Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachträgliche Anschaffungskosten im Rahmen eines Auflösungsverlusts nach § 17 Abs. 4 EStG; Gestaltungsmissbrauch

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Nachträgliche Anschaffungskosten auf eine wesentliche Beteiligung können Finanzierungshilfen durch verdeckte Einlagen sein, also die Gewährung von Eigenmitteln über das gezeichnete Kapital hinaus.

2. Ein Gestaltungsmissbrauch ist gegeben, wenn die einzigen Gesellschafter einer GmbH dieser Darlehen in Form von Aktien gewähren, die Aktien nach einem Kursverfall etwa neun Jahre später an die Gesellschafter veräußert sowie ihnen wieder übertragen werden, die Gesellschafter unmittelbar danach die Auflösung der GmbH beschließen und die Darlehensverträge kündigen, wobei die aus den Verträgen resultierende Kaufpreisforderung der GmbH gegenüber ihren Gesellschaftern mit den jeweils bestehenden Darlehensrückzahlungsansprüchen verrechnet werden und die Gesellschafter nunmehr einen Auflösungsverlust steuerlich geltend machen können.

3. Eine nahe liegende angemessene rechtliche Gestaltung kann es in Fällen wie im Leitsatz 2 sein, dass die Gesellschafter zur Abwendung der Überschuldung der GmbH als ordentliche Kaufleute entweder Eigenkapital zugeführt, unmittelbar nach Kenntnis der Umstände einer Überschuldung mit der Liquidation der Gesellschaft begonnen oder die Aktien der GmbH lediglich zum geringeren tatsächlichen Kurswert abgekauft hätten.

 

Normenkette

AO § 42; EStG § 17

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über das Vorliegen von nachträglichen Anschaffungskosten im Rahmen eines Auflösungsverlust i.S.d. § 17 Abs. 1, 4 Einkommensteuergesetz in der Fassung des Streitjahres 2015 (EStG) sowie in dessen Zusammenhang um das Vorliegen eines Gestaltungsmissbrauches i.S.d. § 42 Abgabenordnung (AO) im Einkommensteuerbescheid 2015.

Die im Streitjahr verheirateten und zusammen zur Einkommensteuer veranlagten Kläger gründeten mit notariellem Vertrag vom 31.05.2006 die L & E Verwaltungs GmbH (GmbH). Gegenstand des Unternehmens war der Erwerb von Beteiligungen an anderen Unternehmen und Immobilien sowie die Verwaltung eigenen Vermögens. Wie in § 7 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages der GmbH vom 31.05.2006 vorgesehen, erbrachten die Kläger das Stammkapital i.H.v. von jeweils 12.500€ durch Einlage von jeweils 3.800 Aktien der Q AG (AG), der Rechtsnachfolgerin der u.a. durch den Kläger gegründeten Q GmbH, zu einem Kurswert i.H.v. 3,76€ je Aktie. Den das Stammkapital übersteigenden Betrag i.H.v. jeweils 1.788€ (3.800 Aktien × 3,76€ – 12.500€) gewährten die Kläger der GmbH mit Vertrag vom 01.06.2006 jeweils als Darlehen (sog. Darlehen I).

In der Folgezeit verkauften die Kläger der GmbH weitere Aktien der AG:

Datum

Anzahl der Aktien Kläger

Kaufpreis in €

Anzahl der Aktien Klägerin

Kaufpreis in €

Kurswert je Aktien in €

14.08.2006

446.160

1.432.173,60

148.984

478.238,64

3,21

04.09.2006

0

72.919

239.903,51

3,29

€-Summe

1.432.173,60

718.142,15

€-Gesamt-summe

2.150.315,75

Aktien-Summe

446.160

221.903

Aktien-Gesamtsumme

668.063

Der Verkauf erfolgte jeweils gegen die Gewährung von Darlehen in Höhe des jeweiligen Kaufpreises (zwei sog. Darlehen Aktien); das Darlehen konnte erstmals mit einer Frist von sechs Monaten zum 31.12.2012 gekündigt werden.

In den Jahren 2006 und 2007 gewährte der Kläger der GmbH zwei weitere Darlehen i.H.v. 5.000€ (sog. Darlehen II) und 3.000€ (sog. Darlehen Nr. 6).

Am 14.11.2007 und 30.07.2008 kaufte die GmbH weitere Aktien der AG (7.500 und 100.000) und besaß sodann insgesamt 783.163 Aktien (3.800 + 3.800 + 668.063 + 7.500 + 100.000).

In den folgenden Jahren sank der Kurswert der Aktien.

Im Jahr 2007 schloss die GmbH ihr Geschäftsjahr mit einem handelsrechtlichen Fehlbetrag i.H.v. 1.192.846,86 € ab.

Am 21.02.2008 erklärte der Kläger, am 10.10.2009 die Klägerin ihren Rangrücktritt hinsichtlich der gewährten Darlehen mit folgenden Ausführungen: „Zur Beseitigung der Überschuldung und zur Vermeidung eines Insolvenzverfahren soll der Anspruch (…) auf Tilgung und Verzinsung des (…) Darlehens (…) nach Überwindung der Krise (…) erfolgen.”

In den Jahren 2009 bis 2013 gewährten die Kläger der GmbH verschiedenen Darlehen: durch den Kläger am 01.10.2009 i.H.v. 5.000€ (sog. Darlehen Nr. 8), am 26.05.2010 i.H.v. 2.500€ (sog. Darlehen Nr. 10), am 01.09.2010 i.H.v. 49.500€ (sog. Darlehen Nr. 9) und 27.12.2012 bzw. 13.02.2013 i.H.v. 82.000€ (sog. Darlehen Nr. 11) und durch die Klägerin am 26.05.2010 i.H.v. 2.500€ (sog. Darlehen Nr. 10).

Sämtliche Darlehen der Kläger wiesen unter Berücksichtigung der Änderungen vom 27.12.2011 eine Laufzeit bis zum 31.12.2015 auf; der Zinssatz betrug jeweils jährlich 0,1% und die Rückzahlung sollte in einer Summe am Ende der Laufzeit erfolgen.

Mit zwei Aktienkauf- und -übertragungsverträgen vom 11.06.2015 veräußerte und übertrug die GmbH sämtliche von ihr gehaltenen die Aktien der AG an die Kläger; der Kläger erhielt 557.163 Aktien zu einem Kaufpreis i.H.v. 1.589.982,73€, die Klägerin 226.000 Aktien zu einem Kaufpreis i.H.v. 726.339,24€. In Übereinstimm...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Steuer Office Excellence enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge