Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtigkeit eines Schätzungsbescheids
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Schätzungsbescheid ist nichtig, wenn die handelnden Beamten subjektiv willkürlich gehandelt haben
2. Nichtigkeit liegt auch dann vor, wenn objektiv krass von den tatsächlichen Gegebenheiten abgewichen wurde.
Normenkette
AO § 125 Abs. 1, § 162
Tatbestand
Streitig ist, ob ein Schätzungsbescheid zur Einkommensteuer (ESt) 1999 nichtig ist.
Der Kläger (Kl.) erzielte im Veranlagungszeitraum 1999 Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit und aus Vermietung und Verpachtung (VuV) aus zwei Vermietungsobjekten (A-Str. 21 in A-Stadt und B-Str. 5 in B-Stadt). Auf Antrag des Kl. wurde ihm seitens des Bekl. am 05.11.1998 ein bei der Berechnung der Lohnsteuer als steuerfrei zu berücksichtigender Jahresbetrag in Höhe von 5.650 DM auf der Lohnsteuerkarte 1999 eingetragen. Dieser Betrag entspricht den vom Kl. im Lohnsteuerermäßigungsantrag angegebenen voraussichtlichen negativen Einkünften aus VuV in 1999. Die ESt-Erklärung für 1999 gab der Kl. zunächst nicht ab. Für die Veranlagungszeiträume 1995 – 1997 hatte der Kl. Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit in Höhe von jeweils rund 60.200 DM bis 63.400 DM sowie Einkünfte aus VuV für die beiden Vermietungsobjekte zwischen rund ./. 14.000 DM und ./. 19.100 DM erklärt. Dabei machte der Kl. in den Veranlagungszeiträumen 1996 – 1997 bzgl. des Objekts A-Str. 21 in A-Stadt den Werbungskostenpauschbetrag gem. § 9 a Satz 1 Nr. 2 EStG a.F. geltend. Auf die ESt-Erklärungen 1995-1997 in der ESt-Akte wird im Einzelnen verwiesen.
Der Bekl. erließ gegen den Kl. am 25.10.2000 einen Schätzungsbescheid zur ESt 1999, in dem er die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit auf 63.000 DM und die Einkünfte aus VuV auf 8.500 DM schätzte. Die aus dem Schätzungsbescheid resultierende Nachzahlung wurde am 02.01.2001 geleistet.
Bereits für den Veranlagungszeitraum 1998 hatte der Bekl. am 11.02.2000 gegen den Kl. wegen Nichtabgabe der ESt-Erklärung einen Schätzungsbescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (VdN) erlassen. Darin hatte der Bekl. die Einkünfte aus VuV auf 4.000 DM geschätzt. In der nach Aufhebung des VdN am 26.10.2001 eingereichten ESt-Erklärung für 1998 erklärte der Kl. später Einkünfte aus VuV für 1998 in Höhe von ./. 9.801 DM.
Ebenfalls am 26.10.2001 reichte der Kl. die ESt-Erklärung 1999 beim Bekl. ein und stellte den Antrag, wegen Nichtigkeit des Schätzungsbescheides vom 25.10.2000 die ESt für 1999 neu festzusetzen. Der Kl. erklärte u.a. Einkünfte aus VuV in Höhe von ./.8.739 DM. Auf die ESt-Erklärung wird verwiesen. Den Antrag, die ESt 1999 entsprechend der eingereichten Steuererklärung neu festzusetzen, begründete der Kl. im Wesentlichen damit, dass der Schätzungsbescheid vom 25.10.2000 nicht bestandskräftig geworden sei, da er nichtig sei. Dem Bescheid liege eine willkürliche Schätzung zugrunde. Dem Bekl. sei aus den Steuererklärungen der Vorjahre bekannt, dass der Kl. aus der Vermietung des Objektes A-Str. 21 in A-Stadt keine Überschüsse erziele und dass aus der Vermietung des Objektes B-Str. 5 in B-Stadt lediglich ein Überschuss von ca. 3.000 DM im Jahr zu erwarten sei. Darüber hinaus seien dem Bekl. auf Grund des Lohnsteuerermäßigungsantrages 1999 die Verhältnisse des Kl. bekannt gewesen.
Mit Schreiben vom 13.11.2001 lehnte der Bekl. den Antrag des Kl. ab, da die Rechtsbehelfsfrist bereits abgelaufen sei. Eine Nichtigkeit des Schätzungsbescheides liege nicht vor. Bei der Schätzung seien alle bisher bekannten Tatsachen berücksichtigt worden.
Gegen den Ablehnungsbescheid legte der Kl. am 10.12.2001 Einspruch ein. Zur Begründung führte er aus, dass der Bekl. bei der Schätzung nicht alle ihm bekannten Tatsachen berücksichtigt habe. Es sei nicht nachvollziehbar, wie angesichts eines im Lohnsteuerermäßigungsverfahren angenommenen Verlustes aus VuV für 1999 in Höhe von 5.650 DM, der bereits erheblich unter dem tatsächlichen Verlust des vorherigen Veranlagungszeitraumes liege, bei der Veranlagung plötzlich ein Überschuss von 8.500 DM bei den Einkünften aus VuV habe geschätzt werden können. Dem Bekl. seien die persönlichen Verhältnisse des Kl. aus den Veranlagungen der Vorjahre bekannt gewesen. Insbesondere sei dem Bekl. bekannt gewesen, dass dem Kl. keine Mittel zur Ablösung der Belastungen der Vermietungsobjekte zur Verfügung gestanden hätten und es ihm kaum möglich gewesen sei, die Mieteinnahmen zu steigern.
Mit Einspruchsentscheidung (EE) vom 29.04.2003 wies der Bekl. den Einspruch als unbegründet zurück. Der Schätzungsbescheid vom 25.10.2001 sei nicht nichtig, da er nicht an einem besonders schwer wiegenden Fehler leide, der bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig sei. Ein Steuerbescheid, dessen Mangel lediglich darin bestehe, dass die zugrunde liegende Schätzung der Besteuerungsgrundlagen zu hoch ausgefallen sei, sei nicht nichtig. Auch wenn ein Verstoß gegen die anerkannten Schätzungsgrundsätze vorläge, gehe ein solcher Fehler nicht über eine unrichtige Re...