Entscheidungsstichwort (Thema)
Frage der Rechtmäßigkeit der Änderung eines bestandskräftigen (ESt-)Bescheides aufgrund fehlerhafter Datenübertragung
Leitsatz (redaktionell)
Die Finanzbehörde kann gem. § 129 S. 1 AO Schreibfehler oder ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines VA unterlaufen sind, jederzeit berichtigen. Bei fehlerhaft übertragenen Lohnsteuerdaten handelt es sich um eine solche ähnliche offenbare Unrichtigkeit i.S.d. Vorschrift.
Normenkette
AO § 129 S. 1
Tatbestand
Streitig ist, ob die Klage zulässig ist (richtiger Beklagter – Bekl. –) und in der Sache, ob ein bestandskräftiger Einkommensteuer (ESt)-Bescheid nach § 129 Abgabenordnung (AO) geändert werden konnte.
Die Kläger (Kl.) sind verheiratet und wurden im Streitjahr zusammen zur ESt veranlagt. Sie bezogen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.
In ihrer ESt-Erklärung erklärten sie bei den Einkünften des Kl. aus nichtselbständiger Arbeit folgende Beträge:
|
Lohnsteuerbescheinigungen Steuerklasse 1 – 5 |
Lohnsteuerbescheinigungen Steuerklasse 6 |
Bruttoarbeitslohn |
33.478,00 EUR |
6.574,00 EUR |
Lohnsteuer |
6.057,26 EUR |
1.137,88 EUR |
Solidaritätszuschlag |
332,99 EUR |
62,54 EUR |
Kirchensteuer Arbeitnehmer |
545,02 EUR |
102,37 EUR |
Da der Kl. im Streitjahr in insgesamt vier Arbeits- bzw. Dienstverhältnissen tätig war, legte er dem Bekl. zum Nachweis der vorgenannten Eintragungen insgesamt vier ausgedruckte Lohnsteuerbescheinigungen für 2005 vor. Die Eintragungen hatten folgenden Inhalt
Arbeitgeber |
M. |
M. |
T1.-P. |
M. |
Dienstverhältnis |
01.01. – 11.02. |
01.01. – 31.07. |
01.02. – 31.07. |
22.08. – 31.12. |
Steuerklasse |
1 |
1/6 |
4 |
4 |
Brutto Arbeitslohn |
2.982,61 EUR |
6.574,74 EUR |
13.928,40 EUR |
16.568,63 EUR |
Lohnsteuer |
370,16 EUR |
1.137,88 EUR |
2.114,46 EUR |
3.572,64 EUR |
Solidaritätszuschlag |
20,29 EUR |
62,54 EUR |
116,28 EUR |
196,42 EUR |
Kirchensteuer AN |
33.23 EUR |
102,37 EUR |
190,26 EUR |
321,53 EUR |
Die Angaben in der Steuererklärung der Kl. entsprechen exakt den Angaben auf den Ausdrucken über die elektronischen Lohnsteuerbescheinigungen für 2005.
Der Bekl. hat bei der Bearbeitung der ESt-Veranlagung der Kl. für das Streitjahr nicht die von den Kl. zutreffend erklärten Werte der Besteuerung zugrunde gelegt. Stattdessen wurden für die Summe aller Arbeitsverhältnisse die Werte übernommen, wie sie dem Bearbeiter auf Grund einer unmittelbar von den Arbeitgebern erfolgten elektronischen Übermittlung der Daten angezeigt waren. Diese auf dem Bildschirm sichtbar gemachten Daten wurden von dem Sachbearbeiter durch einen Mausklick der zu bearbeitenden Erklärung zu Grunde gelegt. Hierdurch kam es zur Berücksichtigung von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit in folgender Höhe:
Arbeitgeber |
M. |
M. |
M. |
Summen |
Dienstverhältnis |
01.01. – 31.01. |
01.01. – 31.07. |
22.08. – 31.12. |
|
Steuerklasse |
1 |
6 |
4 |
|
Arbeitslohn |
2.208,49 EUR |
6.574,74 EUR |
16.568,63 EUR |
25.351,86 EUR |
Lohnsteuer |
262,91 EUR |
1.137,88 EUR |
3.572,64 EUR |
4.973,43 EUR |
Solidaritätszuschlag |
14,46 EUR |
62,54 EUR |
196,42 EUR |
273,42 EUR |
Kirchensteuer AN |
23,66 EUR |
102,37 EUR |
321,53 EUR |
447,56 EUR |
Unter Berücksichtigung dieser fehlerhaften Daten setzte der Bekl. mit Bescheid vom 16.08.2006 die ESt ausgehend von einem zu versteuernden Einkommen in Höhe von … EUR auf … EUR fest. Angaben darüber, dass von der Steuererklärung abgewichen werden sollte, befinden sich nicht in den Akten.
Im Laufe einer Routineüberprüfung entdeckte der Bekl. im Frühjahr des Jahres 2007, dass es für den Kl. auf fehlerhaft übermittelte Steuerdaten zurückgegriffen bzw. überhaupt nicht übermittelte aber gleichwohl erklärte Daten außer Ansatz gelassen hatte. Mit Änderungsbescheid vom 17.04.2007 berücksichtigte der Bekl. die zutreffenden Beträge und setzte die ESt auf … EUR herauf. Als Änderungsvorschrift benannte er § 129 AO.
Gegen diesen Änderungsbescheid haben die Kl. mit Schreiben vom 09.05.2007 Einspruch eingelegt. Sie baten um Erläuterung des Änderungsbescheides.
Der Bekl. hat mit Schreiben vom 16.05.2007 den Fehler erläutert und die Änderung nach § 129 AO begründet. Mit Einspruchsentscheidung (EE) vom 06.09.2007 hat er den Einspruch der Kl. als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass die Voraussetzungen zur Änderung des ESt-Bescheides gem. § 129 S. 1 AO vorlägen. Danach könne die Finanzbehörde Schreibfehler, Rechenfehler oder ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die bei Erlass eines Verwaltungsaktes unterlaufen seien, jederzeit berichtigen. Bei der Übernahme fehlerhaft übertragener Lohnsteuerdaten handele es sich um eine ähnliche offenbare Unrichtigkeit. Ähnlich offenbare Unrichtigkeiten in diesem Sinne seien nach ständiger Rechtsprechung rein mechanische Fehler, bei denen die Möglichkeit eines Rechtsirrtums ausgeschlossen sei. Hierzu zählten zum Beispiel Übertragungsfehler, Irrtümer über den automatisierten Verfahrensablauf und ähnliche mechanische Versehen. Der Fehler müsse außerdem offenbar sein, also durchschaubar, eindeutig oder augenfällig und somit auf der Hand liegen. Diese Voraussetzungen seien im vorliegenden Fall gegeben. Wegen der weiteren Einzelhei...