Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.

 

Tatbestand

Zu entscheiden ist, ob der Beklagte (das Finanzamt –FA–) zu Recht den Einspruch gegen den Einkommensteuer- (ESt-) Bescheid 1983 vom 24.02.1986 als unzulässig verworfen hat.

Der Kläger (Kl.) ist als alleiniger Erbe Rechtsnachfolger des am 20.01.1997 in M gestorbenen (P. Sch.) geworden.

P. Sch. war bis 1971 in der Bundesrepublik Deutschland als beratender Ingenieur freiberuflich tätig. In seiner ESt-Erklärung 1973 gab er dem damals zuständigen Finanzamt (FA) M-Ost bekannt, daß er seinen Wohnsitz am 01.01.1974 nach K in Südtirol (Italien) verlegt habe. Ab 1974 wurde P. Sch. im Inland steuerlich nicht mehr erfaßt.

Das FA M I stellte im Rahmen einer Steuerfahndungsprüfung in 1982 für die Jahre 1971 bis 1981 fest, daß P. Sch. seinen Wohnsitz im Inland auch nach dem 31.12.1973 nicht aufgegeben hatte.

Seine auch während des Streitjahres angemietete Wohnung in M kündigte P. Sch. erst am 31.07.1988. Kurz darauf (September/Oktober 1988) erfolgte die Abmeldung beim Einwohnermeldeamt der Stadt M.

P. Sch. erwarb 1974 Inhaberaktien der C-AG mit Sitz in Liechtenstein. Diese Beteiligung erhöhte P. Sch. durch Zukauf weiterer Aktien. Durch Thesaurierung laufender Dividenden bildete P. Sch. ein „stilles Einlagekonto”. Nach Feststellung der Steuerfahndung München erhielt P. Sch. jährliche Dividenden von 30 % sowie eine 16%ige Verzinsung des Einlagekontos.

Da P. Sch. trotz Aufforderung keine ESt-Erklärung für das Kalenderjahr 1983 abgab, schätzte das FA die ESt 1983 mit Bescheid vom 24.02.1986 in Höhe von 92.182 DM. Dabei legte das FA die Feststellungen der Steuerfahndung M zugrunde und schätzte die Einnahmen aus Kapitalvermögen auf 190.000 DM. Die Bekanntgabe dieses Schätzungsbescheides erfolgte an die Rechtsanwälte W und W, M.

Am 04.11.1982 reichten die o.g. Rechtsanwälte beim Finanzamt M V eine vom 28.04.1982 datierte Vollmacht des P. Sch. ein. Mit dieser Vollmacht beauftragte und bevollmächtigte P. Sch. die o.g. Rechtsanwälte in Sachen Veranlagungen Einkommensteuer, Umsatzsteuer und Vermögenssteuer, insbesondere zur außergerichtlichen Regelung des Streitverhältnisses und zur Abgabe und Entgegennahme von Willenserklärungen gegenüber Dritten. Desweiteren ist die Berechtigung zur Erteilung einer Untervollmacht vorgesehen.

Mit Schreiben vom 04.11.1982 baten die Rechtsanwälte, die Zustellungsvollmacht zu vermerken. Zugleich baten sie um die Übersendung der ESt-, USt-, VSt-Bescheide vom 15.10.1982.

In der Folgezeit waren die o.g. Rechtsanwälte mehrmals in steuerlichen Angelegenheiten des P. Sch. gegenüber dem FA M V tätig. Wegen der Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung (EE) vom 21.11.1995 betreffend ESt 1983 verwiesen.

Zur Begründung des Einspruches trug P. Sch. – vertreten durch den Kl. als dem damaligen Betreuer – vor, der ESt-Bescheid 1983 vom 24.02.1986 sei nicht wirksam ergangen, da er nicht wirksam bekannt gegeben worden sei. Die Kanzlei W und Kollegen sei im Zeitpunkt der Zustellung des Bescheides nicht allgemein zur Wahrnehmung steuerlicher Belange sondern ausschließlich im Rahmen eines schwebenden Steuerstreitverfahrens für frühere Jahre vor dem Finanzgericht München hinsichtlich der Prozeßvertretung bevollmächtigt gewesen. Eine allgemeine Vollmacht seinerseits zur Entgegennahme von ihn betreffenden Steuerbescheiden habe nicht vorgelegen.

Das FA verwarf den Einspruch wegen Fristversäumung als unzulässig (EE vom 21.11.1995). Zur Begründung führte es aus, die Einspruchsfrist sei am 27.03.1986 abgelaufen. Der Einspruch sei erst am 25.08.1995 und damit verspätet beim Finanzamt eingegangen. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand komme wegen Fristablaufes gemäß § 110 Abs. 3 Abgabenordnung (AO) nicht in Betracht.

Die Bekanntgabe des angefochtenen Bescheides sei wirksam an die Rechtsanwälte W und W erfolgt, da eine wirksame Vollmacht vorgelegen habe. Gemäß § 80 Abs. 1 Satz 1 AO könne sich ein Steuerpflichtiger durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen. Die Erteilung einer Vollmacht setze Beteiligungs- und Handlungsfähigkeit voraus. Die Vollmacht ermächtige gemäß § 80 Abs. 1 Satz 2 AO zu allen das Verwaltungsverfahren betreffenden Verfahrenshandlungen, sofern sich aus ihrem Inhalt nicht etwas anderes ergebe. Da eine Vollmacht zu allen das Verwaltungsverfahren betreffenden Verfahrenshandlungen ermächtige, schließe sie die Empfangsvollmacht ein. Das FA könne, soweit die Vollmachtserklärung nicht eingeschränkt sei, davon ausgehen, daß die Vollmacht zu allen das Verwaltungsverfahren betreffenden Verfahrenshandlungen ermächtige. Mögliche Einschränkungen der Vertretungsmacht bezögen sich auf das Außenverhältnis und müßten dem FA gegenüber zum Ausdruck gebracht werden. Der Widerruf einer Vollmacht werde dem FA gegenüber gemäß § 80 Abs. 1 Satz 4 AO erst mit Zugang wirksam. Bis zu diesem Zeitpunkt könne sich das FA an den ihm bekannten Bevollmächtigten halten. Etwaige Zweifel gingen zu Lasten des Steuerpflichtigen.

P. Sch. habe die Recht...

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