Entscheidungsstichwort (Thema)
Unzuständigkeit des sog. Inkasso-Service
Leitsatz (redaktionell)
Die sachliche Unzuständigkeit des sog. Inkasso-Service bei Ablehnung eines Erlassantrags wird nicht dadurch geheilt, dass die sachlich und örtlich zuständige Familienkasse die Einspruchsentscheidung erlässt.
Normenkette
FVG § 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 11; AO §§ 126-127, 130, 16
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um den Erlass einer Kindergeldrückforderung.
Der am 15.06.1973 geborene Kläger ist wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande, sich selbst zu unterhalten, wobei diese Behinderung vor Vollendung seines 25 Lebensjahres eingetreten ist (§ 32 Abs. 4 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes –EStG–). Er bezog (auch) im Zeitraum von September 2013 bis einschließlich Januar 2017 aus dem Kindergeldanspruch seines am 29.08.2013 verstorbenen Vaters im Wege der Abzweigung nach § 74 EStG Kindergeld in Höhe von insgesamt 7.640,00 €.
Die Abzweigung des Kindergeldes an sich selbst hatte der Kläger durch Antrag vom 10.12.2002 (Bl. 78 der beigezogenen Kindergeldakte) beantragt. In der Folge zweigte die für die Bewilligung von Kindergeld zu diesem Zeitpunkt zuständige Familienkasse C das dem Vater des Klägers zustehende Kindergeld an den Kläger ab und informierte den Kläger durch Schreiben vom 23.12.2002 (Bl. 86 der Kindergeldakte) darüber, dass er verpflichtet sei, etwaige Änderungen der bisherigen Verhältnisse, die für die Auszahlung des Kindergeldes von Bedeutung seien, ihr gegenüber mitzuteilen. In der Folge beantwortete der Kläger die Kindergeldgewährung betreffenden Anfragen der Familienkasse sowohl schriftlich als auch durch persönliche Vorsprache. Eine Mitteilung des Klägers über den Tod seines Vaters ist in der beigezogenen Kindergeldakte nicht aktenkundig.
Nachdem die inzwischen im Hinblick auf die Kindergeldzahlungen für den Kläger zuständig gewordene Familienkasse Nordrhein-Westfalen A Kenntnis von dem Tod des Vaters des Klägers erlangt hatte, teilte sie dem Kläger durch Bescheid vom 17.05.2017 (Bl. 213 ff. der beigezogenen Kindergeldakte) mit, dass die Zahlung der vorgenannten Beträge aus der Abzweigung von Kindergeld ohne Rechtsgrund erfolgt sei und forderte ihn zur Erstattung des zu viel gezahlten Betrages i.H.v. 7.640,00 € nach § 37 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) auf. Den hiergegen gerichteten Einspruch des Klägers wies die Familienkasse Nordrhein-Westfalen A durch Einspruchsentscheidung vom 25.07.2017 (Bl. 221 der beigezogenen Kindergeldakte) als unbegründet zurück.
Nachdem der Kläger zur Zahlung von 7.716,00 € (7.640,00 € Rückforderung von Kindergeld und 76,00 € Säumniszuschläge bis zum 06.07.2017) aufgefordert war,stellte der Kläger durch Schriftsatz vom 08.06.2017 einen Antrag auf Erlass aus Billigkeitsgründen nach § 227 AO mit dem Hinweis darauf gestellt, dass er Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) bezogen habe.
Durch Bescheid vom 13.03.2018 lehnte die Beklagte, die in der Folge die Vollstreckung des Rückforderungsbescheides und Bearbeitung des auf Erlass des Rückforderungsbetrages gerichteten Antrages des Klägers übernommen hatte, den Antrag des Klägers auf Erlass der Forderung i.H.v. 7.716,00 € bezüglich einer Teilforderung i.H.v. 7.532,00 € ab und erließ eine Teilforderung i.H.v. 184,00 € aufgrund sachlicher Unbilligkeit, weil die Überzahlung für den ersten Monat – auch bei rechtzeitiger Mitwirkung des Klägers – nicht vermeidbar gewesen sei.
Den hiergegen gerichteten Einspruch des Klägers wies die Familienkasse Nordrhein-Westfalen B durch Einspruchsentscheidung vom 14.06.2018 als unbegründet zurück.
Hiergegen hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben, zu deren Begründung er ausführt, die Beklagte habe den Erlassantrag zu Unrecht abgelehnt. Er, der Kläger, leide unter erheblichen intellektuellen und psychischen Einschränkungen, weshalb ihm das Kindergeld über das 25. Lebensjahr hinaus gewährt worden sei. Die mit seiner Erkrankung verbundenen Einschränkungen seien bei der Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen für einen Erlass aus sachlichen Billigkeitsgründen zu berücksichtigen. Im Übrigen lägen auch die Voraussetzungen für einen Erlass wegen persönlicher Unbilligkeit vor, da er von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB XII lebe. Der seitens der Beklagten geforderte Rückzahlungsbetrag könne nicht abbezahlt werden. Eine Rückzahlung in Kleinst-Raten scheide aus, da diese nicht einmal zur Abdeckung der Zinsen bzw. Säumniszuschläge ausreichten. Der Hinweis der Beklagten in der Einspruchsentscheidung auf die Pfändungsfreigrenze könne nicht nachvollzogen werden, da – würde dieser Hinweis verfangen – ein Erlass aus persönlichen und Billigkeitsgründen stets ausscheiden würde. Durch Schriftsatz vom 24.08.2018 (Bl. 39 ff. der Gerichtsakten) hat der Klägereine ärztliche Bescheinigung des … Klinikums … vom 16.07.2018 zur Gerichtsakte überreicht, nach welcher er neben einer Suchterkrankung unter einer posttraumatischen Belastungsstörung leidet. Darüber hinaus hat er eine ärzt...