Fehlerhafte Berücksichtigung elektronisch übermittelter Daten
Vor dem FG Münster wurde folgender Sachverhalt verhandelt: Dem Finanzamt wurden durch den Arbeitgeber des Klägers für das Kalenderjahr 2018 elektronische Lohnsteuerbescheinigungen übermittelt, die unter anderem einen Betrag in Höhe von 9.000 EUR für eine nicht ermäßigt besteuerte Entschädigung enthielten. Nach den weiteren Angaben in den Lohnsteuerbescheinigungen war der vorgenannte Betrag in dem bescheinigten Bruttoarbeitslohn enthalten.
Im Bescheid für 2018 berücksichtigte das Finanzamt (erklärungsgemäß) den um die Entschädigung geminderten Bruttoarbeitslohn. Den durch das Risikomanagementsystem (RMS) ausgegebenen Prüfhinweis, die Daten der Lohnsteuerbescheinigung wichen von den erklärten Werten ab, zeichnete die Bearbeiterin mit dem Vermerk "Abfindungsvertrag liegt vor. Geprüft." ab.
Abfindung wurde durch Fehler nicht besteuert
Im Nachhinein stellte das Finanzamt fest, dass die Entschädigung durch die Verwendung einer fehlerhaften Kennzahl bei der Durchführung der Veranlagung nicht versteuert worden ist. Es erließ einen nach § 175b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO geänderten Bescheid, in dem der Bruttoarbeitslohn und die Entschädigung entsprechend den Lohnsteuerbescheinigungen berücksichtigt wurden. Im Erläuterungstext wies das Finanzamt darauf hin. Den hiergegen eingelegten Einspruch hat das Finanzamt als unbegründet zurückgewiesen
Änderung nach § 175b AO
Das FG hat dem Finanzamt Recht gegeben und entschieden, dass es zur Korrektur des Bescheids berechtigt gewesen sei, denn nach § 175b Abs. 1 AO sei ein Steuerbescheid aufzuheben oder zu ändern, soweit von der mitteilungspflichtigen Stelle an die Finanzbehörden übermittelte Daten im Sinne des § 93c AO bei der Steuerfestsetzung nicht oder nicht zutreffend berücksichtigt worden sind. Die vom Arbeitgeber übermittelten Daten seien bei der Steuerfestsetzung im ursprünglichen Bescheid nicht zutreffend ausgewiesen worden, sodass die steuerrechtliche Behandlung materiell-rechtlich fehlerhaft gewesen sei. Der Bruttoarbeitslohn des Klägers sei vom Finanzamt um die darin enthaltene Entschädigung gekürzt worden, sodass die Einnahmen insgesamt um 9.000 EUR zu niedrig angesetzt wurden.
Anwendbarkeit der Vorschrift
Unerheblich sei, worauf die unzutreffende Auswertung beruhte. Denn für die Anwendbarkeit des § 175b AO komme es – anders als in den Fällen des § 173 AO – nicht darauf an, ob eine Verletzung der Mitwirkungspflichten seitens des Steuerpflichtigen oder der Ermittlungspflichten durch das Finanzamt vorliege. Ebenso unerheblich sei, ob dem Steuerpflichtigen bei Erstellung der Steuererklärung ein Schreib- oder Rechenfehler im Sinne des § 173a AO oder der Finanzbehörde bei Erlass des Steuerbescheids ein mechanisches Versehen im Sinne des § 129 AO unterlaufen sei.
Der Sinn und Zweck des § 175b Abs. 1 AO liege gerade darin, eine Änderungsmöglichkeit unabhängig von der Fehlerquelle zu schaffen. Hiermit wäre es nicht vereinbar, die Korrekturmöglichkeit in den Fällen auszuschließen, in denen dem Finanzamt alle maßgeblichen Daten vorlagen und eine zutreffende Auswertung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten war, dies aber aufgrund eines Fehlers bei der Veranlagung unterblieben sei.
Die fehlerhafte Angabe der Änderungsnorm des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO führt nicht zur Rechtswidrigkeit des Einkommensteuerbescheids. Denn für die Änderung kommt es nur darauf an, ob der Änderungsbescheid im Zeitpunkt seines Ergehens durch irgendeine Befugnisnorm gedeckt war (BFH Urteil vom 19.01.2017 - III R 28/14).
Revision beim BFH
Da gegen die Entscheidung des FG Revision eingelegt worden ist, Az beim BFH IX R 20/23, hat der BFH die Frage zu entscheiden, ob sich das Finanzamt trotz im Veranlagungsverfahren vorgenommener Prüfung der ermäßigten Besteuerung der Entschädigungsleistung nach einem Hinweis durch das RMS auf die Änderungsnorm des § 175b AO berufen kann.
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