rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückwirkende Verlängerung der Spekulationsfrist nicht verfassungswidrig
Leitsatz (redaktionell)
Die (rückwirkende) Verlängerung der Spekulationsfrist für Grundstücksveräußerungen ist jedenfalls dann nicht verfassungswidrig, wenn die bisher geltende 2-Jahresfrist bei Verkündung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 noch nicht abgelaufen war.
Normenkette
EStG § 23 Abs. 1, 1 Sätze 1, 1 Nr. 1, § 52 Abs. 39, 39 S. 1; GG Art. 20 Abs. 3; EStG § 22 Nr. 2
Tatbestand
Streitig ist, ob die Verlängerung der sog. Spekulationsfrist für Grundstücksveräußerungen von 2 auf 10 Jahre verfassungswidrig ist, wenn die bisherige 2-jährige Frist bei Verkündung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 noch nicht abgelaufen war.
Die gem. §§ 26, 26 b Einkommensteuergesetz (EStG) zusammen zur Einkommensteuer 1999 veranlagten Kläger erwarben durch Vertrag vom 10.10.1997 (Urkunde Nr. 467/1997 des Notars X in E) ein ca. 3.209 qm großes Grundstück. Mit Vertrag vom 22.10.1999 (Urkunde Nr. 1026/1999 des Notars Y in H) verkauften sie hieraus eine Teilfläche von rd. 500 qm. Hierbei erzielten sie einen Veräußerungsgewinn i.H.v. unstreitig 161.797,94 DM.
Bei der Einkommensteuerveranlagung 1999 erfasste der Beklagte den Gewinn aus der Grundstücksveräußerung wie zunächst erklärt als Einkünfte aus privatem Veräußerungsgeschäft.
Mit der Klage vertreten die Kläger unter Hinweis auf den BFH-Beschluss vom 05.03.2001 IX B 90/00, BStBl. II 2001, 405 die Auffassung, die Verlängerung der Spekulationsfrist auf 10 Jahre sei verfassungswidrig. Die Grundsätze des Beschlusses seien auch im Streitfall anzuwenden, weil durch die Anfang 1999 erfolgte Gesetzesänderung auf die früher (im Oktober 1997) vorgenommene Investitionsentscheidung eingewirkt worden sei.
Eine Besteuerung als Spekulationsgewinn scheide zudem aus, weil sie das Grundstück nicht freiwillig, sondern zwangsweise veräußert hätten. Das ursprüngliche Vorhaben, in E für den eigenen Wohnbedarf ein Einfamilienhaus zu errichten, sei gescheitert, weil die Klägerin ihre Eltern intensiv betreuen müsse. Hierzu sei die Errichtung eines Anbaus am Haus der Eltern notwendig gewesen. Dies habe nur durch den zunächst nicht geplanten Verkauf der streitigen Teilfläche finanziert werden können.
Die Kläger beantragen,
unter Änderung des Einkommensteuerbescheids vom 20.04.2001 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 27.08.2001 die Einkommensteuer 1999 ohne Berücksichtigung eines Gewinns i.H.v. 161.797 DM aus der Veräußerung des Grundstücks festzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Auffassung, die Besteuerung entspreche dem Gesetz und sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet (§ 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung – FGO –).
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Der Beklagte hat den Gewinn aus der Veräußerung des Grundstücks in Höhe von 161.797 DM zutreffend gem. § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG i.d.F. des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 vom 24.03.1999, BGBl I 402 als sonstige Einkünfte der Besteuerung zugrundegelegt.
§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG erfasst Veräußerungsgeschäfte bei Grundstücken und Rechten, die den Vorschriften des Bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als 10 Jahre beträgt. Diese Regelung ist nach der Anwendungsvorschrift des § 52 Abs. 39 Satz 1 EStG auf Veräußerungsgeschäfte anzuwenden, bei denen die Veräußerung auf einem nach dem 31.12.1998 rechtswirksam abgeschlossenen obligatorischen Vertrag oder gleichstehenden Rechtsakt beruht.
Die Voraussetzungen dieser Vorschriften liegen im Streitfall vor.
Die Kläger haben das streitige Grundstück mit Vertrag vom 10.10.1997 gekauft und mit Vertrag vom 22.10.1999 wieder verkauft. Dies ist zwischen den Beteiligten ebenso wie die Höhe des dabei entstandenen Gewinns von 161.797 DM nicht streitig.
Der Senat lässt offen, ob die Kläger zunächst beabsichtigten, auf dem Grundstück in E ein Einfamilienhaus zu errichten und ob sie später die Teilfläche zwangsweise wegen finanzieller Engpässe veräußert haben.
Denn bei – wie hier – Vorliegen der Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG kommt es nach der gesetzlichen Definition auf den Grund der Betätigung des Steuerpflichtigen (Spekulationsabsicht, Krankheit, drohende Enteignung, sonstiger Zwang, usw.) nicht an (ständige BFH-Rechtsprechung, vgl. z. B. BFH-Urteil vom 16.01.1973 VIII R 96/70, BStBl. II 1973, 445 m.w.N.).
Auch eine Aussetzung des Verfahrens und Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 Grundgesetz (GG) kommt nicht in Betracht.
Die Anwendung der §§ 22 Nr. 2, 23 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG begegnet jedenfalls für den Streitfall keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
Die in der Rechtsprechung und Literatur geltend gemachten verfassungsrechtlichen Vorbehalte gegen den § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG gründen insbesondere darin, dass in den Anwe...