Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufhebung eines bestandskräftigen Kindergeld-Aufhebungsbescheids

 

Leitsatz (redaktionell)

Rechtsgrundlage für eine Änderung eines bestandskräftigen Kindergeldaufhebungsbescheids, weil aufgrund der BVerfG-Entscheidung vom 11.1.2005 - 2 BvR 167/02, NJW 2005, 1923 = FR 2005, 706 die Sozialversicherungsbeiträge des Kindes vom eigenen Einkommen abzuziehen waren, ist § 70 Abs. 4 EStG. Die Korrektur kann auch auf einer geänderten Rechtsauffassung der Kindergeldkasse beruhen und braucht sich nicht allein auf neue Tatsachen zu stützen.

 

Normenkette

EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2a, S. 2, § 70 Abs. 4

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 21.06.2007; Aktenzeichen III R 94/06)

BFH (Urteil vom 21.06.2007; Aktenzeichen III R 94/06)

 

Tatbestand

Zu entscheiden ist, ob ein bestandskräftiger Aufhebungsbescheid aufgehoben oder abgeändert werden kann, wenn der Familienkasse nachträglich die Höhe der Sozialversicherungsbeiträge des Kindes im Prognosejahr bekannt wird, nach deren Abzug die Einkünfte und Bezüge des Kindes den Grenzbetrag i. S. v. § 32 Abs. 4 Satz 2 Einkommensteuergesetz (EStG) nicht überschreiten.

Der Kläger (Kl.) ist Vater zweier Kinder, darunter des am 20.10.1981 geborenen Sohnes E. Der Kl. bezog für beide Kinder Kindergeld.

Der Sohn befand sich im Jahr 2002 in einer Ausbildung zum Automobilmechaniker. Ausweislich einer Ausbildungsbescheinigung vom 24.06.2002, welche der Kl. bei der Bekl. am 17.07.2002 eingereicht hatte, erhielt der Sohn in 2002 eine Ausbildungsvergütung inklusive Sonderzuwendungen i. H. v. insgesamt 8.847,83 EUR. Die Höhe der Sozialversicherungsbeiträge des Sohnes war in der Ausbildungsbescheinigung nicht ausgewiesen.

Nach Aufforderung durch die Beklagte (Bekl.) reichte der Kl. eine Erklärung zu den Werbungskosten (WK) seines Sohnes in 2002 ein. Wegen Einzelheiten wird auf die Erklärung, Bl. 63 der Kindergeldakte (Kg-A.), verwiesen.

Mit Bescheid vom 09.09.2002 hob die Bekl. gegenüber dem Kl. die Festsetzung von Kindergeld für den Sohn rückwirkend ab Januar 2002 auf und forderte den Kl. zugleich zur Erstattung des für Januar 2002 bis einschließlich Juni 2002 erhaltenen Kindergeldes i. H. v. insgesamt 924,00 EUR auf.

Zur Begründung des Bescheides führte die Bekl. an, dass die Einkünfte und Bezüge des Sohnes in 2002 (voraussichtlich) die maßgebliche Einkommensgrenze des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG i. H. v. 7.188,00 EUR überschreiten werden.

Dabei ging die Bekl. von einer Ausbildungsvergütung i. H. v. 8.847,00 EUR (brutto) aus und zog davon WK i. H. v. 1.069,00 EUR ab. Hierbei erkannte die Bekl. Aufwendungen für Fahrten an 142 Tagen zwischen Wohnung und Ausbildungsstätte mit der erklärten Entfernung von 15 km sowie Fahrten zur Berufsschule an 88 Tagen mit der erklärten Wegstrecke für die Hin- und Rückfahrt von 20 km an, wonach sich Fahrtkosten i. H. v. insgesamt rund 1.323,00 EUR ergaben. Davon zog die Bekl. eine dem Vorjahr betragsmäßig entsprechende Arbeitgeberzahlung für Fahrtenkosten i. H. v. rund 254,00 EUR ab. Die im Übrigen erklärten WK erkannte die Bekl. dagegen nicht an.

Der Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid war mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen. Davon abgesetzt enthielt der Bescheid nach einer in Fettdruck formatierten und unterstrichenen Überschrift „Wichtiger Hinweis:” folgenden Text:

„Falls nach Ablauf des Jahres feststeht, dass die Einkünfte und Bezüge ihres Kindes den jährlichen Grenzbetrag nicht überschritten haben, können sie einen erneuten Antrag auf Festsetzung des Kindergeldes stellen.”

Gegen den Bescheid vom 09.09.2002 erhob der Kl. am 09.10.2002 zunächst Einspruch, welchen er damit begründete, dass die weiteren erklärten WK ebenfalls zu berücksichtigen seien. Diesen Einspruch nahm der Kl. am 11.12.2002 zurück.

Mit Schreiben vom 21.11.2005 legte der Kl. „gegen den Ablehnungsbescheid auf Gewährung von Kindergeld für 2002/2003 frist- und formwahrend Einspruch” ein. Zur Begründung verwies er auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 11.01.2005, 2 BvR 167/02, NJW 2005, 1923, wonach die gesetzlichen Sozialversicherungsbeiträge des Kindes bei der Berechnung der für den Grenzbetrag nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG maßgeblichen Einkünfte und Bezüge des Kindes in Abzug zu bringen seien. Weiter forderte der Kl. die Bekl. auf, ihm für die Jahre 2002 und 2003 rückwirkend Kindergeld zu gewähren. Dem Schreiben beigefügt war die Lohnsteuerkarte 2002 des Sohnes (vgl. Bl. 84 f. Kg-A). Danach erhielt der Sohn im Jahr 2002 – abweichend von der Ausbildungsbescheinigung vom 24.06.2002 – eine Ausbildungsvergütung i. H. v. 8.894,01 EUR (brutto) sowie eine Fahrtkostenerstattung i. H. v. 262,68 EUR; daneben wies die Lohnsteuerkarte 2002 Sozialversicherungsbeiträge des Sohnes i. H. v. 1.786,15 EUR aus.

Das Schreiben des Kl. wertete die Bekl. sowohl als (erneuten) Einspruch gegen den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 09.09.2002 als auch als Antrag auf rückwirkende Festsetzung von Kindergeld u. a. für 2002. Den Einspruch wies die Bekl. mit Einspruchsentscheidung (EE) vom ...

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