Entscheidungsstichwort (Thema)

Inhaftungnahme gem. § 71 AO

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens bis zum 13.2.1996 werden dem Beklagten zu 26 % und dem Kläger zu 74 %, die Kosten des weiteren Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.

 

Gründe

Zu entscheiden ist, ob der Beklagte (Bekl.) den Kläger (Kl.) zu Recht in Haftung genommen hat.

Mit Urteil vom 11.10.1991 verurteilte die 6. große Strafkammer des Landgerichts … den Kl. wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 6 Monaten. Die Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt und dem Kl. u.a. auferlegt, eine Geldbuße von 60.000,00 DM zu zahlen und zwar bei Inanspruchnahme durch das Finanzamt (FA) hinsichtlich der hinterzogenen Beträge an dieses, ansonsten an die Landeskasse.

Nach den Feststellungen des Gerichts hatte es der Kl. dem Steuerpflichtigen … und seinem Geschäftsführer … Zeitraum 1983–1990 ermöglicht, Steuern i.H.v. insgesamt 682.845, 56 DM zu hinterziehen, und zwar Umsatzsteuer (USt) für 1983–1990 i.H.v. 189.447,56 DM, Gewerbesteuer (GewSt) für 1983–1988 i.H.v. 161.736,00 DM und Einkommensteuer (ESt) für 1984–1988 i.H.v. 331.662,00 DM. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Urteil des Landgerichts … vom 11.10.1991 verwiesen.

Wegen zu diesem Zeitpunkt noch offener Steuerrückstände des Steuerpflichtigen … i.H.v. insgesamt 714.639,73 DM (USt 1983–1988 und 1990; ESt 1986, 1989 und 1990) sowie zu diesem Zeitpunkt ebenfalls noch nicht beglichener Hinterziehungszinsen (zur USt 1985–1990 und zur ESt 1985–1988) i.H.v. 87.544,50 DM nahm der Bekl. den Kl. am 17.02.1992 nach entsprechender Ankündigung unter Berufung auf § 71 AO in Höhe eines Betrages von 440.804,61 DM in Haftung. Von diesem Betrag entfielen auf rückständige ESt 1989 47.746,05 DM und rückständige ESt 1990 66.780,00 DM. Wegen der weiteren Einzelheiten der Ermittlung der Haftungssumme und ihrer Zusammensetzung wird auf die vom Bekl. dem Haftungsbescheid beigefügten Anlagen verwiesen.

Seinen Haftungsanspruch begründete der Bekl. damit, daß eine Inanspruchnahme des Steuerschuldners … selbst nicht zum Erfolg geführt habe. Der Steuerschuldner sei freiwillig nicht bei reit gewesen zu zahlen. Aber auch durch Vollstreckungsmaßnahmen hätten die rückständigen Beträge nicht eingezogen werden können. Er halte es daher für ermessensgerecht, den Kl. als für die Nichtzahlung mitverantwortliche Person zur Haftung heranzuziehen, wobei sich der Haftungsumfang auf die durch die Mitwirkung des Kl. eingetretene Steuerverkürzung beschränke.

Gegen diesen Bescheid legte der Kl. mit Schreiben vom 28.02.1992 Einspruch ein.

Der angefochtene Bescheid sei bereits deshalb, rechtswidrig, da er vor Erlaß dieses Bescheides nicht angehört worden sei.

Auch sei die Begründung des angefochtenen Bescheides unzureichend. Weder sei die Berechnung der der – Inhaftungnahme zugrundegelegten Steuerschulden nachvollziehbar dargelegt worden noch sei es für ihn möglich, auf Grund der Ausführungen in dem angefochtenen Bescheid festzustellen, ob und in welchem Umfang er an der Verkürzung dieser Beträge mitgewirkt habe. Der Bekl. habe zudem lediglich in allgemein gehaltenen Formulierungen darauf hingewiesen, daß die der Inhaftungnahme zugrundegelegten Beträge durch Vollstreckungsmaßnahmen nicht hätten eingezogen werden können. Dem angefochtenen Bescheid könne jedoch nicht detailliert entnommen werden, wann, wer, welche Beträge mit welcher Bestimmung erbracht habe und daß die Verbuchung der eingegangenen Beträge ordnungsgemäß erfolgt sei.

Die Entscheidung des Bekl., die zum Erlaß des angefochtenen Haftungsbescheides geführt habe, sei zudem ermessensfehlerhaft. So seien bei einer Inhaftungnahme auch die persönlichen Belange des Haftenden zu berücksichtigen. Dies sei im vorliegenden Fall jedoch offensichtlich nicht geschehen. Auch sei es im Hinblick auf die vom Landgericht … verhängte Bewährungsauflage sowohl unangemessen als auch unverhältnismäßig und ginge es über das im öffentlichen Interesse notwendige Maß hinaus, ihn (den Kl.) in Höhe eines Betrages in Haftung zu nehmen, der erheblich über den vom Landgericht … genannten Betrag von 60.000,00 DM liege, obwohl er keinerlei Vorteile durch seine Beihilfe zur Steuerhinterziehung hatte, sondern von ihm selbst sämtliche Umsätze ordnungsgemäß versteuert worden seien. Auch sei er an den Schwarzlieferungen nicht interessiert gewesen und habe weitergehende Forderungen des Steuerpflichtigen … abgelehnt. Er habe zudem im Vertrauen darauf, daß ihm nach billigem Ermessen keine erheblichen Nachteile entstehen würden, im Rahmen des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens bereitwillig und ohne Verschleierungs- und Verzögerungstaktiken an der Sachverhaltsaufklärung mitgewirkt. Nach den Feststellungen des Strafurteils sei er darüber hinaus lediglich als Gehilfe tätig geworden. Der Vorwurf der vorsätzlichen Beihilfe zur Steuerhinterziehung sei ihm nicht gemacht worden. Seine steuerliche Leistungsfähigkeit, die im Rahmen der zu treffenden Ermessensentscheidung zu prüfen sei,...

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