Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuererlass auf Sanierungsgewinn, Sanierungserlass, Billigkeitsgründe, Vertrauensschutz
Leitsatz (redaktionell)
1) Die Klage gegen die Ablehnung des Steuererlasses auf Sanierungsgewinne allein auf Grundlage des Sanierungserlasses ist mangels Durchführung eines vorherigen Vorverfahrens insoweit unzulässig, als der Kläger im Klageverfahren erstmals auch persönliche und sachliche Billigkeitsgründe geltend macht, die sich aus der fehlenden Anwendbarkeit der Neuregelung in § 3a EStG auf seinen Fall ergeben sollen.
2) Die Klage gegen die Ablehnung des Steuererlasses auf Sanierungsgewinne auf Grundlage des Sanierungserlasses ist unbegründet, weil die im Sanierungserlass aufgeführten Voraussetzungen für einen Steuererlass keinen Fall der sachlichen Unbilligkeit im Sinne der §§ 163, 227 AO begründen. Eine auf den Sanierungserlass gestützte Billigkeitsmaßnahme in Fällen, in denen der Forderungsverzicht der an der Sanierung beteiligten Gläubiger bis zum 8.2.2017 endgültig vollzogen worden ist (Altfälle), ist auch nicht aus Vertrauensschutzgründen zu gewähren.
Normenkette
EStG § 3a; FGO § 44 Abs. 1; AO § 227
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob ein Erlass von Schulden zu einem Sanierungsgewinn geführt hat, der einen (Teil-) Erlass hieraus resultierender Steuerschulden rechtfertigt.
Die Kläger waren zu je 50 % Gesellschafter der offenen Handelsgesellschaft A OHG (im Folgenden: A OHG) und bezogen als Mitunternehmer dieser Gesellschaft in dem Streitjahr Einkünfte aus Gewerbebetrieb, welche durch das Betriebsstätten-Finanzamt einheitlich und gesondert festgestellt wurden. Die A OHG betrieb eine kombinierte … [Sportanlage] nebst Hotel (…).
Da sich die wirtschaftliche Lage der A OHG verschlechterte, fand im Jahr 2010 eine Beratung durch die B Bankengruppe statt, über welche ein Abschlussbericht mit der Bezeichnung „Runder Tisch” gefertigt wurde. In dem Bericht wurde unter anderem festgestellt, dass der Sachwert der von der A OHG genutzten Immobilie (…) bei einem Verkauf nicht erzielbar sei, da vergleichbare Immobilien momentan für ca. … € veräußert würden. Daher sei ein schneller Verkauf nicht als positiv zu bewerten. Als Vorschlag wurde den Beteiligten die massive Entschuldung unterbreitet, da nur eine solche die Fortführung des Gewerbes für die nächsten 2 bis 3 Jahre sichern könne und den Verkauf der Sportanlage positiv unterstütze. Zudem würden mögliche Käufer ihr Interesse und auch die Kaufsumme von einer guten Bilanz abhängig machen. Sollte bei der Veräußerung des Objekts ein Gewinn erzielt werden, könne dieser gleichermaßen auf die beiden Banken (die B und die C), bei welchen Darlehen der OHG bestanden, verteilt werden. Schon während der Beratung wurde nach potentiellen Käufern für das Grundstück gesucht. Auf den Bericht „Runder Tisch” wird im Übrigen Bezug genommen.
Im Jahr 2011 verzichtete die A Bank unter der Bedingung, dass die Kläger noch einen Betrag von 20.000 € zahlen, auf den gesamten verbleibenden Darlehensbetrag von 250.600,34 € zzgl. aufgelaufener Zinsen aus zwei Darlehen. Diese Zahlung leisteten die Kläger. Wie hoch der Betrag der aufgelaufenen Zinsen war, ist zwischen den Beteiligten streitig.
Ebenso verzichtete Frau D, die Tochter der Klägerin, vollständig auf einen ihr noch zustehenden Darlehensbetrag inklusive aufgelaufener Zinsen in Höhe von insgesamt 3.173,20 €.
Zudem schloss die C mit der A OHG eine Vergleichsvereinbarung, nach welcher die C unter der Bedingung, dass die A OHG einen Betrag in Höhe von 20.000 € zahle, auf ihre gesamten Forderungen mit Ausnahme der aus dem Girokonto resultierenden Forderungen nach Abzug des Wertes der für das Darlehen vorliegenden Sicherheit verzichtete. Zu diesem Zeitpunkt beliefen sich die Gesamtforderungen gegen die A OHG auf 1.151.575,50 €, wovon 28.575,16 € auf die Inanspruchnahme der eingeräumten Kreditlinie des Girokontos entfielen. Sämtliche Verbindlichkeiten waren durch eine Grundschuld an der Immobilie … abgesichert. Der Wert der Sicherheit wurde in dem Vergleich mit 800.000 € angesetzt. Ein sich aus dem Verkauf oder aus der Verwertung ergebender Mehrerlös sollte zusätzlich zu dem vereinbarten Vergleichsbetrag zur Rückführung der Verbindlichkeiten zur Verfügung gestellt werden. Nach Erfüllung des Vergleichs noch bestehende Forderungen in Höhe von 800.000 € wurden in einem Abwicklungsdarlehen zusammengefasst. Insgesamt verzichtete die C mithin auf einen Rückforderungsbetrag von 303.000,34 €.
Die A OHG wies in ihrer Steuererklärung für das Jahr 2011 insgesamt einen Gewinn von 698.537 € aus, der je zur Hälfte auf die Kläger entfiel. Am 29.3.2013 beantragten diese bei dem Beklagten eine abweichende Festsetzung der Einkommensteuer für 2011 gemäß § 163 der Abgabenordnung (AO), hilfsweise Stundung und Erlass gemäß §§ 222, 227 AO entsprechend dem Schreiben des Bundesministeriums für Finanzen (BMF) vom 27.3.2003 (IV A 6-S 2140-8/03, BStBl I 2003, 240) für die Steuern, die auf einen Betrag von 328.596,21 € entfielen. Diesen Betrag e...