Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Rechtsschutzbedürfnis für die isolierte Anfechtung des Vorbehalts der Nachprüfung bezüglich der Festsetzung eines Verspätungszuschlags
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Regelungen zum Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1, 2 AO gelten nur für Steuern, nicht aber für steuerliche Nebenleistungen im Sinne von § 3 Abs. 4 AO, zu denen auch der Verspätungszuschlag gehört.
2. Bei einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erstreckt sich der Vorbehalt nicht auf die Festsetzung des Verspätungszuschlags (Anschluss an BFH-Urteil vom 14.06.2000, X R 56/98, BStBl. II 2001, 60). Eine Klage mit dem einzigen Begehren, den Vorbehalt hinsichtlich der Festsetzung eines Verspätungszuschlags aufzuheben, ist unzulässig.
Normenkette
AO § 164 Abs. 1, § 152 Abs. 11, § 3 Abs. 4 Nr. 2
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Bescheid über den Verspätungszuschlag zur Körperschaftsteuer 2019 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (VdN) ergangen und der VdN aufzuheben ist.
Mit Körperschaftsteuerbescheid vom 02.12.2021 setzte der Beklagte gegenüber der Klägerin die Körperschaftsteuer 2019 in Höhe von … €. Dabei schätzte er wegen Nichtabgabe der Körperschaftsteuererklärung die Besteuerungsgrundlagen und ging von einem steuerlichen Jahresüberschuss in Höhe von … € aus. Zudem setzte der Beklagte einen Verspätungszuschlag in Höhe von 300 € fest (12*Mindestbetrag von 25 €). Der Bescheid erging nach § 164 Abs. 1 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
Gegen den Bescheid über den Verspätungszuschlag zur Körperschaftsteuer 2019 legte die Klägerin am 05.01.2022 Einspruch ein. Dabei wies die Klägerin darauf hin, dass sich der Einspruch auch gegen die Festsetzung des Verspätungszuschlags richte. Zur Begründung trug die Klägerin vor, dass sie im Jahr 2019 keine Umsätze und Erträge erzielt habe. Die Steuererklärung werde kurzfristig nachgereicht.
Mit Einspruchsentscheidung vom 09.03.2022 wies der Beklagte die Einsprüche der Klägerin wegen Gewerbesteuermessbetrag 2019, gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2019, Körperschaftsteuer 2019, Verspätungszuschlag zur Körperschaftsteuer 2019, gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 27 und 28 KStG zum 31.12.2019 und gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer zum 31.12.2019 als unbegründet zurück. Zugleich führte die Einspruchsentscheidung aus:
„Die Bescheide ergehen weiterhin unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abgabenordnung.
Der Körperschaftsteuerbescheid 2019 ergeht weiterhin vorläufig gem. § 165 der Abgabenordnung hinsichtlich der im angefochtenen Bescheid aufgeführten Punkte.”
Hiergegen hat die Klägerin Klage erhoben. Der Bescheid über den Verspätungszuschlag dürfe nicht unter dem VdN ergehen. Die selbständige Anfechtung der Nebenbestimmung sei daher zulässig. Die Einspruchsentscheidung unterscheide nicht im Hinblick auf die dort zusammengefassten Bescheide, sondern tenoriere, dass diese unter dem VdN stünden. Dies lasse zumindest den Schluss zu, dass im Rahmen der Einspruchsentscheidung auch der Verspätungszuschlag unter VdN gesetzt werden sollte. Der Beklagte habe die Folgen des „Tenorierungsproblems” zu tragen.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid über den Verspätungszuschlag zur Körperschaftsteuer 2019 vom 06.01.2022 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 09.03.2022 dahingehend zu ändern, dass der VdN aufgehoben wird;
hilfsweise, für den Unterliegensfall, die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Besteuerungsgrundlagen seien wegen Nichtabgabe der Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuererklärungen geschätzt worden. Die Schätzung sei (wie üblich) unter dem VdN erfolgt. Im Rahmen dieser Steuerbescheide sei der Verspätungszuschlag zur Körperschaftsteuer zu Recht in Höhe von 300 € festgesetzt worden. Dieser Verbund sei üblich und entspreche § 152 Abs. 11 AO. Mit diesem Verbund sei aber die Festsetzung des Verspätungszuschlags nicht unter VdN gestellt worden. Auch durch die Formulierung „die Bescheide ergehen weiterhin unter dem VdN” in der Einspruchsentscheidung sei kein Vorbehalt der Nachprüfung für den Verspätungszuschlag aufgenommen worden. Dies sei gem. § 164 Abs. 1 AO auch nicht möglich. Mit der Bezeichnung werde vielmehr deutlich, dass bisherige VdN bestehen blieben. Sollte irrtümlich von einem Vorbehalt der Nachprüfung für die Festsetzung des Verspätungszuschlags ausgegangen werden, so fehle es nach § 350 AO an der erforderlichen Beschwer. Ein irrtümlich angenommener VdN sei als unselbständige Nebenbestimmung nicht separat angreifbar. Gründe für eine Änderung des Verspätungszuschlags seien weder vorgetragen worden noch erkennbar.
Mit Beschluss vom 25.05.2022 hat der Senat den Rechtsstreit dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.
In der Sache hat am 22.08.2022 eine mündliche Verhandlung vor dem Einzelrichter stattgefunden, auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I. D...