Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückforderung nach § 37 Abs. 2 AO: Kreditinstitut als Leistungsempfängerin oder Zahlstelle
Leitsatz (redaktionell)
1) Erstattet das Finanzamt Steuerbeträge auf ein für den Steuerpflichtigen bei einem Kreditinstitut geführtes Girokonto, ist im Regelfall davon auszugehen, dass das Finanzamt mit der Überweisung nicht zugunsten des Kreditinstituts, sondern mit befreiender Wirkung gegenüber dem anspruchsberechtigten Steuerpflichtigen als Steuergläubiger leisten will.
2) In einem solchen Fall kann eine Erstattung nicht von dem lediglich als Zahlstelle eingeschalteten Kreditinstitut, sondern nur von dem vermeintlichen Steuergläubiger bzw. Kontoinhaber zurückgefordert werden.
3) Für die Einordnung eines Kreditinstituts als bloße Zahlstelle kommt es nicht darauf an, ob das Konto, auf welches die (fehlerhafte) Steuererstattung geflossen ist, noch besteht. Demnach ist auch unbeachtlich, wenn das Konto in der EDV des Kreditinstituts aus dem technischen Bestand ausgegliedert worden ist.
Normenkette
AO § 37 Abs. 2
Nachgehend
Tatbestand
Zu entscheiden ist, ob der Rückforderungsbescheid vom 15.02.2006, mit welchem der Beklagte (Bekl.) die Klägerin (Klin.) als Leistungsempfängerin einer Steuererstattung in Anspruch genommen hat, rechtmäßig ist.
Die Klin. ist ein Kreditinstitut, bei welchem die ARGE F A (ARGE), eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), am 10.08.2000 ein Geschäftskonto mit der Nummer xx00 errichtete. Gesellschafter der ARGE waren – jedenfalls zum Zeitpunkt der Kontoeröffnung – die I Bau GmbH (AG …, HRB …) und die B GmbH (AG …, HRB …). Dabei handelte es sich bei dem Konto mit der Nummer xx00 um ein sogenanntes „Oder-Konto”, über dessen Guthaben die beiden Gesellschafter jeweils allein verfügen konnten.
Über das Vermögen der B GmbH wurde durch Beschluss des AG … C – Insolvenzgericht – vom 19.11.2002 (2 IN …) das Insolvenzverfahren eröffnet, welches durch Beschluss des AG … C vom 31.03.2005 mangels Masse wieder eingestellt wurde. Die B GmbH wurde am 22.11.2006 im Handelsregister wegen Vermögenslosigkeit von Amts wegen gelöscht.
Im Jahre 2002 wurde die I Bau GmbH in die I Bau GmbH & Co. KG (AG …, HRA …) umgewandelt. Komplementär der I Bau GmbH & Co. KG war die I Bau Beteiligungs-GmbH (AG …, HRB …). Kommanditist war Herr I. Über das Vermögen der I Bau GmbH & Co. KG wurde am 01.01.2003 das Insolvenzverfahren eröffnet (AG …, 2 IN …). Gem. den öffentlichen Bekanntmachungen des Insolvenzgerichts ist dieses Insolvenzverfahren noch nicht beendet.
Nachdem im Einspruchsverfahren und zu Beginn des Klageverfahrens zunächst streitig war, ob die ARGE als Rechtssubjekt wegen einer möglichen Insolvenz der ARGE und/oder wegen der Insolvenzverfahren über die Vermögen ihrer Gesellschafter noch existiert, haben die Parteien inzwischen unstreitig gestellt, dass über das Vermögen der ARGE kein Insolvenzverfahren eröffnet worden ist und dass hinsichtlich der Insolvenz ihrer Gesellschafter jedenfalls noch keine Vollbeendigung der ARGE erfolgt ist und die ARGE daher als Rechtssubjekt noch existiert.
Im Jahr 2004 führte der Bekl. bei der ARGE eine Betriebsprüfung (Bp) für die Jahre 2000 bis 2002 durch. Im Nachgang zur Bp kam es am 03.08.2004 zu einer Erstattung eines (vermeintlichen) Umsatzsteuer (USt)-Guthabens i. H. v. 309.846,11 EUR auf das Konto xx00 der ARGE bei der Klin. Dabei hatte die Klin. das ungekündigte Konto xx00 vor dem Zahlungseingang in Ermangelung von Kontenbewegungen bereits aus dem technischen Bestand der laufenden Konten herausgenommen und wegen des Zahlungseingangs zum 05.08.2004 wieder in den technischen Bestand aufgenommen.
Am 30.09.2005 buchte die Klin. von dem Konto der ARGE mit der Nr. xx00 einen Betrag i. H. v. 310.524,57 EUR auf das Konto yy00 der I Bau GmbH & Co. KG. Anschließend wurde Teilbeträge i. H. v. 102.000,00 EUR bzw. i. H. v. 189.000,00 EUR auf die ebenfalls bei der Klin. geführten Konten der I Bau GmbH & Co. KG mit den Nrn. yy10 sowie yy32 umgebucht und mit diesen Teilbeträgen Forderungen getilgt, welche die Klin. gegen die I Bau GmbH & Co. KG hatte. Auf dem Kontoauszug vom 30.09.2005 der ARGE (Konto-Nr.: xx00) findet sich der Vermerk „Forderungseinzug”. Für diese Umbuchungen stütze sich die Klin. auf eine Globalabtretung vom 21.01.2002, wonach die I Bau GmbH & Co. KG der Klin. alle Forderungen gegen Drittschuldner mit dem Anfangsbuchstaben A – V zur Sicherheit abtrat.
Im November 2005 gelangte der Bekl. zu der Ansicht, dass die Erstattung der USt fehlerhaft sei, weil Vorsteuerbeträge in der Umsatzsteuervoranmeldung für April 2004 versehentlich doppelt berücksichtigt worden seien. Daraufhin erließ der Bekl. am 22.12.2005 einen geänderten Bescheid für 2004 über USt gegenüber der ARGE, welcher eine Zahllast i. H. v. 517.986,13 EUR auswies. Zugleich wurde die ARGE zur Zahlung der 517.986,13 EUR bis zum 27.01.2006 aufgefordert. In dieser Zahllast i. H. v. 517.986,13 EUR sind ...