Entscheidungsstichwort (Thema)
Existenzminimum und Kindergeldanspruch für 1996
Leitsatz (redaktionell)
Verfassungsrechtliche Erwägungen zum steuerfrei zu belassenden Existenzminimum begründen für das Streitjahr 1996 keinen höheren Kindergeldanspruch.
Normenkette
EStG §§ 31-32; GG Art. 1 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1; EStG § 66 Abs. 1
Tatbestand
Der Kläger ist (Adoptiv-) Vater des am 04.12.1991 geborenen Sohns H.
Zusammen mit seiner Ehefrau wird der Kläger zur Einkommensteuer 1996 veranlagt. Durch Bescheid vom 25.10.2000 hat das Finanzamt C. anläßlich eines weiteren beim Finanzgericht rechtshängigen Klageverfahrens die Einkommensteuer 1996 ausgehend von einem zu versteuernden Einkommen in Höhe von 89.656,– DM (Steuer lt. Splittingtabelle: 18.840,– DM) und unter Berücksichtigung einer Ermäßigung nach § 34 g Nr. 1 EStG in Höhe von 39,– DM auf 18.801,– DM festgesetzt.
Mit Einspruchschreiben vom 06.03.1996 wandte sich der Kläger gegen die Höhe des ihm ausgezahlten Kindergeldes. Dabei vertrat er die Auffassung, das monatliche Kindergeld in Höhe von 200,– DM sei nicht geeignet, das Existenzminimum von Kindern einkommensteuerfrei zu stellen. Mit Entscheidung vom 23.05.1996 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück.
Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger, das an ihn für 1996 auszuzahlende Kindergeld auf monatlich 290,– DM festzusetzen. Zur Begründung trägt er insbesondere vor, das Kindergeld müsse mindestens so hoch sein, wie die geringste Steuerentlastung auf das Existenzminimum. Das steuerliche Existenzminimum dürfe nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts den Mindestbedarf, den der Gesetzgeber im Sozialrecht anerkenne, nicht unterschreiten. Wenn man die vom Bundesverfassungsgericht in dem Beschluß vom 29.05.1990 aufgestellten Berechnungsmaßstäbe zugrunde lege, so betrage der realitätsgerechte Kinderfreibetrag in Anlehnung an die Berechnung zur Höhe des Existenzminimums eines Kindes jährlich mindestens 9.072 DM; dies entspreche 756,– DM pro Monat. Hierzu führt der Kläger aus:
Der Eckregelsatz für ein Kind bis zu 17 Jahren betrage 360,– DM. Dies entspreche einem durchschnittlichen Bedarf von 68,5 % des Eckregelsatzes für den erwachsenen Haushaltsvorstand.
Die sog. Einmalbeihilfen seien in Höhe von 26 % der Regelsätze für Kinder mit monatlich 94,– DM zu berücksichtigen. Dies ergebe sich aus Untersuchungen des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung.
Der realistische Mietmehrbedarf je Kind betrage 202,– DM, der sich errechne aus einem kindbedingten Zusatzbedarf von 14,4 qm und einer Durchschnittsmiete von 12,47 DM in 1993 bei einer dreimaligen Mietsteigerung bis 1996 um jeweils 4 %. Dabei stelle der Zusatzbedarf von 14,4 qm einen Mittelwert zwischen einer Ist-Erhebung der Bundesregierung und dem vom wissenschaftlichen Beirat für Familienfragen für notwendig gehaltenen Bedarf dar. Da die Höhe des durchschnittlichen Mietzinses nicht als allgemeiner Durchschnittswert ermittelt werden könne, sei von der Wohngeld-Mietenstufe VI, die beispielsweise in Frankfurt und im Großraum München gelte, auszugehen. Diese habe in 1993 durchschnittlich 12,47 DM betragen.
Die Heizkosten seien mit 25 % der Mietkosten anzusetzen und deshalb in 1996 mit monatlich 51,– DM zu berücksichtigen.
Darüber hinaus sei ein Mindestvorsorgebetrag in Höhe von 470,– DM pro Kind und Jahr anzusetzen.
Da Sozialhilfeempfänger weitere Vergütungen erhielten wie z.B. der Erlaß von Telefongrundgebühren, sei pro Kind pro Monat ein weiterer Betrag von 11,– DM zu berücksichtigen.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, das Kindergeld 1996 für das Kind H M auf 290 DM pro Monat festzusetzen;
hilfsweise, das Verfahren auszusetzen und die Sache gemäß Art 100 Abs. 1 Grundgesetz (GG) dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Auffassung, die für 1996 geltende Gesetzesfassung des § 66 Abs. 1 EStG begegne keinen verfassungsrechtlichen Zweifeln.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet, da der Kläger in 1996 durch die Auszahlung des monatlichen Kindergelds in Höhe von 200,– DM nicht in seinen Rechten verletzt ist.
A. Die Festsetzung des an den Kläger für seinen Sohn im Jahr 1996 ausgezahlten Kindergeldes in Höhe von monatlich 200,– DM entspricht der einfachgesetzlichen Regelung des § 66 Abs. 1 EStG.
B. Entgegen der Auffassung des Klägers kann dieser für seinen Sohn H keinen Anspruch auf ein höheres Kindergeld in 1996 aufgrund von verfassungsrechtlichen Erwägungen zum steuerfrei zu belassenden Existenzminimum geltend machen.
I. Aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsgrundsatz des Art. 20 Abs. 1 GG folgt das verfassungsrechtliche Gebot, daß der Staat das Einkommen dem Steuerpflichtigen insoweit steuerfrei belassen muß, als es Mindestvoraussetzung eines menschenwürdigen Daseins ist – „Existenzminimum” –. Bei der Besteuerung einer Familie gilt dies – unter zusätzlicher Berücksichtigung von Art. 6 Abs. 1 GG – für das Existenzminimum sämtlicher Familienmitglieder. Bei der Beurteilung de...