rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Finanzrechtsweg für Verpflichtungsklage auf Gewährung von Akteneinsicht und Auskunftserteilung - Verdrängung der Datenschutzgesetze des Bundes und der Länder durch bewussten und abschließenden Regelungsverzicht des AO-Gesetzgebers - Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung im Rahmen der Gewährung rechtlichen Gehörs
Leitsatz (redaktionell)
1) Das Begehren des Steuerpflichtigen, ihm unter Aufhebung der ablehnenden Entscheidung des Finanzamts - nach Abschluss eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens - Einsicht in die bei der Finanzbehörde geführten, seine Person betreffenden Steuerakten zu gewähren und ihm Auskünfte über die bei der Finanzbehörde gespeicherten persönlichen Daten zu erteilen, ist mit der Verpflichtungsklage auf dem Finanzrechtsweg zu verfolgen.
2) Die etwaige Informations- und Akteneinsichtsrechte begründenden Vorschriften des IFG NRW, des DSG NRW sowie anderer Datenschutzgesetze des Bundes und der Länder sind aufgrund des bewussten und abschließenden diesbezüglichen Regelungsverzichts in der AO auf das Besteuerungsverfahren nicht anwendbar.
3) Die Nichtberücksichtigung der landesrechtlichen Regelungen des IFG NRW und des DSG NRW verletzt nicht den Anspruch des Steuerpflichtigen auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über sein Akteneinsichtsgesuch.
Normenkette
AO 1977 §§ 30, 91, 118, 364; GG Art. 31, 108, 108 Abs. 2, 2 S. 1, Abs. 5, 5 S. 1; FGO §§ 33, 33 Abs. 1, 1 Nr. 1, Abs. 2, §§ 40, 40 Abs. 1, § 102; VwGO §§ 40, 40 Abs. 1, 1 S. 1; IFG NRW § 4; IFG NRW § 4 Abs. 1; IFG NRW § 4 Abs. 2; IFG NRW § 5; IFG NRW § 5 Abs. 1; IFG NRW § 5 Abs. 1 S. 3; DSG NRW §§ 2, 2 Abs. 3, § 18; Richtlinie 95/46/EG Art. 12-13; AO 1977 § 5
Nachgehend
BFH (Aktenzeichen VII B 2/04) |
Tatbestand
Streitig ist, ob der Kläger ein Recht auf Einsicht in die beim Beklagten hinsichtlich seiner Person geführten Akten und einen Anspruch auf Auskunft über die beim Beklagten gespeicherten bzw. vorhandenen Daten hinsichtlich seiner Person hat.
Der Kläger ist als Arzt freiberuflich tätig. Er betreibt seine Praxis im Erd- und Kellergeschoss des eigenen Hauses X, L-straße … Die Obergeschosswohnung des Hauses war nach seinen Angaben in den Kalenderjahren 1996 bis 1999 an seine spätere Schwiegermutter vermietet. Aus dieser Vermietung ergaben sich nach Darstellung des Klägers in den Streitjahren Verluste bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 201.875,– DM.
Der Beklagte begann am 23. April 2001 mit einer Betriebsprüfung – Bp –, die sich auf die Einkommensteuer – ESt – der Jahre 1996 bis 1999 erstreckte. Auf Grund des Umstandes, dass die Mieterin ihren Hauptwohnsitz in O unterhielt, vermuteten die Prüfer, dass der Kläger die Obergeschosswohnung nur zum Schein vermietet habe, und teilten diesen Anfangsverdacht dem Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung N – STRAFA-FA – mit. Dieses leitete am 30. April 2001 ein Steuerstrafverfahren gegen den Kläger ein. Dessen Strafverteidiger nahm in die diesbezüglichen Ermittlungsakten Akteneinsicht. Das Strafverfahren wurde am 31. Mai 2002 nach § 170 Abs. 2 der Strafprozessordnung – StPO – eingestellt.
Mit Schreiben vom 28. Februar 2002 – eingegangen beim Beklagten am 1. März 2002 – beantragte der Kläger Einsicht in seine Steuerakten sowie Auskunft über die beim Beklagten vorhandenen bzw. gespeicherten Daten hinsichtlich seiner Person und berief sich dabei auf das Gesetz über die Freiheit des Zugangs zu Informationen für das Land Nordrhein-Westfalen (Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen) – IFG NRW – vom 27. November 2001 (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Nordrhein-Westfalen 2001, 806).
Der Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 2. Mai 2002 ab. Er führte zur Begründung im Wesentlichen aus: Das Bundesrecht (hier: die Abgabenordnung – AO –) habe Vorrang vor der landesrechtlichen Regelung über den Informationszugang nach § 4 Abs. 1 IFG NRW. Die AO sehe aber keinen Rechtsanspruch auf Akteneinsicht vor. Vielmehr sei die Gewährung einer Einsichtnahme in die Steuerakten in das Ermessen der Finanzbehörde gestellt. Akteneinsicht werde nur gewährt, wenn das Gesuch auf Akteneinsicht in einem unmittelbaren Zusammenhang zum Gegenstand des steuerlichen Verwaltungsverfahrens stehe, wofür im Streitfall keine Anhaltspunkte ersichtlich seien. Zudem genüge der Antrag des Klägers nicht den Anforderungen des § 5 Abs. 1 Satz 3 IFG NRW, weil er nicht erkennen lasse, auf welche Informationen er gerichtet sei. Wegen der weiteren Einzelheiten des ohne eine Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Ablehnungsbescheides wird auf Bl. 54 bis 55 des Verwaltungsvorgangs verwiesen.
Der Kläger legte hiergegen am 22. Juli 2002 unter Bezugnahme auf ein Schreiben vom 6. Juni 2002 der von ihm angerufenen Landesbeauftragten für den Datenschutz Nordrhein-Westfalen Einspruch ein. Diese vertrat die Auffassung, der Kläger habe grundsätzlich einen allgemeinen, „voraussetzungslosen” und „verfahrensunabhängigen” Anspruch auf Zugang zu seiner Steuerakte ...