Jahrmärkten, bei denen die Kunden den Imbiss an "Verzehrvorrichtungen" in Gestalt von Verkaufstheken bzw. Ablagebrettern einnehmen, unterliegen dem Regelsteuersatz. Sofern der Kunde den Imbiss "mitnimmt", unterliegen die Umsätze dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG.

3) Dass der Imbissbetrieb die Speisen zubereitet, sie in Papierservietten oder Einwegschälchen mit Einweggabeln und "Verzehrvorrichtungen" bereithält, steht der Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nicht entgegen.

 

Normenkette

UStG § 3 Abs. 9 S. 4; RL 77/388 EWG Art. 6 Abs. 1; UStG § 12 Abs. 2 Nr. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 08.06.2011; Aktenzeichen XI R 38/08)

BFH (Urteil vom 08.06.2011; Aktenzeichen XI R 38/08)

 

Tatbestand

Streitig ist im Rahmen der Umsatzsteuer(USt-)Festsetzungen für 1997 bis 2002, ob die Umsätze eines Imbissbetriebs aus der Abgabe von Speisen dem allgemeinen oder dem ermäßigten Steuersatz zu unterwerfen sind.

Die Klägerin (Klin.) war Gesellschafterin der M GbR (GbR). Bis zum 30. Juni 1999 waren JM und IM Gesellschafter der GbR. Die Klin. übernahm ab dem 1. Juli 1999 den Anteil von IM und ab dem 1. August 2003 auch den Anteil von JM. Die GbR verfügte in den Streitjahren über vier verschiedene Imbisswagen, die sie je nach Bedarf und Platz auf Volksfesten und Jahrmärkten einsetzte. Dort bot sie auf Papptellern von ihr essfertig zubereitete Speisen (Bratwurst, Curry-Wurst, Hot Dog, Hamburger, Pommes Frites) sowie teilweise auch den Ausschank von Getränken an.

In den USt-Jahreserklärungen der Streitjahre 1997 bis 2002 gab die GbR folgende Umsätze an:

1997

1998

1999

Lieferungen/sonstige Leistungen zu 15 % / 16 %

11.306 DM

14.193 DM

24.989 DM

Entnahme zu 15 % / 16 %

6.408 DM

6.408 DM

2.557 DM

Lieferungen/sonstige Leistungen zu 7 %

223.308 DM

191.453 DM

316.149 DM

Entnahme zu 7 %

1.200 DM

1.200 DM

1.800 DM

festgesetzte USt

2.751,64 DM

5.952,95 DM

9.427,00 DM

2000

2001

2002

Lieferungen/sonstige Leistungen zu 16 %

24.881 DM

17.681 DM

12.718 Euro

Entnahme zu 16 %

2.343 DM

0

0

Lieferungen/sonstige Leistungen zu 7 %

269.105 DM

284.087 DM

186.367 Euro

Entnahme zu 7 %

2.400 DM

2.400 DM

1.227 Euro

festgesetzte USt

2.491,47 DM

2.719,88 DM

./. 1.863,48 Euro

Die GbR unterwarf dabei in den Streitjahren sämtliche Umsätze aus der Abgabe von Speisen dem ermäßigten Steuersatz von 7 %.

Der Beklagte (Bekl.) führte in den Jahren 2001/2002 eine Betriebsprüfung (BP) für die Streitjahre 1997 bis 1999 bei der GbR durch. In Tz. 8 des BP-Berichts vom 16. Mai 2002, auf den Bezug genommen wird, führte die Prüferin aus: Bei einer Betriebsbesichtigung vom 9. November 2001 auf der …-Messe in N sei festgestellt worden, dass am Verkaufsstand, der mit einem Dach und von drei Seiten mit einem Windschutz aus blechähnlichem Material versehen gewesen sei, sowohl ein Rundumtresen, als auch Stehtische vorhanden gewesen seien. Der Rundumtresen habe dem Verkauf, dem Abstellen und Verzehr der Waren sowie der Entgegennahme des Geldes und die Stehtische dem Verzehr der Waren gedient. Am 18. März 2002 sei auf dem …-Markt T eine weitere Betriebsbesichtigung vorgenommen worden. Dort seien ein Rundumtresen, ein Dach und an drei Seiten Windschutz aus blechähnlichem Material ohne Ablagebretter, Stützpfeiler ohne Tischplatte, Aschenbecher, Senf und Ketchup auf dem Rundumtresen vorhanden gewesen. Der Verkauf von Speisen an einem Imbiss-Stand unterliege der Umsatzbesteuerung nach dem Regelsteuersatz, wenn i.S.d. § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG in der bis 26. Juni 1998 geltenden Fassung eine sonstige Leistung oder eine Lieferung vorliege und die Speisen nach den Umständen der Lieferung dazu bestimmt gewesen seien, in räumlichem Zusammenhang mit dem Imbiss-Stand verzehrt zu werden und besondere Vorrichtungen für den Verzehr an Ort und Stelle bereit gehalten würden. In der ab 27. Juni 1998 gültigen Fassung des § 3 Abs. 9 UStG würden unter den gleichen Voraussetzungen nicht steuerbegünstigte sonstige Leistungen vorliegen. Die bisher mit dem ermäßigten Steuersatz versteuerten Umsätzen würden danach grundsätzlich der Regelbesteuerung unterliegen, da die Speisen essfertig zubereitet und auf Pappteller dargereicht würden und damit der sofortige Verzehr ermöglicht werde. Der örtliche und zeitliche Bezug werde ergänzend durch die Bereitstellung von Senf und Ketchup auf dem Verkaufstresen belegt. Zu den besonderen Vorrichtungen gehörten auch die an den Stützpfeilern bei der ersten Betriebsbesichtigung vorgefundenen Ablagebretter und der Rundumtresen, weil diese dem Verzehr an Ort und Stelle dienten. Dem Umstand, dass an den Stützpfeilern bei der zweiten Betriebsbesichtigung keine Ablagebretter angebracht gewesen seien, könne für die zutreffende Versteuerung keine entscheidende Bed...

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