Entscheidungsstichwort (Thema)
Grunderwerbsteuerpflicht nach Zusammenlegung mehrerer katholischer Kirchengemeinden
Leitsatz (redaktionell)
1) Die Zusammenlegung mehrerer katholischer Kirchengemeinden, die GmbH-Gesellschafter sind, löst gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG hinsichtlich der von den GmbHs gehaltenen Grundstücken Grunderwerbsteuer aus.
2) Das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften gemäß Art. 140 WRV i.V. mit Art. 137 Abs. 3 WRV rechtfertigt keine einschränkende Auslegung von § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG.
3) Eine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG oder § 4 Nr. 1 GrEStG kommt nicht in Betracht.
Normenkette
WRV Art. 137 Abs. 3, Art. 140; GrEStG § 1 Abs. 3
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob der Erwerb sämtlicher Anteile an einer GmbH durch eine Kirchengemeinde, der aus der Errichtung dieser Kirchengemeinde durch die Vereinigung verschiedener Kirchengemeinden resultiert, der Grunderwerbsteuer unterliegt und ob er aus verfassungsrechtlichen Gründen von der Grunderwerbsteuer ausgenommen sein muss.
Die Klägerin ist eine Kirchengemeinde in H-Stadt und hat den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts. Sie wurde durch Urkunde des Bischofs von F-Stadt vom 15.08.2007 errichtet. Unter Nr. 1 der Errichtungsurkunde heißt es, nach Anhörung aller unmittelbar Beteiligten und des Priesterrates (gem. can. 515 § 2 Codex Iuris Cononici – CIC –) würden die Propstei bzw. Pfarreien und Kirchengemeinden St. V, St. N, St. L, St. O, St. Q, St. U, St. K und I, St. M und St. C vereinigt; aus ihnen werde die Klägerin neu errichtet (gem. can. 121 CIC). Die genannten Kirchengemeinden hatten ebenfalls den Status von Körperschaften des öffentlichen Rechts. Unter Nr. 3 der bischöflichen Urkunde ist ausgeführt, dass das gesamte Kirchenvermögen (einschließlich aller Forderungen, Verbindlichkeiten und Immobilien), die Kirchenbücher und die Akten der aufgehobenen Pfarreien und Kirchengemeinden der neu errichteten Klägerin (als ausschließlicher Rechtsnachfolgerin) zugeführt würden. Der Regierungspräsident N-Stadt erkannte die bischöfliche Urkunde (gem. § 4 der Vereinbarung über die staatliche Mitwirkung bei der Bildung und Veränderung katholischer Kirchengemeinden vom 21.11.1960 [Vereinbarung vom 21.11.1960]) durch Urkunde vom 26.09.2007 staatlich an. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die im Amtsblatt für den Regierungsbezirk N-Stadt vom 12.10.2007, Seite 484 f. veröffentlichen Urkunden (die auch im Amtsblatt des Erzbistums F-Stadt veröffentlicht wurden) Bezug genommen.
Die von der Vereinigung betroffenen Kirchengemeinden St. L und St. C (im Folgenden: „übertragende Gemeinden”) waren Gesellschafter der F katholische caritative Gesellschaft mit beschränkter Haftung (F-GmbH). Die Kirchengemeinde St. L war mit 80 % und die Kirchengemeinde St. C mit 20 % am Stammkapital der F-GmbH beteiligt. Unternehmensgegenstand der GmbH waren die Unterhaltung, die Errichtung, der Erwerb und der Betrieb katholischer caritativer Einrichtungen, wie der Betrieb eines Kinderheims, eines Alten- und Pflegeheims und ähnlicher caritativer Institutionen. Die F-GmbH hatte Grundbesitz. Zudem war sie Alleingesellschafterin der ebenfalls über Grundbesitz verfügenden F-Krankenhaus-GmbH. Einige der Grundstücke lagen nicht im Zuständigkeitsbereich des Beklagten. Sowohl die F-GmbH als auch die F-Krankenhaus-GmbH waren als gemeinnützig anerkannt; sie verfolgten ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige, mildtätige und kirchliche Zwecke. In dem jeweiligen Gesellschaftsvertrag war das Selbstverständnis der Caritas als einer Wesensfunktion der katholischen Kirche hervorgehoben.
Zeitlich vor Errichtung der Klägerin hatte die F-GmbH einen Antrag auf verbindliche Auskunft beim Finanzamt H-Stadt A gestellt und mitgeteilt, die Kirchengemeinde St. L beabsichtige, ihre Anteile unentgeltlich auf die Kirchengemeinde St. C zu übertragen. Der Antrag auf verbindliche Auskunft betraf die Frage, ob die Übertragung der Anteile von der Grunderwerbsteuer befreit sei. Das Finanzamt H-Stadt A erteilte der F-GmbH unter dem 26.04.2007 die verbindliche Auskunft, dass dies (gem. § 3 Nr. 2 Grunderwerbsteuergesetz – GrEStG –) der Fall sei.
Ende August 2011 begann das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung I-Stadt mit einer Außenprüfung bei der Klägerin. Die Außenprüfung betraf die Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer sowie die Feststellung der Grundbesitzwerte. Der Prüfer gelangte zu dem Schluss, dass durch den Übergang des Kirchenvermögens auf die Klägerin die Anteile an der F-GmbH zu 100 % in der Hand der Klägerin vereinigt worden seien. Hierdurch sei ein Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG verwirklicht worden. Betroffen seien sowohl die Grundstücke, die sich im Eigentum der F-GmbH befänden, als auch diejenigen, deren Eigentümerin die F-Krankenhaus-GmbH sei. In Anlage 1 zum Betriebsprüfungsbericht werden auf den Blättern 1 bis 8 die Grundstücke der F-GmbH und auf Blatt 9 die Gr...