Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückgängigmachung eines Grundstückskaufvertrags später als nach 2 Jahren seit Entstehung der Steuer
Leitsatz (redaktionell)
Zu den Voraussetzungen, unter denen eine Rückgängigmachung eines Grundstückskaufs gem. § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG bzw. eine Nichterfüllung nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG anzunehmen ist, wenn die Erteilung einer Baugenehmigung nicht mehr wahrscheinlich ist und die Kaufvertragsparteien zwei Jahre und zwei Monate nach Ablauf der zweijährigen Frist des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG erst die Aufhebung des Kaufvertrags vereinbaren.
Normenkette
GrEStG § 16 Abs. 1 Nrn. 2, 1
Tatbestand
Streitig ist, ob der Beklagte (das Finanzamt – FA –) es zu Recht abgelehnt hat, einen Grunderwerbsteuer (GrESt)-bescheid gem. § 16 GrEStG aufzuheben.
Die Klägerin (Klin.) ist befreite Vorerbin ihres am 21.09.2003 verstorbenen Ehegatten Dipl.-Ing. GN (= Erwerber). Dieser erwarb mit notariellem Kaufvertrag vom 30.09.1999 (UR-Nr. 286/1999 des Notars N1, C) von der L AG & Co. Liegenschaftsverwaltung in C verschiedene in der Gemarkung X Flur 13 gelegene Grundstücke, die u. a. mit einem an sechs Mietparteien vermieteten Wohnhaus sowie mit zu der ehemaligen Werksgärtnerei gehörenden Gebäuden, Aufbauten und Erweiterungen bebaut waren.
Die Besitzübergabe des Kaufobjektes erfolgte mit Vertragsschluss (§ 7 des Vertrages). Der Erwerber trat gem. § 8 des Vertrages in die bestehenden Mietverträge ein.
Gem. § 4 des Vertrages sollte die Übereignung des Kaufobjektes in dem Zustand erfolgen, in dem es sich zur Zeit befand, d. h. wie es stand und lag. Die Verkäuferin übernahm keine Gewähr für eine bestimmte Größe, Güte und Beschaffenheit des Kaufobjekts, für die Freiheit von Mängeln irgendwelcher Art sowie von solchen Rechten, Beschränkungen oder Belastungen zu Gunsten Dritter, die aus dem Grundbuch oder Baulastenverzeichnis nicht ersichtlich sind.
Der Kaufpreis betrug 4 Millionen DM. Er war 14 Tage nach Erteilung der rechtskräftigen Baugenehmigung seitens der Stadt C für das geplante Bauvorhaben auf dem Kaufobjekt fällig, spätestens am 10.06.2000 (§ 5 des Vertrages).
Der Kaufpreis entsprach bei der erworbenen Grundstücksflächengröße von insgesamt 7.343 qm einen Preis von 538 DM/qm.
In § 15 des Vertrages waren folgende Regelungen enthalten:
- „Der Käufer ist berechtigt von diesem Vertrag bis zum 25.05.2000 zurückzutreten.
- Für den Fall, dass die rechtskräftige Baugenehmigung zu dem geplanten Bauvorhaben des Käufers nicht zu dem genannten Zeitpunkt vorliegt, sichert die Verkäuferin die Möglichkeit der Verlängerung der Ausübung des Rücktrittsrechts um weitere drei Monate zu; vorausgesetzt, dass der Käufer sich seit Vertragsabschluss intensiv um das Baugenehmigungsvorhaben bemüht hat.
- Falle der Verlängerung gem. der vorgenannten Bestimmung ist der Kaufpreis vom 10. Juni bis 25. August 2000 mit 6 % p.a. zu verzinsen.
- Die Ausübung des Rücktrittsrechts hat durch eingeschriebenen Brief an die Verkäuferin und an den amtierenden Notar zu erfolgen.
- Im Falle des Rücktritts tragen die Vertragsschließenden die Kosten dieses Vertrages je zur Hälfte.
- Weitergehende Ersatzansprüche sind wechselseitig ausgeschlossen.”
Der notarielle Vertrag wurde mit der Gehnehmigungserklärung der Geschäftsführer der Verkäuferin vom 27.10.1999 (UR-Nr. 1988/1999 des Notars N2, E) wirksam.
Das FA setzte gegenüber dem Erwerber ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von 4 Millionen DM die Grunderwerbsteuer mit Bescheid vom 13.12.1999 in Höhe von 140.000 DM fest.
In einer notariellen Vereinbarung vom 23.05.2000 (UR-Nr. 124/2000 des Notars N1), bei der die L AG & Co. Liegenschaftsverwaltung durch Herrn NI als Vertreter ohne Vertretungsvollmacht vertreten wurde, vereinbarten die Vertragsbeteiligten auf Seite 2, unter Hinweis auf den Kaufvertrag vom 30.09.1999, folgendes:
„Die Frage der Bebaubarkeit des Kaufgrundstücks konnte bisher nicht abgeklärt werden.
Aus diesem Grunde vereinbaren die Vertragsbeteiligten nunmehr ergänzend, dass der Käufer das Rücktrittsrecht bis zum 30.09.2000 ausüben kann.
Die Erschienenen wurden darüber belehrt, dass die heute getroffene Vereinbarung bis zur Genehmigung der durch den Erschienenen zu 1) Vertretenen schwebend unwirksam ist.
Sollte die Genehmigung endgültig nicht erteilt werden, erklärt der Erschienene zu 2), dass hiermit für diesen Fall vorsorglich das im ursprünglichen Vertrag eingeräumte Rücktrittsrecht mit Wirkung per 25. Mai 2000 ausgeübt wird.”
Die Geschäftsführer der L AG & Co. Liegenschaftsverwaltung erteilten schriftlich am 31.05.2000 die Genehmigung zu den Erklärungen des NI (vgl. notarielle Urkunde vom 13.06.2000 (UR-Nr.: 883/2000 des Notars N2, E)).
Entsprechende Vereinbarungen wurden in der notariellen Urkunde vom 28.09.2000 (UR-Nr. 241/2000 des o. a. Notars) getroffen, wobei die Vertragsbeteiligten vereinbarten, dass der Käufer das Rücktrittsrecht bis zum 30.06.2001 ausüben können solle. Das im ursprünglichen Vertrag eingeräumte Rücktrittsrecht übte der Erwerber in dieser Urkunde vorsorglich mit Wirkung zum 30.09.2000 ...