Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufwendungen für ein Ortho-Training, für nicht verschreibungspflichtige Medikamente und für die Ausstellung eines Schwerbehindertenausweises als agB
Leitsatz (redaktionell)
1) Aufwendungen (Mitgliedsbeiträge) für ein Ortho-Training und für nicht verschreibungspflichtige Medikamente sind nicht als agB abziehbar.
2) Aufwendungen für die Ausstellung eines Schwerbehindertenausweises sind vom Schwerbehindertenpauschbetrag gemäß § 33b Abs. 3 EStG umfasst und daher nicht zusätzlich als agB nach § 33 Abs. 1 EStG abziehbar.
Normenkette
EStG § 12 Nr. 1; EStDV § 64; EStG §§ 33b, 33
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob diverse Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen anzuerkennen sind.
Die Kläger sind Eheleute, die in den Streitjahren 2017 und 2018 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden.
Im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärung 2017 machten die Kläger Aufwendungen in Höhe von insgesamt 21.166 € (19.561,99 € für die Klägerin und 1.305,92 € für den Kläger) geltend. Darin enthalten waren u.a. Aufwendungen für Klinikbesuche in A und B in Höhe von 3.479,05 € sowie Aufwendungen für ein Rückenmuskeltraining (Ortho-Training) des Klägers in Höhe von 891,00 €. Der Beklagte berücksichtigte diese (und weitere Aufwendungen) im Einkommensteuerbescheid vom 18.02.2019 nicht als außergewöhnliche Belastungen an. Er berücksichtigte nur außergewöhnliche Belastungen in Höhe von 3.072 €, unter Abzug einer zumutbaren Eigenbelastung in Höhe von 2.374 € ergab sich ein nach § 33 EStG abzugsfähiger Betrag in Höhe von 698 €.
Hiergegen legten die Kläger m 03.03.2019 Einspruch ein. Der Einspruch richtete sich gegen die Nichtberücksichtigung von Aufwendungen in Höhe von 3.479,05 € für die Klägerin (Klinikaufenthalte) und in Höhe von 891 € für den Kläger (Ortho-Training). Aufwendungen in Höhe von 13.068 € basierten auf einem Übertragungsfehler des Steuerberaters und seien zu Unrecht geltend gemacht worden. Mit Änderungsbescheid vom 16.05.2019, der Gegenstand des Einspruchsverfahrens wurde, erkannte der Beklagte weitere Aufwendungen in Höhe von 2.446,00 € (Erhöhung der außergewöhnlichen Belastungen von 3.072 € auf 5.518 €) für die Klinikaufenthalte in A und B als außergewöhnliche Belastungen an. Im Verlauf des Einspruchsverfahrens erließ der Beklagte einen weiteren nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO geänderten Änderungsbescheid vom 17.01.2020, der jedoch keine Änderungen in Bezug auf die außergewöhnlichen Belastungen zum Gegenstand hatte.
Im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärung 2018 machten die Kläger neben Reise- und Behandlungskosten für Krankenhausaufenthalte, Reha-Maßnahmen und Fahrtkosten zu Arztterminen in Höhe von insgesamt 7.890 € (1.777,18 € für den Kläger, 6.111,17 € für die Klägerin) als außergewöhnliche Belastungen geltend. Darin enthalten waren u.a. Aufwendungen für Arzneimittel, Kontaktlinsen und Hilfsmittel in Höhe von insgesamt 760,22 € für die Klägerin sowie Aufwendungen für ein Rückenmuskeltraining (Ortho-Training) des Klägers in Höhe von 760,00 € (Beitrag und Fahrtkosten), ferner Rechtsanwaltskosten sowie Kosten für die Ausstellung eines Schwerbehindertenausweises für die Klägerin.
Der Beklagte erkannte u.a. die Aufwendungen für das Ortho-Training des Klägers (760,00 €), Ausgaben für die Rheuma-Liga (87,00 €) sowie Aufwendungen für Medikamente der Ehefrau (477,22 €) mangels entsprechender ärztlicher Verordnungen im Einkommensteuerbescheid 2018 vom 17.01.2020 nicht als außergewöhnliche Belastungen an. Ferner berücksichtigte der Beklagte Rechtsanwaltskosten in Höhe von 999,30 € und die Aufwendungen (Gebühr in Höhe von 80 € und Passbild in Höhe von 19 €) im Zusammenhang mit der Ausstellung des Schwerbehindertenausweises für die Klägerin nicht. Aufwendungen in Höhe von 5.465 € erkannte der Beklagte als außergewöhnliche Belastungen an, nach Abzug der zumutbaren Eigenbelastung in Höhe von 2.032 € ergab sich ein nach § 33 EStG abziehbarer Betrag in Höhe von 3.433 €.
Hiergegen legten die Kläger am 18.02.2020 Einspruch. Bei den Kosten für Medikamente handele es sich auch ohne Vorliegen entsprechender ärztlicher Verordnungen um ständig erforderliche Einkäufe, die nicht nur gelegentlich anfielen. Allein diese Tatsache sei Indiz für die Zwangsläufigkeit. Die Aufwendungen für das „Ortho-Training” seien ebenfalls zwangsläufig, dies ergebe sich aus dem vorgelegten fachärztlichen Gutachten aus dem Jahr 2008 sowie der ebenfalls vorgelegten amtsärztlichen Bescheinigung vom 05.07.2019.
Mit Einspruchsentscheidung vom 23.04.2020 änderte der Beklagte die angefochtenen Einkommensteuerbescheide 2017 und 2018 dahingehend ab, dass er die Einkommensteuer nunmehr wie folgt festsetzte:
Steuer |
Jahr |
Höhe |
Einkommensteuer |
2017 |
5.156,00 € |
Ev. Kirchensteuer |
2017 |
464,04 € |
Solidaritätszuschlag |
2017 |
284,57 € |
Einkommensteuer |
2018 |
2.340,00 € |
Ev. Kirchensteuer |
2018 |
210,60 € |
Solidaritätszuschlag |
2018 |
79,20 € |
Übernachtungs- und Fahrtkosten für den Aufenthalt in der Uniklinik B seien insoweit als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtig...