Entscheidungsstichwort (Thema)
Reihengeschäft, Anforderungen an den Übergang der Verfügungsmacht; Versagung des Vorsteuerabzugsrechts
Leitsatz (redaktionell)
Die zu innergemeinschaftlichen Lieferungen entwickelten Grundsätze hinsichtlich der Zuordnung der bewegten Lieferung sind nach Auffassung des Senates bei Ausfuhrumsätzen in gleicher Weise anwendbar.
Das Kriterium der Transportverantwortung stellt mithin ein Indiz für die Frage der Übertragung der Verfügungsmacht dar. Im Streitfall ist der Senat davon überzeugt, dass die Verfügungsmacht an der Ware bereits in Deutschland mit der Übergabe an den Spediteur auf den Zweiterwerber übergegangen ist.
Normenkette
UStG §§ 14, 3 Abs. 6; MwStSystRL Art. 226 Nr. 6; UStG § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
Tatbestand
Streitig sind der Vorsteuerabzug aus Rechnungen einer Firma M und die Steuerbarkeit und Steuerfreiheit einer (Werk-)Lieferung, deren (Zweit-)Erwerber in Russland ansässig war.
Die Klägerin ist eine GmbH mit Sitz in C. Gegenstand der Klägerin ist […]. Die Klägerin ist dabei vorwiegend auf dem osteuropäischen (insbesondere dem russischen) Markt tätig.
Für das Streitjahr 2007 erklärte die Klägerin in ihrer am 31.10.2008 beim Beklagten eingegangenen Umsatzsteuerjahreserklärung 2007 eine Umsatzsteuer in Höhe von –… €. Der Beklagte stimmte der Umsatzsteuererklärung zu.
Für das Streitjahr 2008 erklärte die Klägerin in ihrer am 07.09.2009 beim Beklagten eingegangenen Umsatzsteuerjahreserklärung 2008 eine Umsatzsteuer in Höhe von –… €. Der Beklagte stimmte der Umsatzsteuererklärung zu.
Für das Streitjahr 2009 erklärte die Klägerin in ihrer am 28.07.2010 beim Beklagten eingegangenen Umsatzsteuerjahreserklärung 2009 eine Umsatzsteuer in Höhe von –… €. Der Beklagte stimmte der Umsatzsteuererklärung zu.
Für das Streitjahr 2010 erklärte die Klägerin in ihrer am 24.04.2011 beim Beklagten eingegangenen Umsatzsteuerjahreserklärung 2010 eine Umsatzsteuer in Höhe von –… €. Der Beklagte stimmte der Umsatzsteuererklärung ebenfalls zu.
Ab dem Jahr 2011 führte das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung J (GKBP-FA) eine Betriebsprüfung für den Zeitraum 2007 bis 2010 bei der Klägerin durch. Im Rahmen der Betriebsprüfung erkannte der Prüfer den Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der von Frau JT betriebenen Firma M (Sitz in O, anderes Bundesland) in Höhe von 38.923,40 € (2007), 34.798,50 € (2008), 30.533,00 € (2009) und 33.839,00 € (2010) wegen unzureichender Leistungsbeschreibungen nicht an (Tz. 2.11 des BP-Berichts vom 22.10.2015). Die Leistungen waren vielfach durch Herrn NT, der der Ehemann der Frau JT und zugleich Mitarbeiter der Firma M ist, erbracht worden. Herr NT war darüber hinaus auch als Angestellter für die in der Schweiz ansässige Firma N AG tätig, zu der die Klägerin ebenfalls in Geschäftsbeziehungen stand. Die N AG vermittelte der Klägerin u.a. Aufträge im Russlandgeschäft und erhielt hierfür eine 20%-ige Provision, teilweise wurden der Klägerin Nachlässe gewährt. Die von der Firma M berechneten Beträge rechnete die Klägerin auf die Provisionsansprüche der N AG an (Tz. 2.11 des BP-Berichts).
Zudem ermittelte der Prüfer, dass die Klägerin im Rahmen eines Reihengeschäfts eine … an die Firma N AG mit Sitz in der Schweiz veräußert hatte und diese Anlage direkt vom Kunden der N AG, der in Russland ansässigen Firma H, bei der Klägerin abgeholt worden war. Die Abrechnung durch die Klägerin erfolgte dabei wie folgt:
Zahlungen |
Re-Nr. |
Re-Datum |
Betrag |
1. Anzahlung |
xyz |
11.12.2009 |
271.526,00 € |
2. Anzahlung |
xyz |
27.05.2010 |
261.384,74 € |
3. Anzahlung |
xyz |
30.06.2010 |
118.008,12 € |
Restzahlung |
xyz |
10.09.2010 |
283.077,63 € |
Gesamtpreis |
|
|
933.996,49 € |
Der Prüfer vertrat die Auffassung, dass im Rahmen des vorgenannten Reihengeschäfts die erste Lieferung als ruhende Lieferung in Deutschland umsatzsteuerbar und umsatzsteuerpflichtig sei. Die Beförderung sei der zweiten Lieferung, also der Lieferung der N AG an die Firma H zuzuordnen (Tz. 2.13 des BP-Berichts). Die Umsatzsteuer 2010 sei daher um 149.125,49 € (19% herausgerechnet aus 933.996,49 €) zu erhöhen.
Auf der Grundlage des Betriebsprüfungsberichtes vom 22.10.2015 ergingen am 13.05.2016 nach § 164 Abs. 2 AO geänderte Umsatzsteuerbescheide, in denen der Beklagte die Umsatzsteuer nunmehr abweichend in Höhe von –… € (2007),–… € (2008), –… € (2009) bzw. –… € (2010) festsetzte. Zugleich hob er jeweils den Vorbehalt der Nachprüfung auf (Bl. 31 ff. der Rechtsbehelfsakte).
Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 22.05.2016 Einspruch ein und wandte sich in umsatzsteuerrechtlicher Hinsicht gegen die Prüfungsfeststellungen gem. Tz. 2.11 und 2.13 des Betriebsprüfungsberichtes vom 22.10.2015.
Mit Einspruchsentscheidung vom 30.03.2017 änderte der Beklagte die Umsatzsteuerbescheide 2009 und 2010 dahingehend, dass er die Umsatzsteuer 2009 nunmehr auf–… € und die Umsatzsteuer 2010 auf –… € festsetzte. Diese Änderung beruhte darauf, dass die erfolgte 1. Abschlagszahlung aus dem Reihengeschäft in Höhe von 271.526 € im Jahr 2009 in Rechnung gestellt worden war und deshal...