rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Unentgeltlichkeit der Überlassung von Wohnraum als Voraussetzung für den vollen Abzug nach § 10e Abs. 1 EStG
Leitsatz (redaktionell)
1) Eine unschädliche "unentgeltliche Überlassung" der eigengenutzten Wohnung an nahe Angehörige liegt nicht vor, wenn der überlassene Wohnungsteil zumindest teilentgeltlich zum Wohnen überlassen wird. Die Bemessungsgrundlage für die Förderung nach § 10e EStG ist dann gem. § 10e Abs. 1 Satz 7 EStG zu kürzen.
2) Wird ein bereits in einem früheren Objekt bestehendes Wohnrecht der Angehörigen aufgegeben, das einem Verkauf dieses Objekts im Wege stand, und dafür ein neues Wohnrecht an einem Teil einer Wohnung an einem ganz anderen Ort neu begründet, so ist darin ein zumindest teilentgeltliches Geschäft zu sehen, das eine "unentgeltliche Überlassung" im Sinne von § 10e Abs. 1 Satz 3 EStG ausschließt.
3) Die in § 10e Abs. 1 Satz 7 EStG vorgesehene Kürzung der Anschaffungskosten des Gebäudes berechnet sich nach dem Flächenverhältnis der gesamten zu der an die Angehörigen überlassenen Wohnfläche.
4) Zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des nach § 10 Abs. 3 EStG beschränkten Abzugs von Vorsorgeaufwendungen für die Veranlagungszeiträume 1995 und 1996 hat die Finanzverwaltung wegen der beim BFH anhängigen Musterverfahren XI R 41/99 und XI R 17/00 nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO zu Recht die Vorläufigkeit von Steuerbescheiden aufrecht erhalten.
Normenkette
EStG § 10e Abs. 1 Sätze 3, 7, § 10 Abs. 3; AO 1977 § 165 Abs. 1, 1 Sätze 2, 2 Nr. 3; EStG § 10e Abs. 1
Tatbestand
Streitig ist, ob Teile einer Wohnung unentgeltlich überlassen worden sind und somit der volle Abzugsbetrag nach § 10 e Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) zu gewähren ist.
Die Kläger (Kl.) wurden für 1995 und 1996 zusammen zur Einkommensteuer (ESt) veranlagt. Mit Vertrag vom 02.12.1983 erwarben sie das Zweifamilienhaus Wgasse in J im Wege der vorweggenommenen Erbfolge von den Eltern des Kl. (im folgenden nur noch Eltern genannt). Nach Nr. 2 des Vertrages waren die Veräußerer berechtigt, lebenslang mietfrei in Räumen des übertragenen Hauses zu wohnen.
Mit notariellem Vertrag vom 10.09.1993 verkauften die damals in K wohnenden Kl. das Haus in J zum Kaufpreis von 250.000 DM. Die Räumung durch die Eltern der Kl. sollte spätestens bis zum 30.11.1993 erfolgen. Ansonsten waren die Käufer berechtigt, ohne Verpflichtung zur Zahlung irgendeiner Entschädigung von dem Vertrage zurückzutreten.
Mit notariellem Vertrag vom 07.08.1993 kauften die Kl. das Einfamilienhaus am Lberg in B für 350.000 DM. Der Kaufpreis war fällig Zug um Zug mit Übergabe des Kaufobjekts und Räumung durch den Mieter. Die Verkäuferin verpflichtete sich, das Objekt im geräumten Zustand und frei von Rechten Dritter bis zum 01.11.1993 zu übergeben. Die Kl. und die Eltern zogen zum 01.11.1993 in das Haus in B ein. Die Eltern nutzen die Dachgeschoßräume in einer Größe von ca. 70 qm.
In notarieller Urkunde vom 14.01.1994 bestellten die Kl. für die Eltern an dem Grundstück in B ein lebenslängliches Wohnrecht an den in dem Hause im Obergeschoß gelegenen Räumen, bestehend aus Wohnzimmer, Schlafzimmer, Gästezimmer, Bad und Küche. Gleichzeitig bewilligten und beantragten die Kl. die Eintragung eines entsprechenden Wohnrechts für die Eltern im Grundbuch. Bezüglich der Einzelheiten wird auf den Inhalt der o. a. drei Verträge verwiesen.
In den ESt-Erklärungen 1995 und 1996 beantragten die Kl. Abzugsbeträge nach § 10 e Abs. 1 EStG in Höhe von 19.800,00 DM. In den ESt-Bescheiden 1995 und 1996 wurde, wie auch in den Vorjahren, nur der um den Anteil der wohnrechtsbelasteten Wohnung gekürzte Abzugsbetrag in Höhe von 16.366,00 DM berücksichtigt, weil die Einräumung des Wohnrechts einen entgeltlichen Erwerb darstelle. Beide ESt-Bescheide waren mit einem Vorläufigkeitsvermerk gem. § 165 Abs. 1 AO u. a. im Hinblick auf die Anhängigkeit von Verfassungsbeschwerden bzw. Revisionen hinsichtlich der beschränkt abzugsfähigen Vorsorgeaufwendungen gem. § 10 Abs. 3 EStG versehen.
Gegen die ESt-Bescheide 1995 und 1996 legten die Kl. Einspruch mit der Begründung ein, daß die Wohnrechtsgewährung für das Grundstück in B unentgeltlich und freiwillig erfolgt sei, weil sie nicht verpflichtet gewesen seien, den Eltern im neuen Objekt ein Wohnrecht zu gewähren. Ein Wohnrecht für das Grundstück in J sei nicht in das Grundbuch eingetragen worden. Die Belastung, die sie anläßlich der Übertragung des Grundstücks in J hätten übernehmen müssen, habe den Wert des Hauses erheblich überstiegen.
Der Einspruch war erfolglos (Einspruchsentscheidung – EE – vom 17.06.1998). Das Finanzamt (FA) führte zur Begründung aus, nach § 10 e Abs. 1 Satz 3 EStG liege eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken auch vor, wenn Teile einer zu eigenen Wohnzwecken genutzten Wohnung unentgeltlich zu Wohnzwecken überlassen würden. Der Gesetzgeber unterscheide dabei nicht zwischen einer unentgeltlichen Nutzungsüberlassung mit oder ohne gesicherte Rechtsposition.
Werde ein Teil aufgrund eines vorbehaltenen obligatorisch...